Marina Heimann: „Sachsen ist Wissenschaftsland“

Sommerinterview mit Marina Heimann, futuresax

Sommerinterview mit Marina Heimann, futuresax
Sommerinterview mit Marina Heimann, futuresax

Bildnachweis: futuresax.

Der Sommer gibt die Gelegenheit, einen Blick auf die bisherigen Entwicklungen zu werfen sowie Ausblicke für das zweite Halbjahr zu geben. Bislang schlägt sich 2023 durchwachsen: Es herrschen nach wie vor herausfordernde wirtschaftliche und geopolitische Zeiten, Kapitalgeber zeigen sich zurückhaltender, einige Start-ups gerieten in finanzielle Schieflage. Wie Experten aus der Venture Capital-, M&A- und Start-up-Szene auf das aktuelle Marktgeschehen blicken, lesen Sie in unseren Sommerinterviews.

VC Magazin: futuresax ist das Start-up-Netzwerk für die sächsische Gründerszene. Wie sehen Sie die sächsische Start-up-Szene abseits ihrer lokalen Hotspots wie Dresden oder Leipzig? 
Heimann:  Die Innovationsregion Sachsen hat sich zu einem dynamischen und wettbewerbsfähigen Standort für Forschung, Entwicklung und Technologietransfer entwickelt. Mit 14 Hochschulen, 25 außeruniversitären Forschungseinrichtungen und einer vielseitigen Landschaft an innovativen Start-ups sowie Unternehmen verfügt Sachsen über eine hohe Dichte an Wissen und Kompetenzen in verschiedenen Schlüsselbereichen, wie Mikroelektronik, Maschinenbau, Biotechnologie, Materialwissenschaften, Energie und Mobilität. Durch den ausgeprägten Wissenstransfer aus der Wissenschaft in Start-ups, den Mittelstand und die gelebte Kollaboration und Kooperation zwischen jungen und etablierten Unternehmen, hat sich die sächsische Start-up-Szene im deutschlandweiten Tech und Deep-Tech-Kontext zu einem ernstzunehmenden Player entwickelt. Als zentrale Anlaufstelle und Matchingplattform im Innovationsökosystem des Freistaates erhöht futureSAX durch branchenübergreifende Impulsgebung, sachsenweite Sichtbarkeit und zielgruppenübergreifende Vernetzung der Akteure die Innovationskraft und Innovationskultur und stärkt so die Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Wirtschaft. Aber auch innovative Gründungen, die nicht technologiebasiert sind, zeigen sachsenweit und branchenübergreifen wie mit Ideen und bedarfs- sowie kundenorientierter Weitsicht Zukunft gestaltet werden kann. Gerade die ländlichen Regionen Sachsens haben ein großes Potenzial für innovatives Gründungsgeschehen. Das zeigt sich unter anderem bei den Bewerbungszahlen für die Gründungsförderung InnoStartBonus und an den Teilnehmenden des Sächsischen Gründerpreises. Über 200 innovative Geschäftsmodelle wurden seit 2019 abseits der urbanen Zentren mit dem InnoStartBonus vom Freistaat Sachsen gefördert und durch futureSAX begleitet (aus insgesamt über 800 Bewerber/-innen, davon rund 45 % Frauen). Neben der finanziellen Unterstützung ist die aktive sachsenweite und branchenübergreifende Einbindung in das Innovationsökosystem eine essenzielle Säule für ein nachhaltiges Wachstum und die Stärkung der Innovationsprozesse in ländlichen Regionen.

VC Magazin: Seit Jahresbeginn sehen sich viele Start-ups einem deutlich schwierigeren Marktumfeld ausgesetzt. Welche Auswirkungen sehen Sie bei Preisniveau und Kapitalverfügbarkeit?
Heimann:  Auch für sächsische Unternehmen auf Kapitalsuche sind die Bedingungen schwieriger geworden. Die Gesamtzahl der Finanzierungsrunden ist rückläufig, im ersten Halbjahr 2023 gab es nach unserer Kenntnis lediglich 15 Deals in Sachsen, im Vergleich zu 33 im Vorjahreszeitraum. Deshalb ist die Mobilisierung von privatem Kapital umso wichtiger. Der Freistaat Sachsen hat dafür eine neue Förderung ins Leben gerufen – den Business-Angel-Bonus. Junge, innovative Unternehmen können über dieses Programm eine finanzielle Förderung erhalten, solange privates Wagniskapital durch einen Business Angel investiert wird. Zudem stärken wir seit etwa zwei Jahren im Auftrag des Sächsischen Wirtschaftsministeriums fokussiert die Business Angelkultur durch vielfältige Maßnahmen und die Sensibilisierung von Menschen für diese „Anlageform“.
Für DeepTech-Lösungen, die in großer Zahl aus Sachen kommen, ist weiterhin Kapital vorhanden, aber das Kapital gibt es meist nicht am Standort. Der Technologiegründerfonds Sachsen, die Beteiligungsgesellschaften der Sparkassen oder der Sächsischen Aufbaubank bspw. können dies nicht kompensieren. Deshalb vernetzen wir seit mehr als 10 Jahren sächsische Unternehmen mit Kapitalgebenden aus dem dafür bestehenden Investorennetzwerk, das über 500 Mitglieder aus dem gesamten DACH-Raum umfasst. Es setzt sich sowohl aus institutionellen (VC, CVC, PE) als auch aus privaten Kapitalgebenden (Business Angels und Family Offices) über alle Finanzierungsphasen hinweg zusammen.

