Venture Debt auf dem Vormarsch! – Was Gründer jetzt wissen sollten

Die Aufnahme von Venture Debt hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. In den USA ist Venture Debt bereits seit Jahren etablierter Bestandteil nahezu jeder Eigenkapitalrunde. Dieser Trend zeichnet sich auch in Deutschland ab. Während Venture Debt in 2010 lediglich etwa 1% des Gesamtvolumens von risikofinanziertem Eigen- und Fremdkapital in Europa ausmachte, rangiert es derzeit bei ca. 7-9% – Tendenz steigend. Das Finanzierungsvolumen wird auf ca. 1,6 Mrd. EUR geschätzt.

Befeuert wird das Wachstum des Venture Debt-Marktes derzeit durch die weltweit politisch und wirtschaftlich volatile Marktsituation, welche mitunter zu niedrigeren Unternehmensbewertungen führt und in der sich viele Start-ups schwertun, attraktive Eigenkapitalfinanzierungsrunden zu organisieren.

Was ist Venture Debt?

Venture Debt ist ein speziell für Venture Capital-finanzierte und wachstumsstarke Unternehmen konzipiertes Fremdkapitalinstrument.

Der Weg zum klassischen Fremdkapitalmarkt ist Start-ups in der Regel nicht eröffnet, da klassische Fremdkapitalgeber üblicherweise vergangenheitsorientiert sind, einen positiven Cashflow des Unternehmens verlangen sowie hohe Anforderungen an historische Unternehmensdaten stellen. Damit scheidet eine klassische Finanzierung durch Haus- oder Förderbanken bei stark wachsenden Unternehmen regelmäßig aus. 

Die Venture Debt-Finanzierung durch spezialisierte Anbieter stellt hingegen eine spezielle Form der Fremdkapitalfinanzierung von Wachstumsunternehmen dar. Venture Debt- Provider fordern zwar auch einen Cashflow, dieser muss aber nicht notwendigerweise positiv sein. Wichtiger sind ein tragfähiges und skalierbares Geschäftsmodell; Venture Debt-Provider sind zukunftsorientiert.

Wesentlicher Qualitätsindikator für Venture Debt-Provider ist, ob das Start-up bereits Eigenkapitalfinanzierungen erhalten hat und ein oder mehrere Venture Capital-Investoren mit (inter-)nationaler Reputation investiert sind. Die Eigenkapitalfinanzierung wird dann als Cashflow-Ersatz anerkannt. Nicht selten wird daher Venture Debt im Anschluss an eine Eigenkapitalfinanzierungsrunde aufgenommen.

Welche Spezifika hat Venture Debt?

Juristisch handelt es sich um Kreditverträge oder Inhaberschuldverschreibungen, die gekennzeichnet sind durch mittelfristige Laufzeiten, regelmäßige Zins- und Tilgungszahlungen, eine erstrangige Besicherung am gesamten Vermögen des finanzierten Unternehmens sowie eine risikoadäquate Festverzinsung. 

Typischerweise wird das Darlehen mit einer Option des Darlehensgebers, eine geringfügige Anzahl an Anteilen an der Gesellschaft zu erwerben (Anteilsbezugsrecht oder Warrant), oder mit einer virtuellen Beteiligung des Darlehensgebers kombiniert (Equity Kicker).

Wer kommt als Venture Debt Provider in Frage?

Neben etablierten Playern (wie z.B. Silicon Valley Bank oder Kreos Capital) gibt es mittlerweile eine Vielzahl von neuen und jungen Venture Debt-Providern; und die Branche wächst weiter. Prinzipiell lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: Auf Venture Debt spezialisiert Banken oder Venture Debt-Fonds. 

Erfahrungsgemäß haben Banken meist eine höhere Produktflexibilität, da sie neben dem klassischen Venture Loan weitere Produkte anbieten können, wie z.B. Betriebsmittelfazilitäten. Typischerweise sieht man bei Banken kleinere Fazilitäten von 2 Mio. EUR bis 10 Mio. EUR Fazilitäten über 10 Mio. EUR bis 40 Mio. EUR finden sich eher bei Venture Debt Fonds. Diese verfügen in der Regel über eine höhere Risikoaffinität. Da Venture Debt-Fonds grundsätzlich technisch nicht in der Lage sind, Unternehmen ein Konto zur Verfügung zu stellen, ist ihre Produktpalette strukturell limitiert.

