Fondsstandortgesetz im Finanzausschuss abgesegnet – Ziel verfehlt

Mitarbeiterbeteiligungen mit geplantem Fondsstandortgesetz kaum verbessert

Mitarbeiterbeteiligung im Fondsstandortgesetz: Ziel verfehlt
Mitarbeiterbeteiligung im Fondsstandortgesetz: Ziel verfehlt

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Am 1. Juli soll das Fondsstandortgesetz in Kraft treten. Der Gesetzgeber plant, damit den Fondsstandort Deutschland zu stärken. Ein wesentlicher Bestandteil des Gesetzentwurfs ist die steuerliche Verbesserung von Mitarbeiterbeteiligungen an Start-ups. Damit soll der Gründerstandort Deutschland attraktiver gemacht werden – in der Gründerszene jedoch ist man von dem Vorhaben wenig begeistert.

Der Anteil der Start-ups, die auf Mitarbeiterbeteiligungen setzen, ist hoch. In einer Studie, die der Startup-Verband gemeinsam mit der Boston Consulting Group, BCG Digital Ventures, der Internet Economy Foundation und der Wirtschafts­kanzlei Hengeler Mueller veröffentlicht hat, wurden 1.900 Mit­arbeiter von Start-ups zur Mitarbeiterbeteiligung befragt: 84% bewerten Mitarbeiterbeteiligungsprogramme als essenziell für den Erfolg des Start-ups. 77% der Arbeitnehmer sehen darin eine Anerkennung der eigenen Leistungen, 59% eine finanzielle Kompensation. Momentan ermöglichen die meisten Start-ups virtuelle Mitarbeiterbeteiligungen. Diese lösen bei der Ein­räumung keine Steuerzahlungen aus, schaffen keine Gesellschafterproblematik, weil sie nur auf dem Papier bestehen, und der Mitarbeiter bekommt wie bei echten Anteilen im Falle eines Exits den Wert ausgezahlt.

Mitarbeiterbeteiligungen als Belohnung für Risiko

Dr. Sophie Chung, Qunomedical
Dr. Sophie Chung, Qunomedical

Sophie Chung, Gründerin und CEO des Start-ups Qunomedical, bietet ihren Mitarbeitern ein solches virtuelles Mitarbeiterbeteiligungsprogramm. Verärgert ist Chung darüber, dass sie auf ihre GmbH-Beteiligung als Gründerin zwar der günstigen Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegt, die Arbeitnehmer die Mitarbeiterbeteiligung aber als Einkommen aus nicht-selbstständiger Arbeit zu einem höheren Steuersatz versteuern müssen. „Es ist kein Gehalt, sondern ein unternehmerisches Risiko, eine Investition. Man weiß nicht, ob in fünf Jahren ein erfolgreicher Exit gelingt“, so die CEO. Mit ihrer digitalen Plattform will sie Patienten weltweit helfen, den richtigen Arzt zu finden, und mehr Transparenz schaffen. Eine Idee, die sie vor sechs Jahren hatte und auf die seither auch ihre Mitarbeitenden vertrauen – verbunden mit weniger Einkommen und Sicherheit als bei einem Konzern. „Wir sind nicht in der Position, kompetitive Gehälter zu zahlen und mit großen Unternehmen mitzuhalten. Noch dazu möchte ich mich damit bei meinem Team bedanken. Sie haben anfangs an mich geglaubt und ihre Energie vom ersten Tag an in meine Idee und mein Unternehmen gesteckt. Sie sind mit mir ins unternehmerische Risiko gegangen, und dafür sollen sie durch die Mitarbeiterbeteiligung auch entlohnt werden“, sagt die Gründerin mit Blick auf ihr Team, das 85 Mitarbeitende aus mehr als 30 Natio­nen umfasst.

Virtuelle Anteile für internationale Fachkräfte schwer vermittelbar

Die studierte Medizinerin hat selbst als Ärztin gearbeitet und war vor ihrer Gründung in einem Start-up in den USA tätig. Sie kennt Mitarbeiterbeteiligungen aus ihrer Zeit in New York. „Dort führen die Mitarbeiter Verhandlungen über die Anteile, nicht über das Gehalt“, sagt sie – und deshalb ist es aus ihrer Sicht ein wichtiges Kriterium für die Gewinnung internationaler Talente. „Wenn ich einen Mitarbeiter aus den USA gewinnen will, der gleichzeitig ein Angebot im Silicon Valley hat, wird er sich gegen mich entscheiden. Wir müssen uns auf dem internationalen Jobmarkt profilieren, und da ist es ein komisches Gefühl, wenn ich von virtuellen Anteilen sprechen muss. Die versteht erstens keiner, und sie sind zum anderen im globalen Kampf um Talente nicht sehr wirkungsvoll“, so Chung weiter.

