Interview mit Robert Abend, BörseGo AG

Robert Abend, BörseGo AG

VC Magazin: Fintech ist derzeit in aller Munde und wird als „next big thing“ gesehen. Zu Recht?
Abend: Absolut. Die GfK hat letztes Jahr eine Umfrage durchgeführt, die ergab, dass nur 18% der Deutschen Beratern von Banken und Versicherungen vertrauen, wenn es um ihre Finanzen geht. Der Wille, sich Informationen selbst zu beschaffen und eigenverantwortlich zu agieren, ist also groß. Hinzu kommt, dass der Banken- und Versicherungsbranche aufgrund hoher regulatorischer Hürden die Flexibilität fehlt. Diese beiden Aspekte nutzen Fintech-Start-ups. Es gibt aktuell einige Kandidaten mit großem Potenzial, die langfristig den Umgang jedes Einzelnen mit seinen Finanzen nachhaltig verändern werden. Man sollte dabei aber nicht immer eine Konkurrenz zwischen z.B. Banken und Fintech-Start-ups ausmachen, sondern vielmehr auch eine Chance für sinnvolle Kooperationsmöglichkeiten.

VC Magazin: Sie sind seit 15 Jahren im Fintech-Bereich unterwegs. Warum ebbte die erste Welle ab, warum sprießen erst seit Kurzem wieder so viele Start-ups in diesem Bereich?
Abend: Das liegt zum einen daran, dass der Start-up-Markt extrem wächst, die Hürden – technisch und folglich vor allem finanziell – sind heute wesentlich geringer als vor ein paar Jahren. Auch Investoren sind mittlerweile wieder risikobereiter als kurz nach dem Crash zur Jahrtausendwende. Was einzelne Bereiche betrifft, gibt es tatsächlich immer Trends bei der Start-up-Gründung. Einmal boomen Online-Shopping-Start-ups, dann konzentriert sich alles aufs Thema Reise, Food usw. Nur die besten Ideen und Umsetzungen dieser Trendphasen bleiben langfristig am Markt bestehen. Der Bereich Finanzen war bisher relativ unangetastet – jetzt ist er dran.

VC Magazin: Nach den erfolgreichen IPOs von Zalando und Rocket Internet liebäugeln aktuell immer mehr Unternehmen mit einem Börsengang. Sie haben die Jahre 2000 bis 2003 erlebt. Wie erleben Sie die aktuelle Phase?
Abend: 2003 ging eine unendlich scheinende Phase zu Ende, die mit dem Zusammenbruch der New Economy zu sehr starken und anhaltenden Verlusten an den Börsen geführt hat. Der IPO-Boom, der in Zusammenhang mit dem Neuen Markt stand, fand ein jähes Ende. Bis heute hat sich die Zahl der Neuemissionen in Deutschland nicht nennenswert erholt – während z.B. in den USA auch große Börsengänge längst wieder an der Tagesordnung sind. Dabei muss zudem beachtet werden, dass es immer wieder zu Übernahmen und Delistings kommt, sodass die Zahl deutscher börsennotierter AGs sogar rückläufig ist. Insofern ist es begrüßenswert, wenn sich wieder mehr deutsche Unternehmen aufs Parkett wagen. Gerade junge, wachstumsstarke Technologiefirmen. Es ist ja gerade das Tolle an der Börse, dass sich jeder – auch jemand, der selbst kein Unternehmen gründen will oder kann – an den teils herausragenden Ideen anderer beteiligen kann.

VC Magazin: In welchen Bereichen rund um Bank, Börse und Zahlungsverkehr sehen Sie derzeit die größten Chancen für Start-ups?
Abend: Beim Zahlungsverkehr lautet das Stichwort „Simplifizierung“. Wer dem Endverbraucher hier clevere und gleichzeitig sichere Lösungen anbietet, wird gewinnen. Rund um die Börse besteht der Wunsch nach Mobilität. Zudem sehen wir die Zukunft in unabhängigen Informations- und Technologieplattformen, die Partnern aus dem Finanzbereich offenstehen. Mit Guidants wurden wir dieses Jahr von den Londoner Branchenexperten von FinTechCity auf die FinTech50-Shortlist gesetzt.

