KI in der Due Diligence: Effizienter, schneller – aber nicht ohne Risiko

Interview mit Pia Sickmüller, HAGER Executive Consulting

Warum KI nicht reicht – und menschliche Intuition wichtiger wird.
Warum KI nicht reicht – und menschliche Intuition wichtiger wird.

Bildnachweis: Pia Sickmüller, HAGER Executive Consulting.

Künstliche Intelligenz verändert die Due Diligence in Venture Capital und Private Equity: Prozesse laufen schneller, datenbasierter, technischer. Doch nicht alles lässt sich modellieren – besonders in frühen Phasen mit wenig belastbaren Informationen. Pia Sickmüller, Managerin Financial Sponsor Coverage bei HAGER Executive Consulting beobachtet einen tiefgreifenden Wandel im Profil der Investment-Professionals.

VC Magazin: In vielen PE/VC-Fonds kommen mittlerweile KI-gestützte Due-Diligence-Prozesse zum Einsatz, die den Investitionsansatz grundlegend verändern. Wie beeinflussen diese KI-gestützten Prozesse die Anforderungen an Investment-Professionals?

Sickmüller: KI verändert die Spielregeln – auch für Investment-Professionals. Die Tools ermöglichen heute eine enorm schnelle Auswertung großer Datenmengen, etwa von Marktbewegungen, Finanzkennzahlen oder User Engagement. Das erhöht die Effizienz im Dealflow, aber auch die Anforderungen an das Team. Neben finanzieller Expertise braucht es zunehmend technologische Kompetenz – also ein solides Verständnis davon, wie Algorithmen funktionieren, wo ihre Grenzen liegen und wie sie strategisch eingesetzt werden können.

Gleichzeitig bleibt der menschliche Faktor essenziell – vor allem im Frühphasenbereich. Gerade bei Pre-Seed oder Series A-Investments liegen oft noch gar nicht genug strukturierte Daten vor, um belastbare Prognosen zu treffen. Hier zählen Intuition, Branchenerfahrung und das richtige Gespür für Gründerteams. Die Zukunft gehört daher nicht der Maschine allein, sondern den Professionals, die beides beherrschen: Datenkompetenz und Menschenkenntnis.

VC Magazin: Diese zunehmende Automatisierung führt zu einem Wandel in der traditionellen Rollenverteilung innerhalb der Branche. Sehen Sie bereits Fälle, in denen klassische Analysten- oder Associate-Positionen durch datengetriebene Rollen ersetzt wurden?

Sickmüller: Ja, erste Fälle sehen wir bereits. Ein erkennbarer Trend ist die Entstehung eines Subkosmos, in dem etwa Beratungsfirmen eigene Big-Data-Teams aufbauen, die sogenannte Data Cubes erstellen – also strukturierte Wissensmodelle aus großen Datenmengen.

Die wachsende Komplexität und die technischen Möglichkeiten machen den Beruf des Analysten anspruchsvoller. Es geht nicht um ein Ersetzen, sondern um eine Weiterentwicklung des Rollenprofils – klassische Aufgaben wandeln sich, neue Skillsets werden notwendig. Dieser Wandel verläuft jedoch erstaunlich reibungslos: Die Generation, die heute in den Beruf einsteigt, ist mit digitalen Tools groß geworden. Wer starke analytische, mathematische und technologische Fähigkeiten mitbringt, ist klar im Vorteil – und wird zum Treiber der Branchenentwicklung.

VC Magazin: Viele Fonds reagieren auf den Technologiewandel mit gezielten Strategien, um ihre Teams zukunftssicher aufzustellen. Welche Maßnahmen und Strategien verfolgen PE/VC-Firmen, um ihre Mitarbeitenden auf diese Veränderungen vorzubereiten?

Sickmüller: Der technologische Wandel wird in der Branche nicht ausgesessen – er wird aktiv gestaltet. Viele Fonds investieren systematisch in Weiterbildungsprogramme, sei es durch interne Schulungen, externe Trainings oder gezielte Kooperationen mit Universitäten und Tech-Startups. Ziel ist es, technologische Kompetenz im Team aufzubauen, ohne dabei das klassische Investment-Handwerk zu vernachlässigen.

Besonders wichtig ist dabei das sogenannte "Tool-Verständnis": Wer mit KI-Tools arbeitet, muss verstehen, wie diese zu ihren Ergebnissen kommen – also nicht nur die Oberfläche bedienen, sondern auch die Logik dahinter erfassen. Das macht die Ausbildung komplexer, aber auch spannender.

Eine zusätzliche Herausforderung liegt im Generationenmix: Die jüngere Generation bringt digitale Skills ganz selbstverständlich mit – aber nicht immer Führungserfahrung. Umgekehrt müssen erfahrene Führungskräfte lernen, digitale Natives zu führen, die mit anderen Erwartungen und Arbeitsweisen kommen. Richtig umgesetzt, entstehen hier wertvolle Synergien – Know-how trifft Mindset.

