Wachsendes Angebot an Finanzierungslösungen gerade in der Krise gefragt

Beteiligungskapital in Deutschland

2020 ist ein einschneidendes Jahr für die Private Equity-Branche. In den Jahren anhaltenden Wirtschaftswachstums haben sich auch die Private Equity- und Venture Capital-Märkte weltweit zu neuen Höhen entwickelt. COVID-19 bedeutet für die Wirtschaft und die Kapitalmärkte eine Zäsur. Nun sind Beteiligungsgesellschaften weltweit gefragt, nicht nur das Wachstum, sondern auch die Zukunft ihrer Portfoliounternehmen zu sichern.

Die Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht schlecht, denn ein Blick auf die deutsche Beteiligungskapitalbranche zeigt, dass diese in den letzten Jahren nicht nur einen Wachstums- sondern auch Reifeprozess durchlebt hat, der Hoffnung weckt, durch diese Krise manövrieren zu können. Neben den Beteiligungsgesellschaften gibt es heute zudem viele weitere Finanzierungspartner mit Eigenkapitallösungen. Zu nennen sind etwa Unternehmen und Family Offices, die stärker auf direkte Investitionen in Start-ups und mittelständische Unternehmen setzen, sowie zum Beispiel Inkubatoren, Acceleratoren und Business Angels. Damit zeigt sich die Investorenlandschaft für deutsche Start-ups und Mittelständler heute nicht nur größer, sondern auch vielfältiger und professioneller als noch vor einigen Jahren. Heute sind in Deutschland mehr als 350 Beteiligungsgesellschaften aktiv, wobei sich die Branche im Hinblick auf die Herkunft der Gesellschaften, ihre Größe, die Investitionshöhen und die Investitionsschwerpunkte äußerst facettenreich zeigt. Das Branchenwachstum der vergangenen Jahre hat allerdings die Konzentration der Branche auf einzelne Städte verstärkt. Auch wenn es durchaus auch Neugründungen außerhalb der Branchenzentren gab, ist das Gros der Gesellschaften in den Großräumen München, Berlin und Frankfurt am Main zu finden.

Wachsendes Angebot trifft auf rege Nachfrage

Für Gründer und Unternehmer, aber auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt, ist die Entwicklung der Beteiligungsbranche erfreulich. Denn dieses vielfältige Kapitalangebot trifft auf eine anhaltend rege Nachfrage nach Beteiligungskapital. Während für Start-ups Venture Capital praktisch die einzige Finanzierungsquelle für ambitioniertes Wachstum ist, setzen auch immer mehr mittelständische Unternehmen auf die Vorteile von Beteiligungskapital. Dies ist sicher auch ein Resultat der gewachsenen Offenheit der Unternehmer und des Abbaus von Vorurteilen gegenüber Beteiligungsgesellschaften als Finanzierungspartner. Heute sind mehr als 5.000 deutsche Unternehmen mit Beteiligungskapital finanziert. Diese beschäftigen rund 1,1 Millionen Mitarbeiter und erwirtschaften Umsätze von insgesamt 206 Mrd. EUR. Dabei bleibt Beteiligungskapital eine vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen und Start-ups fokussierte Finanzierungsform. Rund neun von zehn finanzierten Unternehmen beschäftigten weniger als 500 Mitarbeiter, drei Viertel sogar weniger als 100 Mitarbeiter. Sieben von zehn Unternehmen setzten weniger als 10 Mio. EUR um und nur 6% mehr als 100 Mio. EUR.

Venture Capital im Aufwind, Buyout-Sektor bestätigt Entwicklung

Nicht nur die Zahl der Beteiligungsgesellschaften, sondern auch das Marktvolumen ist in den letzten Jahren substantiell angewachsen. Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Entwicklung im Jahr 2019 als sowohl die Investitionen als auch das Fundraising neue Rekordwerte erreichten. Insgesamt 14,3 Mrd. EUR investierten Beteiligungsgesellschaften in Deutschland und damit knapp ein Fünftel mehr als im Vorjahr. Sowohl im Venture Capital- als auch im Buyout-Bereich konnten Zuwächse verzeichnet werden. Nachdem bereits in den letzten Jahren ein klarer Aufwärtstrend bei den Investitionen von Venture Capital-Gesellschaften zu erkennen war, stiegen die Investitionen 2019 auf 1,7 Mrd. EUR (2018: 1,5 Mrd. EUR). Die deutsche Venture Capital-Szene ist in den letzten Jahren gereift, was dem einheimischen Start-up-Ökosystem wichtige Impulse verleiht. Man sollte aber nicht vergessen, dass es nach wie vor ausländische Venture Capital-Gesellschaften sind, die den Großteil der Mittel in Deutschland bereitstellen. Es muss weiter unser Anspruch sein, dass die deutsche Venture Capital-Szene auf Augenhöhe mit den internationalen Wettbewerbern agieren kann. Die Buyout-Investitionen erreichten mit 10,6 Mrd. EUR erstmals in der Geschichte einen zweistelligen Wert. Gleichzeitig übertrafen sie die bereits investitionsstarken Vorjahre (2017: 8,4 Mrd. EUR, 2018: 8,3 Mrd. EUR) um rund ein Viertel. Einige sehr große Transaktionen trugen hierzu bei. Zu nennen sind zum Beispiel die Übernahmen von Ifco Systems, Röhm, Robert Bosch Packaging, Adco, AutoScout24 oder Axel Springer. Auf Verkäuferseite waren insbesondere Strategen sowie Familien und Unternehmer gesehen, die im Rahmen einer Unternehmensnachfolge ihr Unternehmen veräußerten. Für zukünftige Investitionen stehen den hiesigen Beteiligungsgesellschaften ausreichend Mittel zur Verfügung, konnten deutsche Beteiligungsgesellschaften 2019 so viel neue Fondsmittel bei Investoren einsammeln wie noch nie. Das Fundraising erreichte 5,2 Mrd. EUR und damit fast ein Viertel mehr als im bereits erfolgreichen Vorjahr (4,2 Mrd. EUR). Das Fundraising-Umfeld war damit bis Ende 2019 so vorteilhaft wie nie.

Fazit

2020 wird ein herausforderndes Jahr für Venture Capital und Private Equity. Mit Covid-19 wurden alle Wachstumspläne und Zukunftsprognosen Makulatur. Beteiligungsgesellschaften werden sich auf das eigene Portfolio konzentrieren, um die Unternehmen möglichst unbeschadet durch die Krise zu manövrieren. Neuinvestitionen werden vorerst hintenanstehen. Aber so wie Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gemeinsam gegen die Krise ankämpfen wird auch unsere Branche ihren Beitrag dazu leisten, diese zu überwinden und auf den Wachstumspfad zurückzukehren.

 

Ulrike Hinrichs, BVKUlrike Hinrichs ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). Neben ihrer mehrjährigen Tätigkeit als freie Autorin für diverse Tageszeitungen war sie seit 1999 Redakteurin der ARD und des ZDF, wo sie unter anderem bei den Sendungen „Kennzeichen D“ und „Frontal 21“ arbeitete. 2005 wurde sie Leiterin der Presse- und Kommunikationsabteilung des Bundeslandwirtschafts- und Verbraucherschutzministeriums unter Horst Seehofer. Anschließend übernahm Hinrichs die Leitung des Büros der Staatsministerin Cornelia Pieper im Auswärtigen Amt, bevor sie 2011 Geschäftsführerin des BVK wurde.