„Corporate Venture Capital hat sich zu einer eigenen Assetklasse entwickelt“

Interview mit Markus Solibieda, BASF Venture Capital

Markus Solibieda, BASF Venture Capital
Markus Solibieda, BASF Venture Capital

Bildnachweis: © BVK.

Als Geschäftsführer der BASF Venture Capital ist Markus Solibieda gleichzeitig Sparringspartner für Start-ups, deren Geschäftsmodelle zum Umfeld der BASF passen. Er beobachtet die Entwicklung der Corporate Venture Capital(CVC)-Gesellschaften seit vielen Jahren. In seiner Rolle als Vorstandsmitglied des Branchenverbands BVK vertritt er ihre Interessen auf dem politischen Parkett und setzt sich für bessere Rahmenbedingen ein.

VC Magazin: Mit BASF Venture Capital investieren Sie in Start-ups mit Bezug zu BASF-Geschäftsfeldern. Wie ist Ihr Ansatz?
Solibieda: Aus strategischer Sicht verfolgen wir zwei Ziele: Wir testen neue Geschäftsmodelle mit unseren Start-up-Aktivitäten und lernen als BASF daraus. Im Fokus sind hierbei Konzepte, die heute noch außerhalb unserer Strategie liegen, aber für die ­Zukunft interessant werden können. Darüber hinaus haben wir das Thema Sustainability in den Fokus gerückt. Hierfür inves­tieren wir in vielversprechende Start-ups, mit denen uns diese Transformation gelingen kann. Mit den Jungunternehmen ­gehen wir dann Kooperationen bis hin zu strategischen Partnerschaften ein. Start-ups erhalten somit durch uns einen Zugang zu neuen Kunden aus dem BASF-Umfeld, und wir präsentieren ­diesen neue Geschäftsmodelle. Damit verfolgen wir auch unser eigenes strategisches Ziel: die Weiterentwicklung von einem Produktverkäufer hin zu einem nachhaltigen Lösungsanbieter für unsere Kunden.

VC Magazin: Wie sieht Ihr aktuelles Portfolio aus?
Solibieda: Wir verfügen über ein globales Portfolio und sind ­neben Europa in China, Indien, den USA, Brasilien und Israel aktiv. In den letzten vier Jahren haben wir in 30 Start-ups investiert, die sich aktuell in unserem Portfolio befinden. Das sind überwiegend direkte Investments in den Bereichen Digital Farming, Cleantech, 3D-Druck, KI und Biotech. In der Vergangenheit haben wir auch in Fonds investiert, zum Beispiel in China, Indien und Brasilien, um Zugang zu diesen Märkten zu erhalten.

VC Magazin: Nachhaltigkeit ist als Thema während der Pandemie besonders in den Fokus gerückt. Inwieweit hat die Krise Ihre Arbeit und Ihren Investitionsfokus beeinflusst?
Solibieda:
Corona hatte einen Einfluss auf unsere Arbeitsweise, weil wir heute noch ortsunabhängiger und flexibler arbeiten. Die Besonderheit am Jahr 2020 war aber für mich nicht Corona, sondern dass Klimaschutz und Sustainability als globale Heraus­forderung für die gesamte Wirtschaft angenommen wurden. In den letzten zwölf bis 18 Monaten ist das Thema Sustainability nochmals stärker in den Fokus gerückt, und die gesamte Wirtschaft stellt sich der Frage, wie man sein Geschäft umbauen und Nachhaltigkeit als Chance nutzen kann. Das hat auch die Aufmerksamkeit auf Start-ups in diesem Feld enorm erhöht und die BASF als erfahrenen Partner ins Zentrum des Interesses gebracht.

VC Magazin: Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an Corporate Venture Capital?
Solibieda: Corporates investieren über den finanziellen Aspekt hinaus primär mit strategischen Zielen und erhalten im Gegenzug die Möglichkeit, neue Technologien und Geschäftsmodelle zu testen. Aus Start-up-Sicht bringt ein Corporate neben Kapital zusätzliche personelle Ressourcen, Zugang zum Kunden und zum Beispiel technische Expertise mit. Darum spreche ich von Corporate Venture Capital als eigenständiger Assetklasse.

VC Magazin: Wie hat sich die CVC-Landschaft in den letzten zehn Jahren entwickelt und welche Rolle spielen Corporates heute bei der Start-up-Finanzierung?
Solibieda: Corporate Venture Capital hat stark an Bedeutung gewon­nen. Seit der Finanzkrise 2008/2009, die der vorletzte exogene Schock für die Weltwirtschaft war, sind CVCs europaweit und auch weltweit gewachsen – in den letzten drei Jahren sogar noch mal deutlich. Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 100 CVCs; es hat sich damit eine eigene Assetklasse heraus­gebildet. Außerhalb Europas gewinnt CVC vor allem in China, Indien und Brasilien immer mehr an Bedeutung. Unternehmen starten früher mit Beteiligungen und bilden Investmentein­heiten heraus, weil sie eine Notwendigkeit sehen, mit den Innovationen am Markt Schritt zu halten.

