„Wir brauchen mehr Innovationstrichter!“

Interview mit Prof. Dr. Ralf Huss, BioM

Interview mit Prof. Dr. Ralf Huss (BioM)
Interview mit Prof. Dr. Ralf Huss (BioM)

Bildnachweis: BioM.

BioM managed den bayerischen Biotech Cluster und zählt mehr als 500 Unternehmen
zu seinem Netzwerk. Mit dem kürzlich gestarteten Inkubator MAxL werden künftig auch sehr frühphasige Start-ups unterstützt – was dringend notwendig ist, wie BioM-Geschäftsführer Prof. Dr. Ralf Huss berichtet.

VC Magazin: Kürzlich fand Ihr BioAngels Pitch Day statt, auf dem Sie Investoren und Start-ups zusammenbringen. Wie bewerten Sie die aktuellen Investitionsentwicklungen im Life Sciences-Umfeld? Wer profitiert derzeit, welche Bereiche haben es schwer?

Huss: Es kommt darauf an, wie Sie „profitieren“ definieren. Zunächst profitieren einmal alle,
denn diese Events sind wichtig für Start-ups und Investoren, ob es sich nun um klassische
Venture Capitalisten, strategische Investoren oder Private Equity handelt. Wenn Sie von
einem uns in dem Zusammenhang des Pitch Day bekannt werdenden Investment sprechen,
dann ist das im Moment eher die Ausnahme. Wer aber im Moment wohl „profitiert“, das
sind die innovativen Hybrid-Start-ups, die mithilfe von KI oder virtuellen Zwillingen eine
beschleunigte Entwicklung erwarten lassen. Außerdem profitieren gut etablierte und finanzierte Unternehmen mit einer klaren klinischen Entwicklungsstrategie.

VC Magazin: Sie sind eng vernetzt mit den Bostoner Biotech Hub. Wo sehen Sie den Life Sciences-Standort Bayern im deutschen Kontext und über deutsche Grenzen hinaus?

Huss: Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von BCG beschreibt dies ziemlich eindrücklich. In Deutschland liegen wir knapp vor Heidelberg und Berlin und ziemlich gleichauf mit europäischen Zentren wie London oder Paris, aber doch mit deutlich Abstand hinter Boston. Dort hat man es geschafft, die Inkubation als Hebel für Vertrauensbildung und Investitionen zu nutzen.

VC Magazin: Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz mittlerweile im Bereich Life Sciences und wie sehen Ihre Erwartungen zur Einbindung von KI für die Zukunft aus?

Huss: Es steht wohl außer Frage, dass KI und die Analyse von großen Datenmengen etwa
mittels Large Language Models (LLMs) eine zunehmend große Rolle spielen wird. Allerdings
gibt es doch eine abwartende Skepsis, wie nachhaltig technische Lösungen wie Alpha-
Fold in der Beschleunigung einer klinischen Entwicklung wirklich sind. Dennoch kommt
der In-silico-Modellierung eine zunehmende Bedeutung zu, da jetzt auch die notwendigen Hardwarelösungen zur Verfügung stehen.

VC Magazin: Mit Ihrem Inkubator MAxL packen Sie seit Ende 2023 selbst die Rahmenbedingungen für Start-ups an und unterstützen Early Stage-Start-ups. Was gehört zum Paket und wem greifen Sie bereits unter die Arme?

Huss: Der „Munich Accelerator Life Science & Medicine“ ist ein Inkubator nach amerikanischem Vorbild, aber – und das ist wohl einzigartig – mit einer starken frühen Komponente, also besonders für Pre-Seeds und Early Stage-Start-ups. Diese bekommen neben voll ausgestatteten Laborflächen ein zugeschnittenes Coaching und Mentoring in einem interaktiven Gründer- und Unternehmerumfeld und einem starken Biotechnologieökosystem.

VC Magazin: Wie kann die Politik die Rahmenbedingungen für Life Sciences verbessern, welche Wünsche haben die Start-ups an die Politik?

Huss: Es wäre sicherlich zu einfach, wieder über die im Vergleich zu Boston strikten, teilweise EU-basierten Regularien und die bekannten finanz- und steuerrechtlichen Herausforderungen in Deutschland zu lamentieren. Auch in den USA ist das Aktienrecht nicht trivial und die Finanzaufsicht bekanntermaßen streng. Was wir aber von dort lernen können, ist ein Übermaß an transferierbaren Technologien aus den Universitäten und Hochschulen heraus, die sich quasi vor den Inkubatoren und den dort engagierten Investoren stauen. Dass unsere Wissenschaftler den gleichen Innovations-Output liefern könnten wie Harvard und Boston, steht außer Frage. Wir müssen mehr Startups an den Start bringen, und Inkubatoren wie MAxL zusammen mit Technologiepartnern und klinischen Netzwerken erweitern diesen Innovationstrichter. Staatliche Mittel, etwa aus dem Zukunftsfonds oder einer Hightech-Agenda, beschleunigen dann den Durchlauf. Das zieht auch wieder weitere Investoren an.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Zum Interviewpartner:

Prof. Dr. Ralf Huss ist Geschäftsführer der BioM Biotech Cluster Development GmbH. Der Pathologe verfügt über langjährige Erfahrung sowohl in der akademischen Forschung als auch in internationalen Pharmaunternehmen.