„Die nächste Bundesregierung muss begreifen, dass Asset Management für die Zukunft des Finanzstandorts Deutschland von entscheidender Bedeutung ist“

Sommerinterview Teil 10: Mit Frank Dornseifer, Bundesverband Alternativer Investments

Frank Dornseifer
„Die positiven Trends sind Ausdruck eines insgesamt reifenden Start-up-Ökosystems“ - Sommerinterview mit Frank Dornseifer, BAI

Bildnachweis: © istock.com/Vadym Ilchenko / BAI.

VC Magazin: Wie sieht ihr aktuelles Fazit nach anderthalb Jahren Coronapandemie für die Investmentbranche aus?
Dornseifer: Die Investmentbranche hat sich während der Coronapandemie nicht nur insgesamt als sehr widerstandsfähig erwiesen, sie kann vor allem im andauernden Niedrigzinsumfeld ihre Stärken ausspielen. Trotzdem wäre aus meiner Sicht endlich wieder mehr Normalität wünschenswert, die gegenwärtig insbesondere von den Zentralbanken ausgehende Geldflut und der Anlagenotstand bei vielen institutionellen Anlegern verzerrt das Gesamtbild.

VC Magazin: Wie hat sich Ihre Verbandsarbeit durch Corona verändert?
Dornseifer: Auch die Verbandsarbeit fand über die letzten eineinhalb Jahre fast ausschließlich virtuell statt. Egal ob die Gespräche mit Politik und Aufsicht, ohne die Veranstaltungen und Sitzungen mit unseren Mitgliedern bzw. der Branche. Wir haben uns damit arrangiert, waren zudem auch einer der ersten Verbände, die erfolgreich auf Webinare & Co. umgeschaltet haben. Jetzt sind wir aber auf jedem Fall an einem Punkt, an dem sich viele wünschen, dass wir wieder Präsenzveranstaltungen und persönliche Treffen abhalten können. Unser stetiges Mitgliederwachstum zeigt natürlich auch, wie wichtig die Plattform BAI auch in Krisenzeiten ist.

VC Magazin: Welche Trends sehen Sie am Markt, die durch Corona einen Boost erhalten haben?
Dornseifer: Der Private-Markets-Boom hat sich während der Corona-Pandemie weiter verstärkt, egal ob Private Equity, Infrastruktur, oder Private Debt. Institutionelle Investoren setzen verstärkt auf Long-term-Assets, und zwar abseits der Börse. Ich bin schon sehr gespannt, was unser gerade gestarteter jährlicher BAI Investor Survey 2021 an neuen Erkenntnissen zu Tage bringt, aber ich erwarte nicht, dass es hier Trendbrüche o.Ä. geben wird. Nachhaltiges Investieren ist natürlich auch ein Megatrend, den ich allerdings nicht mit Corona in Verbindung bringen würde, aber ich glaube durchaus, dass die Lockdown-Monate auch hier durchaus bewusstseinsschärfend waren.

VC Magazin: Im September stehen die Wahlen für eine neue Bundesregierung an. Wie sieht Ihr Fazit zur aktuellen Legislaturperiode aus?
Dornseifer: Für den Fondsstandort Deutschland wurde im Ergebnis zu wenig getan, auch wenn es ein Gesetz gab, welches sogar als Standortgesetz betitelt wurde. Die Impulse waren sehr zaghaft und zudem nicht in der Breite aufeinander abgestimmt. Für mich gab es hier keine überzeugende politische Strategie und es fehlte wohl auch am politischen Willen.

VC Magazin: Welche Forderungen und Wünsche haben Sie an die neue Bundesregierung?
Dornseifer: Ich wünsche mir – wie nun schon seit vielen Jahren – eine konsistente und gesetzesübergreifende Strategie des Gesetzgebers, die Fondsregulierung, Fondsbesteuerung und Anlegerregulierung zusammenführt. Wir haben hier in Deutschland immer nur Stückwerk, mal ein bisschen Investmentsteuerreform, dann ein zaghaftes Fondsstandortgesetz, eine halbherzige Einführung von elektronischen Wertpapieren, dann nationale Sonderwege beim Thema Sustainable Finance, usw. Die nächste Bundesregierung muss begreifen, dass gerade die Asset Management bzw. Fondsbranche für die Zukunft des Finanzstandorts Deutschland von entscheidender Bedeutung ist. Wachstum, Dynamik und Perspektiven sind eher dort zu verorten, als in der Bank- und Versicherungswirtschaft. Die Fondsbranche hat viele Teile der Wertschöpfungskette bereits ins Ausland verlagert. Es könnte sich für die neue Bundesregierung lohnen, hier einmal genauer drüber nachzudenken. Denn zunehmend geht es dabei ja auch um Technologiethemen, die wir hier in Deutschland mitabbilden sollten.

VC Magazin: Ein Blick in die Glaskugel: Wie schätzen Sie das geschäftliche Umfeld für alternative Investments im Sommer 2022 ein?
Dornseifer: Die großen Themen Sustainable Finance und Digitalisierung werden auch die AI-Branche herausfordern, aber auch viele neue Möglichkeiten eröffnen. Die Nachfrage nach Alternative Investments wird weiter steigen, der Anteil im institutionellen Portfolio wird wachsen. Wir müssen allerdings aufpassen, dass die gesamte ESG-Bürokratie nicht die Dynamik und die Motivation der Branche ausbremst oder konterkariert. Auch die Anlageklasse Kryptowerte und Kryptofonds wird sich etablieren und gerade durch den Einsatz der Distributed-Ledger-Technologie werden viele neue Möglichkeiten, sowohl bei der Anlage, aber auch zur Kostenreduktion und Effizienzsteigerung geschaffen. Der Blick in die Glaskugel fällt bei mir auf jeden Fall positiv aus.

Frank Dornseifer ist Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments e.V.