VC Magazin: Mit ihren Gründerwettbewerben unterstützen Sie Jungunternehmen, die noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Welche Rolle spielen solche Wettbewerbe für die Gründer, wie können sie ihnen helfen?
Heimann: 
Wettbewerbe wie der Sächsische Staatspreis für Gründen spielen eine zentrale Rolle in der Wahrnehmung und Weiterentwicklung des Start-up-Ökosystems insgesamt. Sie bieten nicht nur eine Plattform, um innovative Ideen und Geschäftsmodelle mit Wertschätzung zu präsentieren, sondern auch um wertvolles Feedback von Expert/-innen, erfahrenen Unternehmer/-innen und potenziellen Investoren zu erhalten und sich weiterzuentwickeln. Darüber hinaus tragen Wettbewerbe zur Sichtbarkeit der sächsischen Start-up-Szene bei und stärken den Austausch zwischen Gründer/-innen, Investoren und etablierten Unternehmen sowie der Unterstützungslandschaft. Neben den durch das Wirtschaftsministerium ausgelobten Staatspreisen existieren in Sachsen bspw. mit dem InnoStartBonus und der Validierungsförderung zwei Förderprogramme zur Unterstützung innovativer Gründungsideen und der Verwertung von Forschungsergebnissen, die durch wettbewerbliche Verfahren vergeben werden. Ziel ist es Ideen frühzeitig mit dem am Markt bestehenden Wettbewerb zu konfrontieren und so die Kommerzialisierung von Ideen in den Mittelpunkt zu rücken. Mit einer neuen „Förderrichtlinie Akzeleratoren“ hat der Freistaat im August 2023 zudem ein Angebot zur Stärkung der Gründungslandschaft aufgelegt und stellt hierfür bis 2027 rund 30 Millionen Euro zur Verfügung. Damit soll unter anderem der Aufbau von bis zu drei neuen Akzeleratorprogrammen durch private Unternehmen angeregt und so auch über diesen Weg der Wettbewerb untereinander befördert werden.

VC Magazin: Welche Innovationspotenziale liefern sächsische Universitäten der Wirtschaft, wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Universität und Start-ups in Sachsen aus?
Heimann: 
Sachsen ist Wissenschaftsland. Nicht nur Universitäten allein, sondern vor allem die vielfältige Forschungslandschaft aus Universitäten, Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Industrieforschungseinrichtungen begründen das enorme Potenzial für Innovationen in Sachsen. Eine Besonderheit hierbei ist die starke Anwendungsorientierung der jeweiligen Forschungsprofile. Sie schlägt sich nicht zuletzt in Forschungskooperationen mit Unternehmen, Patentierungen und Lizenzierungen oder Ausgründungen nieder. Der Hochschulentwicklungsplan 2025 des Freistaates Sachsen soll diese Kooperationen stärken und führt zusätzlich die Personalkategorie des Wissenschaftsmanagers ein, der strategische und operative Managementaufgaben in der Wissenschaft übernehmen wird. Gefördert wird der Wissens- und Technologietransfer durch ein starkes öffentlich getragenes Netz an Gründungsinitiativen. Das Sächsische Start-up-Partnernetzwerk bündelt diese sowie Technologiegründungszentren, regionale Wirtschaftsförderung, aber auch private Coworking Spaces, Inkubatoren, Akzeleratoren und bringt sie in regelmäßigen Austauschformaten zusammen. So wird der Erfahrungsaustausch untereinander gestärkt, die Zusammenarbeit befördert und eine sachsenweite branchenübergreifende Gründungskultur nachhaltig geprägt. futureSAX hilft durch sein großes Netzwerk aus über 12.000 Akteuren vielfältige Kollaborationsprojekte, Ausgründungen sowie breiten Wissenstransfer. Zudem unterstützen wir diverse externe Projekte als Netzwerkpartner in Themenfeldern von Informationskommunikationstechnik bis hin zu Werkstofffasern auf Basis von Naturfasern. Hierzu zählen auch die beiden Großforschungszentren: Das Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA), welches in der Lausitz entsteht sowie das Center for the Transformation of Chemistry (CTC), das in Mittelsachsen aufgebaut wird.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch. 

Marina Heimann ist Geschäftsführerin von futureSAX, der Innovationsplattform des Freistaates Sachsen.