Wie ESG das Fundraising verändert

Neuer Status Quo

Katharina Hammer, Poellath
Katharina Hammer, Poellath

Bildnachweis: Poellath.

„Nachhaltigkeit: Daran kommt niemand mehr vorbei.“ So betitelte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einen Beitrag auf ihrer Webseite im Dezember 2022, in dem sie einen Überblick über die aktuellen Auswirkungen des European Green Deal auf die Finanzbranche gibt. Und tatsächlich mussten aufgrund der gesetzlichen Neuerungen alle Fondsmanager spätestens in den vergangenen Monaten die Frage beantworten, wie sie zu ESG-Themen stehen und – auf lange Sicht noch wichtiger – wie ihre Investorenbasis zu ESG-Themen steht.

Seit März 2021 haben selbst kleine Fondsmanager als Finanzmarktteilnehmer aufgrund der europäischen Offenlegungsverordnung, der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), beim Aufsetzen eines Fonds und im Fundraising einen weiteren Themenbereich zu bedenken. Zwar liegt das Inkrafttreten der SFDR nun schon fast zwei Jahre zurück, aber aufgrund langer Fondszyklen und des Inkrafttretens der Detailregelungen in den Regulatory Technical Standards (RTS) zum 1. Januar 2023 befindet sich der Venture Capital-Markt noch mitten in der Implementierungsphase. Für Wagniskapitalfondsmanager bedeutete das in den vergangenen Monaten zunächst, sich mit den neuen rechtlichen Vorgaben auseinanderzusetzen und die eigenen Vorstellungen zum Thema ESG in die nun bestehenden Kategorien der SFDR und auch der Taxonomie-Verordnung einzuordnen. Während die SFDR und die RTS bestimmte Offenlegungen für den Finanzsektor im Bereich ESG vorschreiben, legt die Taxonomie-Verordnung für das E (Environmental) fest, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig gelten. Hierzu wurden detaillierte technische Bewertungskriterien in einer Delegierten Verordnung geschaffen.

Drei typologische Beispiele

Umfang und Art der Herausforderungen, mit diesen neuen Regelungen umzugehen, variierten unter den Fondsmanagern stark, was sich an drei typologischen Beispielen zeigt:

1. Geringe eigene Anforderungen, geringer Aufwand: Ein Fondsmanager, der sich bisher nicht mit dem Thema ESG beschäftigt hatte, hier keinen Fokus sah und im Fundraising zum Thema ESG auch nichts kommunizierte, hatte es bisher am leichtesten. Die unangenehmere Konsequenz ist hier lediglich die explizite Offenlegung in Fundraising-Unterlagen und auf der Webseite, dass auf Nachhaltigkeitsaspekte weniger Wert gelegt wird. In der SFDR fallen Fonds dieser Art unter Art. 6 SFDR und unterliegen damit den geringstmöglichen Offenlegungspflichten.

2. „Grüne“ oder „nachhaltige“ Darstellung im Pitchdeck, erhöhter Aufwand: Ein Fondsmanager, der in seinen bisherigen Fundraising-Unterlagen gern Schlagwörter wie „Sustainable“, „Green“, oder gar „Impact Investing“ benutzte, musste in den vergangenen Monaten prüfen, wie viel Strategie und gar Daten hinter diesen standen. Hier war der Aufwand deutlich größer, die Schlagwörter in konkrete Kriterien im Sinne der SFDR umzumünzen. Fonds mit dieser Art von Außenkommunikation fallen (mindestens) unter Art. 8 SFDR, der auf detaillierte Vorgaben für Inhalte in Fundraising-Unterlagen, auf der Webseite und in jährlichen Berichten verweist.

3. Nachhaltige Investitionen als Fokus, mehr als reine Offenlegung: Der Fondsmanager, bei dem ESG fester Teil der Anlagestrategie ist und der sich schon eigene Kriterien für eine Messung dessen gesucht hatte, musste diese in die neuen Kategorien der SFDR und der Taxonomie-Verordnung einfügen. Zusätzlich zu den Offenlegungspflichten, die denen unter Art. 8 SFDR ähneln, wird von dem Fondsmanager, der mit nachhaltigen Investitionen wirbt und damit Art. 9 SFDR unterliegt, erwartet, dass entsprechend der SFDR-Definition nachhaltig investiert wird. Das heißt grundsätzlich für jedes Investment: Beitrag zur Erreichung eines Umwelt- oder sozialen Ziels, keine erhebliche Beeinträchtigung eines solchen Ziels und Anwendung von Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung.

