Bildnachweis: Exist-Potentiale , © Jackstädt-Zentrum/EUF.
Mit seinen Förderwettbewerben Exist I bis IV hat das BMWi seit 1998 bereits eine Vielzahl von Projekten an Hochschulen in ganz Deutschland unterstützt. Die jüngste Maßnahme, „Exist-Potentiale“, zielt darauf ab, die Rahmenbedingungen für Start-ups und wissensbasierte Ausgründungen aus Hochschulen in der Breite weiter und nachhaltig zu verbessern.
Mit Exist-Potentiale, der neuen Richtlinie unter dem Dach von Exist-Gründungskultur, sollen eine „wahrnehmbare und aktivierende Gründungskultur an Hochschulen sowie notwendige Rahmenbedingungen für innovative und wachstumsstarke Start-ups aus der Wissenschaft geschaffen werden“, heißt es in der Programmskizze des Ministeriums. Über gründungsnahe Lehr- und Beratungsangebote und eine intensive Gründungsforschung hinaus ist Unternehmergeist ausdrücklich gewünscht, in allen Fachbereichen, auf dem Campus und in der Hochschulverwaltung. Dahinter steht das Wissen, dass Start-ups eine hohe strategische Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben. „Sie bringen Innovationen voran, sind Motor des strukturellen Wandels und schaffen Arbeitsplätze der Zukunft“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier 2019 anlässlich der Bekanntgabe der Förderzusagen. „Hochschulen spielen eine entscheidende Rolle als Ideenschmieden für innovative Gründungsvorhaben.“
Inhaltliche Schwerpunkte
Im Rahmen der Projektphase 2020 bis 2024 und mit einem Gesamtbudget von 150 Mio. EUR unterstützt die Programmlinie Hochschulen in drei thematischen Schwerpunkten:
• Potenziale heben
Good Practice-Beispiele der Exist-Gründerhochschulen sollen in die Breite getragen werden und insbesondere kleinen und mittleren Hochschulen dabei helfen, gründungsfördernde Strukturen aufzubauen. Damit kann das bisher nicht oder nur unzureichend erschlossene Gründungspotenzial gehoben und die Gründungsunterstützung weiter professionalisiert werden.
• Regional vernetzen
Entscheidend für den Aufbau leistungsstarker Standorte für Hightechgründungen sowie einer nachhaltigen Gründungskultur ist die enge Vernetzung von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen mit regionalen sowie überregionalen Partnern in der Wirtschaft, mit Finanzierungspartnern und weiteren Gründungsakteuren.
• International überzeugen
Deutschland soll sich verstärkt als „Global Player“ bei wissenschaftsbasierten Gründungen positionieren. Viele deutsche Hochschulstandorte haben das Potenzial dazu. Das bedeutet, geeignete Gründungsteams frühzeitig auf den Markteintritt in internationale Märkte vorzubereiten und sie unter anderem für eine internationale Teamzusammensetzung zu sensibilisieren. Hinzu kommen Maßnahmen, die die Vernetzung und Kooperationen der Hochschule mit gründungsaffinen Hochschulen im Ausland fördern.
Kandidatenauswahl und Status quo
Insgesamt hatten sich 220 Hochschulen und Universitäten aus allen Bundesländern für diese themenspezifische Förderung durch das BMWi beworben. Ausgewählt wurden schließlich 101 (Verbund-)Vorhaben an 142 Hochschulen. Sie konnten – trotz der durch die Corona-Pandemie erschwerten Bedingungen – 2020 in die Projektphase starten. Die Bandbreite der Projekte und Hochschulen ist groß. Es gibt private und staatliche Hochschulen in der Förderung. Neben denen, die ihre eigenen Gründungspotenziale erschließen, wurden auch regionale Verbundprojekte von bis zu sieben Hochschulen ausgewählt. Einige bereits gründungserfahrene Universitäten weiten ihre Aktivitäten auf internationaler Ebene mit Partnerländern in Osteuropa, Indien, Südamerika und Asien aus.
Interview mit Dr. Kirsten Mikkelsen, Jackstädt-Zentrum/EUF – Praxisbeispiel
Ein Praxisbeispiel liefert die Europa-Universität Flensburg (EUF), die – im Verbund mit der Hochschule Flensburg (HSF) – 2019 im Rahmen von Exist-Potentiale mit Schwerpunkt „Potenziale heben“ den Zuschlag bekam für eine Förderung über insgesamt 1,7 Mio. EUR. Dr. Kirsten Mikkelsen, Director Entrepreneurship, Gender & Education am Jackstädt-Zentrum/EUF, gibt einen Einblick.