Neuregelung von Steuerfreibeträgen ein Scheingefecht

Zu dieser Erkenntnis scheint auch der Gesetzgeber gelangt zu sein. Im Regierungsentwurf des Fondsstandortgesetzes heißt es: „Der Erfolg eines Start-up-Unternehmens hängt maßgeblich von der Gewinnung hochqualifizierter Fachkräfte ab. Für Start-­up-Unternehmen ist es daher besonders wichtig, Fachkräfte mit Anteilen an den Unternehmen zu beteiligen.“ Gemeint ist hier die vergünstigte Gewährung von Mitarbeiterbeteiligungen mittels Ausgabe echter Anteile am Unternehmen. Diese gelten als lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil und müssen nach derzeitiger Gesetzeslage im Zeitpunkt der Einräumung ver­steuert werden. Für die Bewertung der Mitarbeiterbeteiligung greift der Gesetzgeber üblicherweise auf Werte aus Finanzierungs­runden zurück. Bislang erhält der Arbeitnehmer einen jährlichen Steuerfreibetrag auf die Vermögensbeteiligung in Höhe von 360 EUR. Dafür sagt die Bundesregierung mit dem ­Gesetz eine steuerliche Flankierung zu. Der Freibetrag soll auf 720 EUR ­angehoben werden; nach Kritik seitens der Start-ups hat

Christoph J. Stresing, Bundesverband Deutsche Startups
Christoph J. Stresing, Bundesverband Deutsche Startups

Bundesfinanzminister Olaf Scholz eine weitere Erhöhung auf 1.440 EUR angekündigt. „Ein Scheingefecht“, nennt es Christoph J. Stresing, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Startups, und fügt hinzu: „Der Steuerfreibetrag für regel­mäßige Zuflüsse bringt Start-ups nichts. Daher ist auch die in Aussicht gestellte nochmalige Erhöhung wirkungslos. Für Start-­ups ist der einmalige Kapitalfluss relevant, der erfolgt erst beim Exit.“ Und er ist nicht der Einzige, der das so sieht. Dr. Jens Wrede, Senior Associate bei Osborne Clarke, begrüßt die Initiative der Bundesregierung grundsätzlich, sieht aber eine große Krux für viele Start-ups, ­denen die momentan diskutierte Höhe des Steuer­freibetrags nicht signifikant weiterhelfen wird: „Die Steuer­freibeträge sind eher für Belegschaftsaktionäre relevant, nicht für die Werte, über die wir bei Start-ups sprechen. Noch dazu weiß keiner, ob der Wert einer Beteiligung an einem Start-up für den Mitarbeiter am Ende wirklich realisierbar ist oder das Start-up insolvent und die Mitarbeiterbeteiligung damit wertlos wird. Letztlich ­reden wir hier über Mitarbeiterbeteiligungen an jungen Unterneh­men mit hohen Wachstumschancen, aber auch hohen Risiken, die nicht mit Beteiligungen an langjährig eta­blierten und gegebenenfalls börsennotierten Unternehmen vergleichbar sind.“

Dry Income-Besteuerung wirkt wie Kündigungsverbot

Und hier wäre schon das nächste Problem im Gesetzestext: Zwar adressiert der Entwurf die sogenannte Dry Income-Problematik, also eine Besteuerung ohne Liquiditätszufluss, und sieht dafür eine nachgelagerte Besteuerung vor. Allerdings soll diese unabhängig vom Kapitalzufluss spätestens nach zwölf Jahren oder bei einem Arbeitgeberwechsel erfolgen. Das könnte für Arbeit­nehmer den finanziellen Ruin bedeuten und wirkt faktisch wie ein Kündigungsverbot. „Das Damoklesschwert der Dry Income-Besteuerung schwebt damit ständig über den Mitarbeitenden. Das wird so nicht funktionieren. Die Dry Income-Besteue­rung muss in sämtlichen Konstellationen vermieden werden. Sonst findet das Gesetz in der Praxis keine Anwendung. Ohne Nachbesserungen hätte das Gesetz daher leider wohl keinen Impact, und Start-ups würden im Ergebnis weiter auf virtuelle Beteiligungen setzen müssen“, sagt Stresing.