VC Magazin: Wie schwer fällt es Ihnen als CVC, sich in der Gunst der Start-ups gegen herkömmliche Wagniskapitalgeber durchzusetzen?
Solibieda: Wir sind ein durchaus nachgefragter Investor am Markt. Andere Financial Venture Capitalisten laden uns ein, uns Start-ups anzuschauen und deren Validität auf Basis unserer technischen und kommerziellen Expertise mit einzuschätzen. Für uns als CVCs ist das Marktumfeld einfacher als für Financial Venture Capitalisten untereinander, weil wir konkrete Vorteile wie ­unsere industrielle Erfahrung und technische Insights als Differenzierungsmerkmale bieten können. Ich empfehle aber immer, ein Konsortium zwischen CVCs und Financial VCs zu bilden. Start-ups sind gut beraten mit einem Mix an Investoren mit unterschiedlichen Kompetenzen und Schwerpunkten.

VC Magazin: Wie empfinden Sie das aktuelle Preisniveau am Markt?
Solibieda: Es ist überall hoch, in allen Assetklassen – ob Immobilien, Aktien, Venture Capital, Bitcoin. Wir stellen uns die Frage, wie lange das so weitergehen kann. Aber nach wie vor gibt es funktionierende Exit-Kanäle. Hohe Bewertungen sind auch nicht immer abwegig, wenn transformative Geschäftsmodelle in den Markt kommen, denn danach suchen alle. Zwischenzeitlich bietet der Markt in Europa und Asien bessere Returns als in den USA – insofern sehe ich noch nicht ein grundsätzlich ungesundes Marktumfeld. Verbunden mit der richtigen Value Creation-Strategie ist es weiterhin vielversprechend, in Venture Capital zu investieren.

VC Magazin: Sie saßen mit dem französischen Präsidenten an einem Tisch, um über das europäische Start-up-Ökosystem zu diskutieren. Was wünschen Sie sich von der hiesigen Politik für CVC?
Solibieda: Entscheidend ist, dass die Politik das Potenzial von CVC erkennt. Wo die Erfahrungen und Stärken der Corporates mit der Schnelligkeit und Innovationskraft der Start-ups zusammentreffen, entstehen riesige Chancen für Deutschland und ­Europa als Wirtschaftsstandort. Wenn die Politik die Möglichkeiten dieser Zusammenarbeit genau versteht und ­Rückschlüsse zieht, wie ihr Beitrag dazu aussehen könnte, werden wir viel mehr erreichen. Wir müssen über konkrete Verbesserungen sprechen, wie Bürokratieabbau, weniger Hindernisse für internationale Talente oder Anreizmodelle wie die Abschreibungsmöglichkeit für Investments in Start-ups.

VC Magazin: Was raten Sie einem Corporate, der sich für Start-up-­Beteiligungen interessiert?
Solibieda: Zuallererst muss er sich über seine Ziele klar werden, was er mit der Partnerschaft erreichen möchte. Da bestehen verschiedene Möglichkeiten: Mit einer defensiven Strategie scannt er Geschäftsmodelle und lernt, Start-ups zu verstehen. Bei einer Zusammenarbeit kann er entweder seine internen Prozesse optimieren, neue Geschäftsmodelle entdecken oder sein bestehendes Geschäft aufwerten. Auch finanzielle Ziele, als Teil der Investmentstrategie, oder die Transformation des eigenen Businessmodells sind denkbare Ziele. Andere möchten als Inves­tor visionär agieren, sie investieren in sogenannte Game Changer. Auch denkbar ist eine Pre-M&A-Strategie, bei der sich der Corporate erst einmal mit einer Minderheit an einem Wachstumsunternehmen beteiligt, um das Risiko einer Akquisition zu reduzieren. Denkbar wären zudem Fondsinvestments; diese empfehle ich aber nur als Einstieg in neue Regionen. Eine klare und in alle Richtungen transparente Investitionsstrategie, höchste Investitionsstandards, gepaart mit Mut und Selbstbewusstsein, sind aus meiner Sicht ein erfolgversprechender Weg.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Zum Interviewpartner:

Markus Solibieda ist Geschäftsführer der BASF Venture Capital GmbH und Vorstands­mitglied des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungs­gesell­schaften (BVK).