Rechtlicher Rahmen für elektronische und für tokenbasierte Wertpapiere

Was bringt das neue Elektronische Wertpapiergesetz?

Rechtlicher Rahmen für elektronische und für tokenbasierte Wertpapiere: Was bringt das neue Elektronische Wertpapiergesetz?
Rechtlicher Rahmen für elektronische und für tokenbasierte Wertpapiere: Was bringt das neue Elektronische Wertpapiergesetz?

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Der am 11.08.2020 veröffentlichte Referentenentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des deutschen Wertpapierrechts und der Modernisierung des dazugehörigen Aufsichtsrechts soll erstmals in Deutschland den zivilrechtlichen, wertpapieraufsichtsrechtlichen und bankaufsichtsrechtlichen Rahmen für die Ausgabe von papierlosen Wertpapieren festlegen. Zukünftig soll also die Speicherung der aus einem Wertpapier (genau genommen: Wertrecht) resultierenden Rechte und Pflichten nicht in einer Urkunde, sondern als digital dargestellter Wert rundum rechtssicher erfolgen können.

Nach den derzeit geltenden und auf das Bürgerliche Gesetzbuch, das Handelsgesetzbuch und das Aktiengesetz verstreuten Bestimmungen über die Ausgabe von auf den Inhaber lautenden Wertpapieren (sogenannte Inhaberpapiere) durch nicht-staatliche Emittenten ist für deren Ausgabe immer die Ausstellung einer Urkunde erforderlich. Die effektive Verbriefung in einer eigenen Urkunde ist Anknüpfungspunkt für sachenrechtliche Übertragungstatbestände und sie trägt im Wesentlichen dem Verkehrsschutz potenzieller Erwerber Rechnung. Dieser nationale Sonderweg soll nunmehr verlassen und mit der Tradition der effektiven Verbriefung teilweise gebrochen werden.

Eigene zivilrechtliche Grundlage

Dies wird durch die Einführung des gänzlich neuen Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG) erfolgen: Mit diesem Gesetz wird als zusätzliche Möglichkeit zur Schaffung (Begebung) einer Inhaberschuldverschreibung die Möglichkeit der Begebung eines elektronischen Wertpapiers eingeführt. Dabei wird die effektive Verbriefung durch die Eintragung des Wertpapiers in ein gesondert geführtes elektronisches Wertpapierregister ersetzt. Zivilrechtlich ist dabei weder erforderlich noch entscheidend, ob das Register von einer zentralen Stelle (sogenanntes zentrales Register) oder dezentral blockchainbasiert (sogenanntes Kryptowertpapierregister) geführt wird – Hauptsache, es ist ein elektronisch geführtes Wertpapierregister, denn der Gesetzesbegründung zufolge möchte der Gesetzgeber technologieneutral agieren, die Blockchain-Technologie also nicht bevorzugt behandeln, sondern auch den Einsatz anderer Technologien zur Führung eines elektronischen Wertpapierregisters ermöglichen.

Eigener Abschnitt für privatrechtliche Anforderungen

Um den zivilrechtlichen Besonderheiten für den Handel mit elektronischen Wertpapieren gerecht zu werden, enthält das eWpG einen eigenen Abschnitt, der die privatrechtlichen Anforderungen an die wirksame Übertragung eines elektronischen Wertpapiers enthält. Für eine Übertragung sind kumulativ erforderlich: Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber, dass das Wertpapier(-recht) übergehen soll, und die Dokumentation der Übertragung im Wertpapierregister. Die Umtragung kann dabei lediglich der Veräußerer veranlassen. Er muss die registerführende Stelle anweisen, dass er ausgetragen und der Erwerber als neuer Inhaber eingetragen wird. Zur Erleichterung der Verkehrsfähigkeit und damit der Umlauffähigkeit (Börsenfähigkeit) von elektronischen Wertpapieren ist im eWpG ein weitreichender Gutglaubensschutz für den Erwerber vorgesehen. Der Erwerber soll auf die Richtigkeit seiner Eintragung als Inhaber des „Papiers“ vertrauen dürfen. Dieser sogenannte Gutglaubensschutz wird durch eine Vielzahl von Fiktionen oder gesetzlichen Vermutungen ermöglicht; andernfalls wäre ein schneller und rechtssicherer Handel elektronischer Wertpapiere nicht möglich. Der Anwendungsbereich des eWpG ist zunächst nur auf Inhaberschuldverschreibungen beschränkt.

