Bildnachweis: PwC, amberra, VentureCapital Magazin.
Das Global Center of Excellence für Corporate Venturing von PwC kennt die aktuellen Chancen und Herausforderungen mittelständischer Corporate Venture Capital (CVC)-Einheiten. Im Interview beleuchten Serge Reh, PwC, und amberra-Geschäftsführer Björn Schmuck, wie es um CVC in Deutschland derzeit steht und wie der Aufbau eines Corporate Venturing Studios gelingt.
VC Magazin: Der Mittelstand leidet unter der schwächelnden Wirtschaft. Inwiefern beeinflussen diese Herausforderungen die CVC-Landschaft in Deutschland?
Reh: Wir sehen weiterhin ein vorsichtigeres Investitionsverhalten verglichen mit dem Venture Capital-Boom 2021: Sowohl die Anzahl – 107 anno 2021 versus 95 anno 2024 – als auch das Volumen der Deals mit 4,8 Mrd. USD anno 2021 versus 1,8 Mrd. USD anno 2024 waren letztes Jahr laut des jüngsten CB Insight Report in Deutschland weiterhin auf einem Tiefststand. Gleichzeitig eröffnet die wirtschaftliche Unsicherheit Chancen: Durch vermehrte Investitionen in Innovationen können Unternehmen jetzt ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken und neue Geschäftsfelder erschließen. Die gesamte Venturing Toolbox – und damit auch CVC – spielt dabei eine wichtige Rolle, um strategische Investitionen in aufstrebende Technologien und Start-ups zu tätigen, die langfristiges Wachstum und Transformation unterstützen.
Schmuck: CVC zeigt sich bemerkenswert robust. Im Gegensatz zum klassischen Venture
Capital-Markt setzen strategische Investoren darauf, gezielt und langfristig in Zukunftsgeschäftsfelder zu investieren. Dabei steht nicht der schnelle Exit im Fokus, sondern nachhaltiger Erfolg. Es geht darum, innovative Geschäftsmodelle zu finanzieren und zu entwickeln, um auch morgen und übermorgen wettbewerbsfähig zu sein. Die 672 Volksbanken und Raiffeisenbanken, Sparda-Banken, PSD Banken und genossenschaftlichen Spezialinstitute haben 2024 ihren Jahresüberschuss vor Steuern um 2,3% auf 9,5 Mrd. EUR gesteigert. Ohne Zweifel ein großer und wichtiger Erfolg – aber darauf ruht sich die Gruppe nicht aus. Im Gegenteil: Denn der Erfolg von morgen basiert auf jenen innovativen Geschäftsmodellen und neuen Ideen, die heute auf den Weg gebracht werden. Vor diesem Hintergrund nutzen wir auch CVC gezielt, um zukunftsweisende Geschäftsfelder über das traditionelle Kerngeschäft hinaus zu erschließen.

VC Magazin: amberra ist das Corporate Venturing Studio der genossenschaftlichen FinanzGruppe und hat letztes Jahr seinen ersten Fonds aufgesetzt. Mit welchem Fokus
investieren Sie und wie sieht Ihr Portfolio aus?
Schmuck: Perspektivisch bauen wir ein Start-up-Ökosystem mit banknahen und bankfernen Geschäftsfeldern auf. Dieses langfristige Ziel realisieren wir, indem wir als Corporate Venture Capitalist in Start-ups investieren, aber auch im Corporate Venture Building selbst innovative Geschäftsmodelle bauen und mit Start-ups kooperieren, sprich Corporate Venture Clienting anbieten. Der im Jahr 2024 initiierte amberra Fonds, der Ende März sein zweites Closing vollzogen hat, bildet die strategische Grundlage für unsere Beteiligungen an Start-ups. Die rund 700 Genossenschaftsbanken können darin ihr Innovationskapital bündeln. Der Fokus unserer Investments liegt auf den vier Lebenswelten Wohnen, Gesundheit, Nachhaltigkeit und regionale Wirtschaft. Unsere ersten beiden Investments bilden diese Strategie bereits ab: das Immobilien-Start-up Impleco sowie ein mehrfach ausgezeichnetes Bildungs-Start-up, zu dem wir in Kürze weitere Details bekannt geben können. Abgesehen von ihrem strategischen Fit sind beide Unternehmen wachstumsstark, haben vielversprechende Produkte entwickelt und bieten das Potenzial, neue Kundenbeziehungen zu erschließen.
VC Magazin: Wie hat PwC Sie beim Start Ihrer CVC-Tätigkeit unterstützt?
Schmuck: amberra ist erst seit April 2023 operativ tätig. Wir sind auf der grünen Wiese
gestartet und mussten erst einmal eine Basis schaffen und ein schlagkräftiges Team aufbauen. Mittlerweile sind wir in Berlin und Hamburg mit insgesamt vier Units und 30 Mitarbeitenden am Start. Für uns war es von Beginn an wichtig, die strategischen Leitplanken zu entwickeln, auf denen heute unsere drei Geschäftsfelder basieren. PwC hat uns dabei unterstützt, den Investmentprozess aufzusetzen, und uns dabei begleitet, unsere Investmentthese auszuarbeiten – im spannenden Umfeld einer großen FinanzGruppe mit potenziell fast 700 Limited Partnern für den amberra Fonds.
