„Deutschland hat die Chance, großer Player im Biotech-Segment zu werden“

Interview mit Prof. Dr. Ralf Huss, BioM Cluster Development

Prof. Dr. Ralf Huss, BioM Biotech Cluster Development
Prof. Dr. Ralf Huss, BioM Biotech Cluster Development

Bildnachweis: BioM Biotech Cluster Development.

Das Biotech-Cluster BioM hat seit Jahresbeginn mit Prof. Dr. Ralf Huss einen neuen Geschäftsführer. Zuletzt war er stellvertretender Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Augsburg sowie Direktor des Instituts für Digitale Medizin – die Digitalisierung in der Medizin ist eins seiner Schwerpunktthemen.

VC Magazin: Sie sind seit 1. Januar im Amt. Welche Pläne und Ziele haben Sie sich gesetzt?

Huss: Zum einen möchte ich die großartige Arbeit von Horst Domdey und seinen Mitarbeitern fortsetzen. Zum anderen gilt es, die Auswirkungen der globalen Krisen zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Aber gerade daraus ergeben sich Chancen für den Standort Bayern und Deutschland, wenn Sie nur an die fehlenden Produktionskapazitäten für biopharmazeutische Produkte denken. Meine persönlichen Pläne beinhalten aber auch die verstärkte Integration von digitalen Lösungen und interdisziplinäre Zusammenarbeit mit neuen Technologien.

VC Magazin: Nach den Finanzierungsrekorden aus 2020 und 2021 musste die Biotechbranche letztes Jahr Federn lassen und warb mit rund 920 Mio. EUR laut Bio Deutschland deutlich weniger Kapital ein. Spüren Sie ein Post-Corona-Loch oder blicken Sie dennoch optimistisch auf das aktuelle Jahr?

Huss: Natürlich war das letzte Jahr eine Herausforderung für die klassische Biotechnologie, das spüren wir auch noch zu Beginn 2023. Gleichzeitig wurden aber enorme Umsätze und Gewinne gerade im Bereich der COVID-19-Diagnostik und -Therapie erwirtschaftet. Die damit verbundene Förderung vor allem kleinerer Unternehmen und Ausgründungen werden zweifellos auch zum Motor einer nachhaltigen Biotechnologie in den kommenden Jahren. Ich bin da ebenso wie der letzte EY Biotechnologie Report durchaus optimistisch.

VC Magazin: Wie schätzen Sie die hiesige Biotechszene im europäischen Vergleich ein?

Huss: Nach einer Studie von BioSpace von 2022 ist München der größte europäische Biotechnologiestandort noch vor Paris, Basel oder London mit Oxford und Cambridge, aber hinter Boston in den USA. Überhaupt liegen wir hinter den USA auch als Investitionsstandort noch deutlich zurück. Dennoch hat Deutschland die Chance, sich zukünftig als großer Player im Biotechsektor zu etablieren, aber dafür würde ich mir insbesondere ein verändertes Investitionsklima wünschen. Das bedeutet für mich wie in den USA eine höhere Risikobereitschaft, besonders im Bereich der Frühphasenfinanzierung. Im Gegenzug sollten wir als Clusterorganisationen unsere bundesweiten Aktivitäten noch weiter vernetzen, koordinieren und gegebenenfalls auch fokussieren, um entsprechende Anreize in einem optimierten Ökosystem für Gründer und Investoren zu bieten.

VC Magazin: Ein aktueller Trend sind Gesundheits-Apps, die auch zum Teil von den Krankenkassen anerkannt werden. Wie bewerten Sie diesen Trend und welche weiteren Chancen für die Medizin sehen Sie in der Digitalisierung?

Huss: Die Nutzung digitaler Lösungen ist mehr als nur Trend, sondern die Zukunft. Es geht um die bessere Versorgung insbesondere von chronisch kranken Patienten, aber auch um die strukturierte Gewinnung und Nutzung von Gesundheitsdaten. Hierzu braucht es zeitnah wegweisende politische Entscheidungen, um uns im europäischen Vergleich auch in diesem Bereich konkurrenzfähig zu machen.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Zum Interviewpartner:

Prof. Dr. Ralf Huss ist seit 1. Januar 2023 neuer Geschäftsführer der BioM Biotech Cluster Development GmbH. Der Pathologe verfügt über langjährige Erfahrung sowohl in der akademischen Forschung als auch in internationalen Pharmaunternehmen.