VC Magazin: Wie stellen sich PE/VC-Profis Ihrer Erfahrung nach auf die veränderten Anforderungen ein? Sind sie bereit, sich weiterzubilden und neue Kompetenzen zu entwickeln?

Sickmüller: Grundsätzlich ist die Branche extrem anpassungsfähig – sie war schon immer von hoher Dynamik und Wettbewerbsdruck geprägt. Die Frage ist daher selten ob jemand bereit ist, sich weiterzuentwickeln, sondern eher wie schnell. Wer dauerhaft in der Branche bestehen will, kommt an kontinuierlicher Weiterbildung nicht vorbei.

Wir sehen, dass viele Professionals sich aktiv neue Tools aneignen, sich mit Datenanalyse und KI beschäftigen oder sogar programmieren lernen – zumindest auf Basisniveau. Gleichzeitig sehen wir auch, dass sich die Vorstellung vom idealen Karriereweg verändert: Früher waren klassische Finance-Talente gefragt, heute punkten oft hybride Profile – Leute mit Tech-Backgrounds, Coding-Erfahrung oder Startup-DNA.

Und das hat auch eine logische Folge: Die Generation, die jetzt Führungsverantwortung übernimmt, ist in einer digitalisierten Welt sozialisiert worden. Sie bringt Veränderungsbereitschaft und Tool-Affinität ganz natürlich mit. Dadurch sinkt der Anpassungswiderstand, und der Wandel wird weniger als Bedrohung, sondern eher als Chance wahrgenommen.

VC Magazin: Der Einsatz von KI variiert deutlich zwischen den unterschiedlichen Segmenten der Branche. In welchen Bereichen der PE/VC-Branche ist der Einsatz von KI-gestützten Prozessen besonders ausgeprägt und wo werden weiterhin die Professionals benötigt?

Sickmüller: Besonders ausgeprägt ist der Einsatz von KI in Bereichen, in denen viele strukturierte Daten anfallen: etwa bei der Markt- und Wettbewerbsanalyse, der kommerziellen Due Diligence oder im Portfolio Monitoring. Hier helfen Algorithmen, Muster zu erkennen, Frühindikatoren zu identifizieren und Risiken besser zu bewerten – schneller und in größerem Umfang, als es ein Mensch allein je könnte.

Aber: KI kann keine Führungsteams einschätzen, keine Unternehmenskultur analysieren und auch keine Beziehung zu Gründern oder Co-Investoren aufbauen. Genau hier bleibt menschliche Expertise entscheidend – insbesondere bei der Bewertung von Soft Factors, Exit-Chancen oder strategischer Passung.

Zudem müssen regulatorische Anforderungen beachtet werden. Gerade im PE-Umfeld gibt es klare Regeln, was automatisiert entschieden werden darf – und was nicht. KI ist daher kein Selbstläufer, sondern ein Werkzeug, das bewusst und differenziert eingesetzt werden muss. Und wie stark dieser Einsatz ist, hängt stark vom Fokus und der Reife des Fonds ab: Frühphasige VC-Fonds arbeiten anders als Late-Stage-Investoren oder Buyout-Spezialisten.

VC Magazin: Die Verbindung von Technologie und Investment schafft aber das Potenzial für völlig neue Karrierewege. Welche neuen Jobprofile und Karrierewege könnten Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren in der Branche entstehen?

Sickmüller: Definitiv. Wir stehen am Anfang eines strukturellen Wandels – und mit ihm entstehen neue Rollenprofile. Schon heute beobachten wir, dass Fonds vermehrt Tech-Experten einstellen, etwa als „AI Strategy Consultants“, die die operative Einführung von KI im Investmentprozess begleiten. Oder als „Data Product Manager“, die Datenmodelle entwickeln, pflegen und mit Investmententscheidungen verzahnen.

Auch hybride Rollen wie „Tech-Driven Investment Manager“ gewinnen an Bedeutung – das sind Professionals, die einerseits klassische Investmentkompetenz mitbringen, andererseits aber auch tief in Technologien wie NLP, Machine Learning oder Automatisierung einsteigen können.

Langfristig könnte sich sogar ein ganz neuer Karrierepfad etablieren: Zwischen Investment,
Produktentwicklung und Technologie. Wer in diesem Spannungsfeld operieren kann, wird in der neuen PE/VC-Welt stark gefragt sein.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Über die Interviewpartnerin:

Pia Sickmüller ist seit über sechs Jahren im Executive Search tätig und arbeitete bei verschiedenen renommierten und weltweit tätigen Beratungen. Sie startete Ihre Karriere mit dem Besetzten von Schlüssel- und Führungspositionen im Asset Management, bei institutionellen Investoren und weiteren Arten von Finanzinstituten. Seit 2023 ist sie bei HAGER Executive Consulting, hier besetzt sie primär Führungspositionen bei Private Equity Fonds, Venture Capital Gesellschaften, (M)FMO und (PM) Asset Managern.