VC Magazin: Was waren die Gründe für die Aufnahme auf die FinTech50-Shortlist? Welchen besonderen Nutzen bietet Guidants seinen Kunden heute und in Zukunft?
Abend: Mit Guidants können Anleger und Trader die Finanzmärkte beobachten, analysieren und diskutieren. Kostenlos, browserbasiert und vor allem vollständig personalisierbar. Damit wirkt die Plattform der Informationsflut entgegen, der man bei der täglichen Marktbeobachtung ausgesetzt ist. Sie filtert Informationen nach individuellen Bedürfnissen der Nutzer und ermöglicht so ein zeitsparendes und zielorientiertes Vorgehen. Die User können Marktdaten in Form von Widgets auswählen und sich so in Sekundenschnelle ihren persönlichen Marktüberblick zusammenstellen. Alle Widgets nutzen die Echtzeit-Push-Technologie und können miteinander interagieren. Immer wichtiger wird auf Guidants der Austausch von Wissen und Daten mit Experten und anderen Nutzern über einen Stream, wie er von Facebook & Co. bekannt ist. Aktuell haben schon mehr als 100 Experten, u.a. Branchengrößen wie Markus Koch und Stefan Risse, eigene Experten-Desktops. Der Wunsch nach Social Networking ist auch im Finanzbereich längst angekommen. Bereits rund 82.000 Nutzer folgen Experten auf Guidants. Neu ist, dass künftig auch der letzte Schritt vollzogen werden kann – der Handel über die Plattform. Aktuell stehen wir damit kurz vor Livegang. Unser erster Partner ist einer der großen Online-Broker. Mittelfristig werden wir Guidants zu einer Multi Brokerage-Plattform ausbauen.

VC Magazin: Sie sind im Jahr 2000 als Start-up gestartet, haben heute über 100 Mitarbeiter. Wo sehen Sie Ihr Unternehmen im Jahr 2025?
Abend: Wenn ich Ihnen diese Frage beantworten könnte, hätten wir augenblicklich unseren Innovationsgeist verloren. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir uns seit unserer Gründung und trotz Wachstum des Unternehmens stets flexibel an den Bedürfnissen des Marktes und vor allem unserer Nutzer und B2B-Partner orientieren. Eine langfristige Strategie wäre hier eher ein Hindernis. Wir freuen uns aber auf jeden Fall, weiterhin spannende Projekte im Bereich Fintech umzusetzen und damit die Branche hoffentlich weiter zu bereichern.

VC Magazin: Inwiefern können Start-ups und Wachstumsunternehmen von Ihren Produkten profitieren?
Abend: Der Finanzbereich ist äußerst sensibel, externe Finanzierung allein reicht hier nicht aus. Wenn es um das eigene Geld, die Altersvorsorge etc. geht, sind die meisten Menschen extrem vorsichtig. Um der Zielgruppe mit dem nötigen Fingerspitzengefühl begegnen zu können, muss man sie wesentlich besser kennen als jemand, der z.B. ein Alltagsprodukt über das Internet vertreiben will. Natürlich lässt sie sich auch nicht einfach durch einen breit gestreuten TV-Spot ansprechen. Wir kennen die Zielgruppe nicht nur, sondern haben uns ihr Vertrauen mit verlässlichem Service über Jahre hinweg verdient. Über unsere reichweitenstarken, zielgerichteten Kanäle haben wir einen direkten Draht zu ihr. Überzeugt uns eine Fintech-Idee oder -Entwicklung werden wir sie unseren Nutzern nicht vorenthalten. Neben den guten Kontakten und den Kenntnissen der Zielgruppe bieten wir das technologische Know-how, das weit über klassische Programmierfähigkeiten hinausgeht. Unsere Entwickler haben außerordentliche Kenntnisse im Bereich Börse und Finanzen.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview, Herr Abend.

Robert Abend ist Vorstand und Gründer der BörseGo AG. Das Fintech-Unternehmen wurde 2000 im Umfeld der LMU in München gegründet und beschäftigt heute über 100 Mitarbeiter.