Über die drei genannten Kategorien von Art. 6, 8 und 9 SFDR hinaus waren noch weitere Entscheidungen zu treffen. Dazu zählen die Berücksichtigung der sogenannten Principal Adverse Impacts (PAIs) und der Konformitätsgrad im Sinne der Taxonomie-Verordnung. Letzterer zeigt an, inwieweit Investitionen die technischen Bewertungskriterien der Taxonomie erfüllen. Da für viele Branchen (noch) keine Kriterien feststehen, tendiert der Venture Capital-Markt selbst bei sogenannten Impact-Fonds derzeit allerdings dazu, vorerst 0% Taxonomie-konformität anzugeben. Im vergangenen Jahr hat die Europäische Kommission und auch die BaFin zu Einzelfragen der SFDR und der Taxonomie-Verordnung Stellung bezogen. Allerdings bestehen noch zahlreiche Fragen gerade hinsichtlich der Konsequenzen unzulänglicher Offenlegungen, deren Beantwortung noch abzuwarten ist.

Wie sich Wagniskapitalfonds in Zukunft gut aufstellen

Wer beim Thema ESG in anstehenden Fundraisings gut aufgestellt sein will, trifft möglichst früh strategische Entscheidungen. In welches der oben dargestellten Regime bin ich gewillt, mich zu begeben? Drei der vielen Faktoren, die in die Entscheidung miteinfließen sollten, sind die eigenen Wertvorstellungen, die Anforderungen der Investoren an das Reporting und das Vermögen und die Bereitschaft der Targets, entsprechende Daten zu liefern.

Wertvorstellungen

Die eigenen Wertvorstellungen in greifbare Kriterien zu sortieren kann ein erster sinnvoller Schritt sein, um sich dem Thema zu nähern. Eigene ESG-Ziele selbst umzusetzen erleichtert das Hineinversetzen in die Targets, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind.

Erwartungshaltung der Investoren

Der wichtigere Faktor auf lange Sicht wird die Erwartungshaltung der Investoren sein. Bis jetzt fallen ausschließlich größere, institutionelle Investoren damit auf, dass sie mittels ESG-Checklisten eigene Anforderungen stellen, die über reine Ausschlusslisten hinausgehen. Mit der weiteren Implementierung der SFDR und der Taxonomie-Verordnung ist zu erwarten, dass sich mehr Investoren über das Label von Art. 6, 8 und 9 SFDR hinaus mit den offengelegten ESG-Daten auseinandersetzen. Dazu zwangsläufig beitragen wird das Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die schrittweise ab 2025 die nicht-finanzielle Berichterstattung für größere Unternehmen auch ohne Kapitalmarkt-orientierung vorsieht. Sobald Investoren selbst Offenlegungspflichten unterliegen, werden sie konkrete Daten einfordern.

Datenerhebung

Wenn ein Fonds seine Investoren also gern mit (positiven) ESG-Daten versorgen möchte, bleibt die größte Herausforderung im Venture Capital-Markt die entsprechende Daten-erhebung, ohne bei den Targets wie auch bei den Fondsmanagern selbst einen unverhältnismäßigen personellen und finanziellen Aufwand hervorzurufen. Um die eigenen Möglichkeiten abzuschätzen, kann ein Fondsmanager anhand der seit Januar 2023 verpflichtend zu verwendenden Offenlegungsmuster überprüfen, ob ihm die Berichterstattung nach Art. 6, 8 oder 9 SFDR realistisch erscheint. Aus der strategischen Leitentscheidung ergeben sich dann die bestenfalls schon in die Due Diligence aufzunehmenden Nachhaltigkeitsfaktoren.

Fazit

Auf lange Sicht kommt es also bei ESG auf die Anforderungen der Investorenbasis an. Wenn die potenziellen Investoren hier nichts erwarten oder verlangen, wird die Kosten-Nutzen-Rechnung gegen das freiwillige Unterwerfen unter strengere Vorgaben sprechen. Wenn man allerdings große, institutionelle Investoren für seinen Venture Capital-Fonds gewinnen möchte, die auf längere Sicht selbst ESG-Offenlegungspflichten unterliegen werden, führt – ganz im Sinne der europäischen Gesetzgeber – kein Weg mehr an ESG vorbei.

Zur Autorin:

Katharina Hammer ist Rechtsanwältin im Bereich Venture Capital-Fonds bei Poellath in Berlin. Mit einem besonderen Fokus auf ESG begleitet sie unter anderem die Gründung und das Fundraising von Venture Capital-Fonds.