Für wen ist Venture Debt geeignet?

Venture Debt-Finanzierungen eignen sich nicht für jedes Start-up. Unternehmen sollten im Idealfall schon mindestens eine große bzw. mehrere kleinere Eigenkapitalfinanzierungsrunden abgeschlossen haben. Das Unternehmen sollte somit einen gewissen Reifegrad erlangt haben. Drei Punkte haben sich als wesentlich herausgebildet:

  • ein erwiesenes und tragfähiges Geschäftsmodell, u.a. ein nachhaltiges Umsatzwachstum und ein wachsender Kundenstamm;
  • das Geschäftsmodell sollte sich bereits als robust und skalierbar erwiesen haben; bei technologiebasierten Wachstumsunternehmen sollte die Kerntechnologie voll entwickelt und marktreif sein und
  • das Management-Team sollte genügend Erfahrung haben, um die Skalierung des Unternehmens zu ermöglichen und dieses somit erfolgreich durch die nächste Wachstumsphase führen zu können.

Welchen Nutzen hat Venture Debt?

Eine Venture Debt-Finanzierung erlaubt den Eigenkapitalgebern, ihre Kapitalbasis über das neue Eigenkapital hinaus zu stärken, ohne eine wesentliche Verwässerung ihrer Anteile und Kontrollrechte akzeptieren zu müssen. Die Verwässerung durch den Warrant liegt bei etwa 1% bezogen auf das Stammkapital, während bei gleicher Finanzierungshöhe ein Venture Capital-Investor regelmäßig eine mindesten 10-fache Verwässerung verursacht.

Ferner kann die Aufnahme von Venture Debt sinnvoll sein, um den Zeitraum zwischen einzelnen Finanzierungsrunden zu verlängern und / oder einen wichtigen Meilenstein zu erreichen und so die Bewertung des Start-ups noch am Ende eines Investitionszyklus zu erhöhen. Im Anschluss kann eine neue Finanzierungsrunde ggf. zu günstigeren Bedingungen, d.h. auf Basis einer höheren Bewertung, durchgeführt werden.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Marktsituation, in der viele Start-ups mit sinkenden Unternehmensbewertungen oder der Zurückhaltung von Venture Capital-Investoren kämpfen, bietet eine Venture Debt-Finanzierung eine Chance, den Zeitraum bis zur nächsten Finanzierungsrunde zu überbrücken bzw. zu strecken und so den Zeitpunkt der nächsten Unternehmensbewertung nach hinten zu verlagern.

Venture Debt-Provider sind in der Regel sehr professionalisiert und standardisiert, was die Transaktionsgeschwindigkeit fördert.

Vor- und Nachteil von Venture Debt im Überblick

Pro:

  • Flexibilität und Individualität der Ausgestaltung unter Berücksichtigung der Ausgangsituation des Start-ups
  • Verhinderung bzw. Verzögerung der nächsten Unternehmensbewertung
  • Durch den verlängerten Cash Runway können Umsatz und Margen gesteigert werden
  • Begrenzte Anteilsverwässerung im Vergleich zu einer Eigenkapitalfinanzierung
  • Kapitalkosten in der Regel geringer als bei Eigenkapitalfinanzierung
  • Regelmäßig hohe Transaktionsgeschwindigkeit

Contra:

  • Cashflow-Belastung; Unternehmen muss in der Lage sein, Zins und Tilgung zu bedienen
  • Kündigungsrisiko
  • Häufig komplexe Vertragsstruktur

Zum Autor:

Dr. Sebastian Sumalvico, Rechtsanwalt der LUTZ | ABEL Rechtsanwalts PartG mbB am Standort München.

Dr. Sebastian Sumalvico ist Rechtsanwalt der LUTZ | ABEL Rechtsanwalts PartG mbB am Standort München. Er ist spezialisiert auf Venture Capital und M&A sowie Managementbeteiligungen und berät und begleitet Start-ups und Gründer in Finanzierungsrunden und Venture Debt Transaktionen.