Lohnsteuerabzugsverfahren als falscher Weg

Dr. Jens Wrede, Osborne Clarke
Dr. Jens Wrede, Osborne Clarke

Dr. Wrede vermutet, dass der Gesetzgeber sich bei den Rege­lungen der Beendigung des Besteuerungsaufschubs für Dry Income aufgrund administrativer Hürden oder zur Vorbeugung gegen eine mögliche Verjährung für die Zehnjahresregelung entschieden hat. Er sieht ein wesentliches Problem ­darin, dass im Rahmen des Besteuerungsaufschubs an das Lohnsteuerabzugsverfahren angeknüpft wird. „Nur vor diesem Hintergrund ist verständlich, was hier passiert. Das Lohnsteuer­abzugsverfahren richtet sich an den jeweiligen Arbeitgeber. Ohne eine Regelung zur Beendigung des Besteuerungsaufschubs bei einem Jobwechsel müsste der neue Arbeitgeber die Lohnsteuer auf den geldwerten Vorteil des vorherigen Arbeit­gebers einbehalten und sogar dafür haften“, so der Rechts­anwalt und Steuer­berater. „Der Gesetzgeber sollte sich besser vom Gedanken trennen, alles im Lohnsteuerabzugsverfahren abhandeln zu wollen, und hierfür eher eine gesonderte Feststellung vorsehen, wie zum Beispiel bei den Verlustvorträgen, die ebenfalls im Rahmen des Veranlagungsverfahrens gesondert festgestellt werden. Das würde die materielle Regelung des Besteuerungsaufschubs auf die Ebene der Arbeitnehmer ­verlagern, und man könnte auf die Verknüpfung an den Arbeitgeber­wechsel verzichten.“ Der Steuerexperte macht zudem noch ­einen weiteren Kritikpunkt am Gesetzentwurf aus: „Während es darum geht, Deutschland für internationale Talente interes­santer zu machen, fragt niemand danach, wie Deutsche auf dem internationalen Markt als Arbeitnehmer gestellt sind.“ Sitzt der Arbeit­geber im Ausland – was durch Remote Work weiter zunehmen dürfte –, ist dieser nicht in das deutsche Lohnsteuer­abzugs­verfahren eingebunden. Mitarbeiter mit Sitz in Deutschland und ausländischem Arbeitgeber können vom Besteuerungsaufschub demnach aktuell durch die Anknüpfung an das Lohnsteuer­abzugsverfahren nicht profitieren.

GmbH-Recht ändern

Um echte Mitarbeiterbeteiligungen wirklich attraktiv zu gestalten, würde überdies eine gesetzliche Änderung des GmbH-Rechts helfen. Hierfür spricht sich grundsätzlich auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 5. März 2021 zum Fonds­standortgesetz aus. „Wenn der Gesetzgeber eine separate Anteils­klasse schafft ohne Informations- und Stimmrecht, könnten mehr Start-ups echte Mitarbeiterbeteiligungen realisieren. Im Moment müssten die Mitarbeiter bei einer echten Betei­ligung Gesellschafter werden, aber wer will schon hundert Gesell­schafter haben. Unklar ist auch, ob der Gesetzentwurf sich auf eine Bündelung von Beteiligungen zum Beispiel durch eine Treuhandgesellschaft anwenden lässt. Hier müsste noch einmal deutlich nachgeschärft werden“, sagt Dr. Wrede. Auch der Startup-Verband fordert perspektivisch die Schaf­fung einer eigenen Anteilsklasse im GmbH-Recht, die Mitar­beiterbeteiligungsprogramme konkret berücksichtigt. Außerdem setzt er künftig auf signifikante Freibeträge bei Reinves­titionen von Erlösen aus den echten Mitarbeiterbeteiligungen in Start-ups. „So schaf­fen wir ein sich selbst befeuerndes Start-up-Ökosystem“, sagt Stresing.

Fazit

Kritik und Probleme, die die Politik bereits erreicht haben. In der ersten Anhörung zum Gesetzentwurf am 26. März haben sich Politiker mehrerer Parteien deutlich geäußert. Die Bundestagsabgeordnete Nadine Schön (CDU) spricht von einem dünnen Rinnsal, das Nachbesserung braucht. Andreas Pinkwart, Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, nennt das Gesetz einen Rohrkrepierer und sagte weiter im Bundestag: „Das ist komplett praxisfern. So wird kein Start-up-Unternehmen das nutzen können.“ Mit Blick auf die Dry Income-Thematik mahnt er zudem die Regierung: „Sie lösen es nur für die Steuern. Sie ­lösen es nur für zehn Jahre, obwohl Sie wissen, dass viele Unternehmen ihre Exits erst später haben. Das können Sie an Ihrem eigenen High-Tech Gründerfonds sehen. Da haben Sie eine Halte­dauer, die darüber hinausreicht. Hier müssen Sie nach­bessern.“ Auch der Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen) macht deutlich, dass das Gesetz seinen Zweck verfehlt, verweist auf Frankreich sowie die USA und betont ebenfalls, dass die Erleichterung nur für echte Mitarbeiterbeteiligungen gelte und nicht für ­virtuelle Förderung – gut gemeinte Worte, die bislang keinen Eingang in den Gesetzestext gefunden haben. „Die in dem Regierungsentwurf vorgesehene ausschließliche Einbe­ziehung von echten Anteilen geht an der Praxis völlig vorbei. In jedem Fall sollten sämtliche Konstellationen der indirekten Beteiligungen berücksichtigt werden“, fordert Gründerin Chung. „Wir reden am Ende über nichts, da die virtuellen Mitarbeiterbeteiligungen nicht berücksichtigt werden, hierfür keine Steuerfreibeträge vorgesehen sind. So wie die echten Mitarbeiterbeteiligungen geregelt sind, wird darauf aber kein Start-up zugreifen. Der Bundesfinanzminister muss sich bei dem Gesetz nur eine Frage stellen – ob das gut genug ist im Vergleich zu anderen Ländern wie Frankreich, Großbritan­nien, den USA. Denn mit diesen Ländern müssen wir konkurrenzfähig sein.“