Adventsgespräch mit Björn Weidehaas, Rechtsanwalt und Partner bei Lutz | Abel

VentureCapital Magazin Adventskalender: Tür 12

Björn Weidehaas
Björn Weidehaas

Bildnachweis: (C) Lutz | Abel.

Björn Weidehaas, Rechtsanwalt und Partner bei Lutz | Abel gibt im Adventsgespräch einen Rück- und Ausblick auf die Jahre 2022/23.

VC Magazin: Sie begleiten viele Venture Capital-Transaktionen. Wie haben sich die
Unternehmensbewertungen im Laufe des Jahres 2022 entwickelt? Beobachten Sie viele
Downrounds?

Björn Weidehaas: Die Ereignisse zu Beginn des Jahres und auch die daraus folgende Veränderung der Stimmung im Markt haben auf die Bewertungen gedrückt. Es hat Down-rounds gegeben, manche Unternehmen hatten auf eine erhebliche Upround gehofft und konnten sich zumindest mit einer Flat Round retten. Es gab auch eine steigende Zahl von Unternehmen, die keine oder nur eine sehr viel geringere, interne Finanzierung erreicht haben und denen wir dann bei den anstehenden Umstrukturierungen helfen konnten. Auch vermehrte Konsolidierungsbestrebungen werden im Markt sichtbar.

VC Magazin: Welche Veränderungen sehen Sie bei Vertragswerken und den entsprechenden Klauseln?

Björn Weidehaas: Der Drang der Investoren zu althergebrachten Investorenrechten, die in den letzten Jahren vergessen schienen, steigt. Nicht immer scheint das rational, zumal gerade bei sehr frühen Phasen sich die ausgehandelten Rechte dann zulasten der Frühphaseninvestoren auswirken können, wenn sie in späteren Finanzierungsrunden nicht wieder herausverhandelbar sind. Nicht selten mussten in der Vergangenheit Business Angels den selbst hereinverhandelten Full Ratchet Verwässerungsschutz oder eine nicht anrechenbare Erlöspräferenz in späteren Runden gegen sich gelten lassen. Gleichzeitig können Modifikationen in der Erlöspräferenz aktuell helfen, Bewertungen nicht zu sehr absacken zu lassen, da sie sich ja bewertungsrelevant auswirken. Dabei kann man diese
auch zeitlich oder auf nachfolgende Finanzierungsrunden beschränkt ausgestalten, bis die
Bewertungen wieder anziehen.

VC Magazin: Wie oft und bei welchen Anlässen greifen Start-ups und Wachstums-unternehmen inzwischen auf Venture Debt zurück?

Björn Weidehaas: Venture Debt ist ein in unserem Bereich stark wachsender Trend. Zum einen ist Venture Debt im Moment gut verfügbar, zumal immer mehr Produkte am Markt erscheinen. Es kannso manche Eigenkapital-Finanzierungsrunde mit Venture Debt komplettiert oder aufgestockt werden. Zum anderen glauben viele Unternehmen an wieder anziehende Bewertungen nach dem letzten Einbruch. Gerade in diesem Fall kann Venture Debt eine sinnvolle Ergänzung sein, zumal die Verwässerung dann lediglich einen üblichen Warrant von um die 10% betrifft und im Übrigen von einem die Zinsen des Venture Debt Loan übersteigenden Wachstum ausgegangen wird.

VC Magazin: In welchem Maße haben die gestiegenen ESG-Anforderungen die Transaktionen verändert?

Björn Weidehaas: Wir kennen die ESG-Anforderungen seit Jahren aus den von uns beratenen Impact- Funds. Neu ist die Verbreitung. Kaum eine Transaktion kommt mehr ohne ESG- oder Compliance-Due Diligence und entsprechende Klauseln in den Finanzierungsverträgen aus. Die Investoren müssen sich ESG-KPI reporten lassen, um ihrerseits den Offenlegungsverpflichtungen nachkommen zu können. Darüber hinaus will an dieser Stelle kaum einer mehr Risiken eingehen. Deshalb sind auch 1-Euro-Put-Optionen aktuell stark nachgefragt, um sich im äußersten Notfall schnell von einem toxischen
Investment trennen zu können.

VC Magazin: Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Jahr 2022 zurück, mit welchen ins neue Jahr 2023?

Björn Weidehaas: 2022 war ein Jahr der Neuausrichtung. Die Branche hat sich aus einer starken Wachstumsphase auf Profitabilität ausgerichtet. Man merkt, dass die Anforderungen gestiegen sind. Startups kommunizieren nicht mehr nur Wachstum, sondern profitables Wachstum wird nun von den Investoren gern gesehen. Auch wenn für uns Rechtsanwälte jede Veränderung zu mehr Arbeit führt, wünschen wir uns für die Branche mehr Stabilität und eine sichere Perspektive für die Zukunft. Viele Finanzierungen wurden nämlich nur aufgeschoben, teilweise „auf Sicht“ finanziert, bis man wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt. Wir erwarten daher für die Jahre 2023 und 2024 einige Nachholeffekte wie dies auch nach dem ersten Corona-Lockdown der Fall war. Insofern blicken wir zuversichtlich ins neue Jahr und hoffen, dass sich auch die Märkte wieder etwas beruhigen und die Investoren ihren Fokus wieder stärker auf Neuinvestments richten können.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Über den Interviewpartner:

Björn Weidehaas ist Rechtsanwalt und Partner am Münchner Standort der Kanzlei LUTZ | ABEL. Er berät Family Offices, Fonds, Business Angels und zahlreiche Start-ups ganzheitlich während Finanzierungsphasen sowie Unternehmen während Restrukturierungen und im Insolvenzrecht.