Reh: Der Erfolg von sieben der zehn größten Unternehmen weltweit ist auf ein aktives
Business-Ökosystem zurückzuführen, in dem für alle Beteiligten durch strategische Partnerschaften, Kooperationen oder Beteiligungen langfristige Werte entstehen. Vor diesem Hintergrund haben wir zunächst relevante Themenfelder für Investitionen und Neugründungen für die FinanzGruppe analysiert. Dabei konnten wir auf unsere Erfahrung beim Aufbau von über 20 CVC-Einheiten weltweit aufbauen und das Projekt holistisch begleiten: von der Strategie und Abwägung der strategischen sowie finanziellen Zielsetzung bis zur Ausarbeitung möglicher Prozesse und der richtigen Stakeholder-Kommunikation.
VC Magazin: Welche Meilensteine konnten Sie bisher erreichen und welche Ziele haben Sie für dieses Jahr?
Schmuck: Für ein so junges Corporate Venturing Studio haben wir schon einiges auf den
Weg gebracht. Neben den erwähnten Milestones wie Aufbau von Team, Strategie und Governance zählte zu unseren größten Highlights die Auflage des amberra Fonds im März 2024. In der Folge haben wir so erfolgreich Fundraising betrieben, dass wir das erste Closing bereits im August mit 52 Mio. EUR und das zweite Closing jetzt im März mit fast 100 Mio. EUR realisieren konnten. Erste Investments sind getätigt. Auch im Venture Building und Venture Clienting sind wir gut vorangekommen. Die ersten drei Geschäftsmodellentwicklungen sind in vollem Gang, und wir sind mit einer Vielzahl an Start-ups im Gespräch, die potenziell für Kooperationen infrage kommen. Für 2025 haben wir uns den Aufbau und die Entwicklung unseres Portfolios auf die Fahnen geschrieben – denn für uns geht es auch darum, die Geschäftsmodelle erfolgreich zu den circa 30 Millionen Kunden der Genossenschaftsbanken zu bringen.
VC Magazin: Was braucht ein CVC, um im aktuellen Marktumfeld gut bestehen zu können?
Reh: In wirtschaftlich schwierigen Phasen achten Unternehmen zunehmend auf gute Messbarkeit ihrer Innovationsaktivitäten, suchen verstärkt nach kurzfristigen Wertbeiträgen
und reduzieren Investitionen. CVC-Einheiten, die wie amberra eine Fondsstruktur aufgesetzt haben und nicht direkt aus dem Balance Sheet heraus investieren, profitieren in der aktuellen Phase von diesem robusteren Aufsatz. Neben einem klaren Fokus auf finanziell attraktive Investments ist es derzeit wichtig, klare strategische Ziele zu definieren: Das Motto „weniger ist mehr“ gilt hierbei im aktuellen Marktumfeld mehr denn je. Insgesamt sehe ich es aber auch als Chance, wenn Unternehmen mehrere Werkzeuge aus der Venture Toolbox einsetzen, um sich flexibel an die Bedürfnisse des Mutterkonzerns anzupassen. Unsere Kunden haben aktuell zum Beispiel großes Interesse am Thema Venture Clienting – einem niedrigschwelligen Innovationstool, das mit vergleichsweise geringem Risiko und Investitionsaufwand Impact erzeugt.
Schmuck: Stichwort Venture Toolbox: Das ist genau unser Ansatz bei amberra – mit mehreren Werkzeugen Innovationen vorantreiben. Das macht uns stärker und ganzheitlicher – aber auch flexibler: Denn so können wir schnell und zielgerichtet auf sich verändernde Marktumfelder und neue Herausforderungen reagieren. Und wir können die Kraft und Heterogenität der Gruppe ganz anders nutzen. Zwei Beispiele: Unsere Venture Building Unit arbeitet eng mit Partnern aus der Finanz-Gruppe an neuen Geschäftsideen. Hier nutzen wir direkt die Expertise der Banken und ihre Ideen für neue Near- und Beyond Banking-Geschäftsmodelle. Mit unserer Venture Clienting Unit haben wir im vergangenen Jahr unsere Toolbox um Kooperationen und Partnerschaften erweitert. Diese Aktivitäten runden die Portfolioentwicklung von amberra nicht nur ab, sondern veredeln sie geradezu. Sie geben uns die Möglichkeit, flexibel auf die sich rasch wandelnden Kundenbedürfnisse
und die strategischen Anforderungen der Gruppe zu reagieren und alle Parameter sinnvoll miteinander zu kombinieren.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Über die Interviewpartner:
Serge Reh ist Senior Manager und leitet den Bereich Corporate Venture Capital bei PwC Deutschland. Darüber hinaus ist er Teil von PwC’s Global Center of Excellence for Corporate Venturing und berät regelmäßig große und mittelständische Unternehmen im In- und Ausland bei ihren Innovations- und Corporate Venturing-Projekten.
Björn Schmuck ist Geschäftsführer der amberra GmbH, des Corporate Venturing-Studios der Genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken. Zuvor war er im Investmentbereich der Berenberg Bank, der Deka Investment und als Geschäftsführer des Corporate-Start-ups Bevestor sowie eines Edtech-Start-ups tätig. Seit April 2023 baut er mit dem amberra-Team neue Near- und Beyond Banking-Geschäftsfelder für die FinanzGruppe auf.