Bankaufsichtsrechtliche Regelungen

Neben den zivilrechtlichen Anforderungen für eine wirksame Begebung von elektronischen auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen enthält des eWpG eine Unterscheidung innerhalb der Klasse der elektronischen Wertpapiere nach Art der Registerführung: einerseits die Führung in einem zentralen Register und andererseits die Führung in einem dezentralen Register (also blockchainbasiert). Das dezentrale Register wird dabei als Kryptowertpapierregister bezeichnet und muss auf einem dezentralen fälschungssicheren Aufzeichnungssystem geführt werden. Für die Führung eines Kryptowertpapierregisters wird ein eigener und damit gänzlich neuer Erlaubnistatbestand nach dem Kreditwesengesetz eingeführt, und zwar die Kryptowertpapierregisterführung – ähnlich dem Depotgeschäft (also der Verwahrung von effektiven Wertpapieren). Dieser Erlaubnistatbestand tritt neben das zum 01.01.2020 eingeführte Kryptoverwahrgeschäft, bei dem der Verwahrtatbestand künftig nicht nur Kryptowerte, sondern zusätzlich auch Schlüssel für Kryptowertpapiere umfassen wird. Das bedeutet, die Verwahrung (Registerführung) digitaler Inhaberschuldverschreibungen ist die Kryptowertpapierregisterführung und die Verwahrung privater Schlüssel für Verfügungen über Kryptowertpapiere ist das Kryptoverwahrgeschäft. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Kryptowertpapiere aufsichtsrechtlich nicht als eigenständige Klasse von Finanzinstrumenten im Sinne des Kreditwesengesetzes eingestuft werden. Insoweit bleibt offen, ob für Dienstleistungen in Kryptowertpapieren dieselben Regelungen greifen wie für Dienstleistungen in Kryptowerten. Das zentrale Register muss dagegen von einem sogenannten Zentralverwahrer geführt werden.

Wertpapieraufsicht

Das neue eWpG wird neben dem bisherigen Wertpapiergesetz gelten. Während das eWpG sowie die Anpassungen und Einführung eines neuen Erlaubnistatbestands im KWG ausdrücklich auf Kryptowertpapiere und damit auf elektronisch begebene auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen beschränkt sind, gilt das bisherige Wertpapiergesetz auch für alle anderen Formen von Wertpapieren fort und wird um spezifische Regelungen für elektronische und nicht-verbriefte Wertpapiere ergänzt. Diese Erweiterungen und Ergänzungen sind aber nicht auf Inhaberschuldverschreibungen beschränkt, sondern erfassen alle Arten von digital abgebildeten Wertpapieren. Demnach können auch bei der Ausgabe von tokenbasierten Aktien und anderen tokenbasierten Eigenkapital- und Schuldtiteln die Bestimmungen des WpPG und damit die prospektfreie Ausgabe von Wertpapieren bis 8 Mio. EUR erfolgen.

Fazit

Mit den geplanten wertpapierrechtlichen Neuerungen im deutschen Recht eröffnet der Gesetzgeber eine weitere rechtssichere Möglichkeit der Begebung von Wertpieren und damit eine weitere Möglichkeit der Unternehmensfinanzierung. Dies kann vor allem von technikaffinen Emittenten genutzt werden, um neue Anlegerkreise zu erschließen. Dem Anlegerschutz wird dabei durch die Einführung eines neuen Erlaubnistatbestands, der Kryptowertpapierregisterführung und der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Wertpapierprospektrechts Rechnung getragen.

 

Dr. Matthias Gündel ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Gündel & Kollegen.