VC Magazin: Was genau ermöglichen Ihnen die Exist-Mittel?
Mikkelsen: Dank der Exist-Förderung können wir unser Projekt @ventureDock umsetzen. Es zielt darauf ab, bisher wenig bis gar nicht erreichte Studiengänge beider Hochschulen durch interdisziplinäre Veranstaltungsformate in die Gründungsunterstützung einzubinden. Daneben sieht es die Entrepreneurship-Ausbildung von Lehrkräften in der Region vor, um eine intellektuelle und emotionale Wertschätzung des Gründungsgeists in die Schulen zu tragen. Kinder und Jugendliche sollen früh ermutigt und befähigt werden, innovative Lösungsansätze zu suchen.
VC Magazin: Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?
Mikkelsen: Allen Corona-Widrigkeiten zum Trotz ist die Projektphase von @ventureDock zum Herbstsemester 2020/21 erfolgreich gestartet: Beide Hochschulen haben ihre Lehre in die Breite geöffnet, insgesamt 17 Studiengänge beinhalten mittlerweile Entrepreneurship Education (EE). Dabei integriert jede Einrichtung ihre Schwerpunkte – die HSF insbesondere Green & Sustainable Entrepreneurship, die EUF insbesondere Mindset und Persönlichkeitsentwicklung sowie EE und Women’s Entrepreneurship. In diesem Herbstsemester rechnen wir mit 70 Teilnehmenden und bieten auch eine Lehrveranstaltung auf Masterniveau mit den dänischen Partnern an. Gut genutzt werden das hochschuleigene Labor (Elektro- und IT), der Maschinenraum (Metall- und Kunststofftechnologie) sowie die Werkstätten aus den Bereichen Holz- und Kunststofftechnologie, die nun allen Teilnehmenden der EE-Kurse zur Prototypenfertigung offenstehen. Zudem adressiert @ventureDock den wissenschaftlichen Mittelbau: Im Zusammenhang mit Forschungsarbeiten entstehen nicht selten Innovationen, die auch kommerziell genutzt werden können – so arbeitet ein Team gerade an einem Digitalisierungsprojekt, ein anderes steht kurz vor der Bewerbung um ein Exist-Gründerstipendium. Bei den Schulkooperationen hat bereits ein Hackathon zum Thema „Schule neugd8“ stattgefunden, ein nächster und ein Innovation Camp sind geplant – Studierende treten hier als Multiplikatoren auf und helfen Schülern bei der Projektentwicklung.
VC Magazin: Wie messen Sie den Erfolg des Projekts?
Mikkelsen: Ein wichtiges Erfolgssignal ist für uns aktuell, dass nach nur zwei Semestern @ventureDock-Veranstaltungen bereits sieben Projekte in der weiterführenden Gründungsberatung sind. Tatsächlich ist der Projekterfolg nicht immer so einfach zu belegen, denn die Effekte von EE zeigen sich oft erst Jahre nach der Uni. Für uns – wie für jedes Start-up – ist deshalb grundsätzlich Sichtbarkeit wichtig! Die erfragen wir regelmäßig, um zu spiegeln, ob unsere Angebote wahrgenommen werden und wo noch Potenziale ungenutzt sind. So kannten zuletzt 79% der Befragten @ventureDock, fast 73% das Dock1 (Co-Working Space), nur 33% VentureWaerft (regionale Initiative). Interessant ist auch das „Live Tracking Entrepreneurial Mindset“ – hier haben wir und Studierende die Möglichkeit, die Entwicklung von Teilen ihres Entrepreneurial Mindsets sowie des Open Innovation Mindsets im Laufe einer EE-Veranstaltung zu verfolgen. Das funktioniert mithilfe einer auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelten WebApp von OMind Consulting und ist ein Prototyp, der dann weiterentwickelt und für EE nutzbar gemacht werden soll. Ziel ist, einen Entwicklungsnachweis zusätzlich zu üblichen Kennzahlen wie der Anzahl an Gründungsprojekten liefern zu können. Letztlich ist jeder Kontakt im Projekt ein Stimulus in Sachen Gründung. Die Kursteilnahme erhöht aber auch die Entrepreneurial Competencies – innovative Lösungen suchen, in Projekten denken, moderne Arbeitsorganisation kennen – und somit die Chance, auf dem Arbeitsmarkt von heute zu bestehen.
VC Magazin: Danke für das Gespräch!