„Business Angels haben nicht zwingend einen Exit-Druck“

Interview mit Dr. Carsten Rudolph, BayStartUP

Dr. Carsten Rudolph, BayStartUP
Dr. Carsten Rudolph, BayStartUP

Bildnachweis: (c) BayStartUp.

Die Zahl der Business Angels ist in Deutschland stark angestiegen, die Szene ist deutlich professioneller geworden. Nicht wenige Angels investieren heute in Dimensionen, die früher Venture Capital-Fonds vorbehalten waren. Beim Exit-Management bestehen durchaus Unterschiede im Vergleich zu Fonds.

VC Magazin: Sie haben mit BayStartUP in den letzten Jahren ein beachtliches Investorennetzwerk aufgebaut. Wer zählt dazu?
Rudolph: Insgesamt sind über 300 private und mehr als 150 institu­tionelle Investoren bei uns aktiv. Seit 2015 haben wir 311 Mio. EUR Kapital in 305 aktiv betreuten Finanzierungsrunden vermittelt, insbesondere in den Phasen Pre-Seed, Seed oder Series A. BayStartUP und seine Vorgängerorganisationen sind seit insgesamt über 20 Jahren am Start-up-Markt aktiv. Zu unseren Kernauf­gaben gehört es, junge Unternehmen bedarfsgerecht beim Unter­nehmensaufbau zu unterstützen und sie mit passenden Inves­torenkontakten zu vernetzen: Zu uns kommen jährlich über 800 Start-ups mit Interesse an oder Potenzial für Eigen­kapitalfinanzierung. Zwischen 130 und 150 Start-ups stellen wir jährlich im BayStartUP Investorennetzwerk vor.

VC Magazin: Wie gehen Sie dabei vor?
Rudolph: Im engeren Coaching mit den Teams stehen die Bedürfnisse der Start-ups im Vordergrund. Dabei hängt es von ihrem Unternehmensstatus und ihrer möglichen Skalierung ab, ob private Investoren und/oder Venture Capitalisten die besten Fi­nanzierungspartner für sie sind. Deswegen ist eine große Bandbreite an Kapitalgebern in unserem Netzwerk vertreten: vom ­allein und sehr früh investierenden Privatinvestor über Business Angels-Clubs und Family Offices bis hin zu den großen Wagnis­kapitalgebern, staatlichen Fonds und strategischen Investoren wie zum Beispiel CVCs.

VC Magazin: In welchen Größenordnungen investieren die bei ­Ihnen gelisteten Business Angels?
Rudolph: Die Spanne ist da sehr weit – los geht es bei Größenordnungen von 50.000 bis 100.000 EUR. Gerade in den vergangenen Jahren haben wir mehr und mehr Angels im Netzwerk gelistet, die in Dimensionen investieren, die früher Venture Capital-Fonds vorbehalten waren: Einige von ihnen investieren auch bis in den siebenstelligen Bereich. Auch die Family Offices in unserem Netzwerk stellen ein potentes Investmentpotenzial dar und können ohne Probleme größere Runden stemmen.

VC Magazin: Welche finanziellen Voraussetzungen sollten potenzielle Investoren mitbringen?
Rudolph: Wir erwarten von unseren privaten Investoren, dass sie mindestens im mittleren sechsstelligen Bereich in Start-ups investieren können und planen, nicht weniger als 50.000 EUR pro Start-up initial zu investieren. Da geht es dann natürlich auch um die Streuung von Risiken. Die Mitgliedschaft im BayStartUp Investorennetzwerk ist übrigens kostenfrei.

VC Magazin: Wie hat sich die Business Angels-Szene in den letzten Jahren entwickelt?
Rudolph: Immer mehr Unternehmer und Privatinvestoren inte­ressieren sich für Start-ups und entdecken junge Unternehmen als Investmentgelegenheit. Die Ursachen sind vielfältig: Das Thema Gründerszene ist medial heute deutlich präsenter als noch vor fünf Jahren – einfach auch, weil sich die Start-up-­Szene insgesamt positiv entwickelt. Ein weiterer Treiber: ­Private Investoren schauen sehr genau, wo sich noch Renditen erzielen lassen. Und in den klassischen Investitionsbereichen außerhalb der Immobilien ist das kaum noch der Fall; das Vermögen sucht nach anderen Wegen. Dabei professionalisiert sich die Inves­torenszene zunehmend. Man weiß, wie man investiert, um welche Vertragsarten es geht – es ist wesentlich mehr Know-how vorhanden als noch vor zehn Jahren. Gleichzeitig rufen Gründer mit ihren Lösungen eine so große Bandbreite vor allem auch an digitalen, industriellen und hochtechnologischen Ansätzen auf, dass sich für Investoren aus den unterschiedlichsten Branchen „passende“ Start-ups finden lassen. Wir beobachten außerdem, dass die erfolgreichen Start-up-Gründer aus den letzten 20 Jahren zunehmend selbst als Investoren auftreten – man schaue da einfach mal auf Bastian Nominacher von Celonis, die FlixBus-Gründer oder Dr. Joachim Kuhn von va-Q-tec. Auch aus dem Mittelstand sind einige CEOs seit dem Verkauf ihrer Firma als Privatinvestoren aktiv.

