Warum Start-ups ihre Mitarbeiter beteiligen sollten

Kommentar von Christian Wiens, CEO und Gründer von Getsafe

Christian Wiens, CEO Getsafe

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme als Lockmittel, um geringere Gehälter zu bezahlen? Ein verbreiteter Irrtum. Viele Start-ups bieten Gehälter und Sozialleistungen, die teilweise deutlich über dem Branchendurchschnitt liegen. Bei der Mitarbeiterbeteiligung geht es um etwas anderes: Talente, Werte, Mindset.

Bei einem Start-up zu arbeiten bedeutet, von Dynamik und Flexibilität zu profitieren. Das zieht viele Menschen an, doch es bedeutet auch: Wer bei einem Start-up arbeitet, geht ein gewisses unternehmerisches Risiko ein. Ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm setzt genau hier an, denn es macht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Eigentümern des Unternehmens. Auf diese Weise fördert es den Grundgedanken jedes Start-ups: unternehmerisch zu denken und gemeinsam Großes zu erreichen.

Bürokratische Hürden

In Deutschland liegt das Konzept der Mitarbeiterbeteiligung an Start-ups leider noch hinter Ländern wie den USA, wo es im Silicon Valley beinahe schon zur Selbstverständlichkeit gehört. Das liegt zum einen an den rechtlichen Regelungen, denn obwohl steuerpolitische Erleichterungen erst vor kurzem im Parlament neu verhandelt wurden, fehlt es dem neuen Entwurf nach wie vor stark an Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich. Zum anderen gibt es hierzulande auch bürokratische Hürden, die das Thema verkomplizieren. Wer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern echte Unternehmensanteile geben will, muss dies notariell beglaubigen lassen und jedes Mal die Gesellschafterstruktur ändern lassen. Kein Start-up kann das leisten.

Virtuelle Anteile

Virtuelle Firmenanteile, ein sogenannter Virtual Stock Options Plan, kurz VSOP, umgeht ein paar dieser Hindernisse und bietet zum jetzigen Zeitpunkt immerhin eine Alternative. Ein Kompromiss zwar, doch auch virtuelle Firmenanteile senden eine wichtige Message: dass ein junges Unternehmen genauso bereit ist, in seine Belegschaft zu investieren, wie die Belegschaft in das Unternehmen investiert. Aber wenn jedes Start-up wartet, bis die Bedingungen eines Tages endlich günstig genug sind, dann wird nichts passieren. Es ist deshalb wichtig, auf die Mitarbeiterbeteiligung zu setzen und aktiv Teil der Veränderung zu werden. Darum geht es ja letztendlich auch bei Start-ups an sich – das gesamte Ökosystem lebt davon, dass Menschen in neue Ideen investieren.

Ich sehe jedoch nicht nur die Start-ups und die Politik in der Pflicht – alle Stakeholder müssen über den Tellerrand hinausblicken und das große Ganze erkennen. Investoren und Investorinnen sind aufgerufen, mit den Start-ups an einem Strang zu ziehen. Und auch die Medien sind als Multiplikatoren und Agenda-Setter gefragt. In den USA schaut die Öffentlichkeit mit viel mehr Stolz und Interesse auf die heimischen Unternehmer. Das ist letztlich ein Mentalitätsproblem, das in der Medienlandschaft auch stattfindet. Für Deutschland wünsche ich mir eine Gesellschaft, die Innovation und Entrepreneurship positiv und mit Begeisterung begegnet.

Unser Land braucht mutige und visionäre Unternehmerinnen und Unternehmer, die etwas Großes aufbauen wollen. Und diese Unternehmerinnen und Unternehmer wiederum brauchen begeisterte Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Bei der Mitarbeiterbeteiligung geht es daher um viel mehr als um ein Anreizinstrument für talentierte Köpfe: Nämlich die Tatsache, dass jede und jeder einzelne bei einem Start-up Tätige, ganz egal in welcher Position, an die Vision glaubt und täglich daran arbeitet, sie mitzugestalten. Und das sollte zu fairen Stücken belohnt werden.

Zum Autor: Christian Wiens ist Gründer und CEO von Getsafe und für die Strategie, Investor Relations und Kommunikation verantwortlich. Zuvor war er Gründer und CEO von gourmeo.com, das er erfolgreich an die Müller Media Group verkaufte.