Ein entscheidendes Investment

Erweiterte Perspektive im Rahmen einer IP Due Diligence

Mirko Schade, Keller Schneider
Mirko Schade, Keller Schneider

Bildnachweis: Keller Schneider.

Die Bedeutung einer Due Diligence im Rahmen von M&A-Projekten ist unbestritten. Dennoch werden in der Praxis viel zu häufig entscheidende Aspekte nicht in die Prüfung einbezogen. Warum das Thema IP unbedingt in die Due Diligence gehört und welche Risiken Investoren drohen, wird in der Praxis schnell deutlich.

In M&A-Projekten werden Zielunternehmen im Rahmen einer Due Diligence hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse auf Herz und Nieren geprüft. Umso mehr erstaunt es, dass gewerbliche Schutzrechte wie Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Designs sowie die Risiken durch Schutzrechte Dritter viel zu selten oder nur untergeordnet in die Bewertung einfließen. Dabei können gerade in diesem Bereich unkalkulierbare Risiken zutage treten. Regelmäßig fließen identifizierte IP-Risiken auch in die Preisverhandlung bei M&A-Projekten ein. Ähnliche Fragestellungen treten im Übrigen auch im Umgang mit Lizenzverträgen auf, in welchen ein Lizenznehmer Nutzungsrechte aus dem entsprechenden Schutzrecht erwirbt.

IP Due Diligence – must-have oder nice-to-have?

Die Bewertung von geistigem Eigentum eines Zielunternehmens ist äußerst komplex. Daher wird in der Praxis selbst die reine Bewertung bestehender Patente aus Kostengründen häufig vernachlässigt. Dabei deckt eine IP Due Diligence entscheidende Risiken auf und beantwortet beispielsweise die zentrale Frage, ob wichtige Produkte eines Unternehmens durch den Schutzumfang eines Patentportfolios abgesichert sind oder nicht. Neben dem eigenen Patentschutz birgt aber auch das Risiko der Verletzung von Schutzrechten Dritter eine immense Gefahr. Wurden die Produkte beispielsweise nie im Rahmen einer Freedom to Operate (FTO)-Analyse geprüft, so ist unbekannt, ob bestehende Patente anderer Unternehmen verletzt werden. Gerade diese „Hidden Costs“ können rasch existenzielle Ausmaße annehmen, denn die Verletzung von Schutzrechten kann im Worst Case zu einem Produktionsstopp führen und empfindliche Schadensersatzkosten sowie Lizenzgebühren nach sich ziehen. Um Klarheit im Umgang mit den Schutzrechten zu erlangen und um diese Risiken zu bewerten, ist eine IP Due Diligence einschließlich gezielter FTO-Analysen zwingend erforderlich.

Umfang und Ergebnis einer IP Due Diligence

Die klassische IP Due Diligence behandelt im Kern eine überaus sorgfältige Prüfung der gewerblichen Schutzrechte, welche Bestandteile eines geplanten Vertrags werden sollen. Der Umfang dieser Prüfungen ist dabei stark vom Vertragsgegenstand, dem zugrunde liegenden Business Model und der konkreten Interessenlage der Vertragsparteien abhängig. Sind alle zu prüfenden Schutzrechte bekannt, sollte zumindest deren Registerlage und die wirkliche materiellrechtliche Rechteinhaberschaft geprüft werden – denn nicht selten werden Rechtsübergänge fehlerhaft dokumentiert; auch die Eintragungen in das entsprechende Register werden gerne vergessen. Bereits an dieser Stelle können vermeidbare Rechtsstreitigkeiten drohen.

Künftige Kosten abschätzen

Darüber hinaus kann durch eine IP Due Diligence abgeschätzt werden, mit welchen Kosten (beispielsweise Aufrechterhaltungsgebühren, Kosten für bereits anhängige Verletzungs- oder Rechtsbeständigkeitsverfahren et cetera) zu rechnen ist, welchen wirtschaftlichen Wert die einzelnen Schutzrechte haben und ob das begehrte Schutzrechtsportfolio auch die tatsächliche Produktpalette abdeckt. Bei noch anhängigen Erteilungs- beziehungsweise Eintragungsverfahren von Schutzrechten sollten auch immer die Erteilungs- beziehungsweise Eintragungsaussichten abgeschätzt werden.

Ausreichend geprüft?

Neben dem Schutz der eigenen Rechte ist auch zu bedenken, dass die Rechte Dritter erhebliche Risiken für Unternehmen darstellen können. Die Frage nach möglichen Verletzungsrisiken und der sich daraus ergebenden finanziellen Konsequenzen wird klassischerweise im Rahmen einer FTO-Recherche und -Analyse beantwortet. Konkret ist diese essenziell, um auszuschließen, dass das eigene Produkt gegen bereits bestehende Patentrechte Dritter verstößt. Die FTO ist also eine entscheidende Risikomanagement-maßnahme im Vorfeld. Empfehlenswert ist hierbei eine Kombination klassischer FTO-Recherchen mit einer umfassenden und zielgerichteten Markt- und Wettbewerbsanalyse. Diese Bündelung liefert entscheidende Informationen für das geplante Investment, welche weit über klassische FTO-Recherchen hinausgehen.

FTO und Marktanalyse: Die perfekte 360-Grad-Bewertung vor dem Investment

Durch die Kombination von Patentrecherchedaten mit zielgerichteten Markt- und Wettbewerbsdaten lassen sich wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die die Qualität einer FTO-Recherche signifikant steigern und zusätzlich einen wertvollen Beitrag zur klassischen Due Diligence leisten können. Insgesamt liefern diese Informationen eine fundierte Grundlage zum Risikomanagement und damit zur Überprüfung und Verbesserung strategischer Entscheidungen. Beispielsweise gewinnt man hilfreiche Erkenntnisse zu den Big Trends und den New Technologies definierter Branchen, die wiederum Einfluss auf die Interessenlage der Verhandlungspartner haben.

Für wen lohnt sich der Aufwand?

Eine FTO sollte man immer durchführen. Zumindest sollte im Rahmen des Risikomanagements die Frage mit einem Patentanwalt diskutiert werden, ob eine FTO angemessen ist oder nicht. Die Gefahr unerkannter Verletzungsrisiken ist in diesem Bereich zu groß, als dass man darauf verzichten könnte. Eine FTO bildet gewissermaßen das Pflichtprogramm. Letztlich ist es ratsam, vor der Unterzeichnung eines M&A-Vertrags, einer Lizenzvereinbarung oder auch vor der Umsetzung größerer Finanzierungsrunden eine IP Due Diligence in Verbindung mit einer FTO-Analyse durchzuführen. Empfehlenswert ist die Kombination von FTO-Recherchen mit Markt- sowie Wettbewerbsanalysen, da sich dadurch wertvolle Erkenntnisse für die übergeordnete Due Diligence gewinnen lassen. Der Aufwand lohnt sich bereits in einem frühen Stadium der Verhandlungen.

Zum Autor:

Mirko Schade ist geschäftsführender Partner der Patentanwaltskanzlei Keller Schneider und Geschäftsführer des auf IP Due Diligence spezialisierten Unternehmens Integrate IP. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Evaluationen von Start-ups, Management des geistigen Eigentums (Intellectual Property) sowie Beratung von Innovations- und Entwicklungsprozessen.