VC Magazin: Wie nachhaltig ist diese Entwicklung?
Rudolph: Die Start-up-Szene hat sich insgesamt sehr professio­nalisiert, das Start-up-Ökosystem in Deutschland entwickelt sich gut, da wird das Interesse nach meiner Einschätzung fortbestehen. Vor allem, wenn die Angels in einigen Jahren die Erfolge ihrer Investments der letzten fünf bis zehn Jahre sehen – wenn sie sich ein Portfolio aufgebaut und schlau gestreut haben. Insgesamt sehen wir in der Kapitalmarktszene aber viel Dyna­mik und Veränderung, und gerade Business Angels stehen durchaus auch vor Herausforderungen. So werden immer neue Venture Capital-Fonds für die Frühphase aufgelegt, sodass wir seit Jahresbeginn durch das vermehrt verfügbare Kapital einen zunehmenden Wettbewerb auf Investorenseite bemerken. Die Start-ups können grö­ßere Summen aufrufen und höhere Bewertungen verlangen. Vor allem Business Angels mit den „kleineren“ Tickets müssen teils in immer früheren Phasen investieren, um sich die Bewertungen noch leisten zu können und nicht von Wagniskapitalgebern aus den Runden gedrängt zu werden.

VC Magazin: Das vorliegende Magazin legt einen Schwer­punkt auf „Exit-Management“. Wie sieht die Exit-Statistik „Ihrer Angels“ aus?
Rudolph: Angels stellen in der Regel nicht nur Kapital zur Ver­fügung, sondern meist auch ihre Kontakte, ihr Wissen und ihre Erfahrungen. Der Großteil der Business Angels strebt durchaus einen Exit an, im Gegensatz zu Fonds besteht bei ihnen aber weitaus stärker die Bereitschaft, dauerhaft investiert zu bleiben und über die Rendite Rück­flüsse zu erhalten. Business Angels können an die Themen Beteiligung und Investition offener heran­gehen als eine Venture Capital-Gesellschaft. Sie haben nicht zwingend ­einen Exit-Druck und sind, was die Verwaltung ihres Vermögens angeht, nur sich selbst gegenüber verantwortlich. Für eine Statistik ist es meines Erachtens aber noch zu früh. Der echte Angels-Boom hat erst in den letzten sechs bis acht Jahren begonnen, und die typische Haltedauer von Angel-Investments geht über diesen Zeitraum hinaus. Wir ken­nen aber durchaus Beispiele, in denen Angels auch nach wenigen Jahren hohe Multiples erzielen konnten.

VC Magazin: Business Angels klagen vielfach über die Verwäs­serung in Folgefinanzierungsrunden. Wie denken Sie darüber? 
Rudolph: Verwässerung in Folgerunden wird sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen. Eine Folgefinanzierung soll das Unternehmen ja wachsen lassen. Von daher ist trotz der Verwäs­serung auch eine monetäre Entwicklung sichergestellt, wenn sich das Unternehmen erfolgreich entwickelt. Wir raten jedem Business Angel, frühzeitig – also vor einem Investment – mit den Start-ups die geplante Wachstumsstrategie zu besprechen. Wenn bereits beim Einstieg die nächste große Finanzierungsrunde geplant ist, kann der Business Angel für sich entscheiden, ob er den Weg mitgeht und darauf zählt, dass durch die nächsten Investments der Wert seiner Anteile ebenfalls steigt. Die Alternative ist die Beschränkung auf die Start-ups, die nicht die ganz großen Runden anstreben und vielleicht auch gar nicht in den Investmentfokus der großen Venture Capital-Fonds passen.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview!

Zum Interviewpartner:

Dr. Carsten Rudolph ist Geschäftsführer von BayStartUP, das als neutraler und nicht gewinnorientierter Ansprechpartner eines der größten Investorennetzwerke Europas betreut.