„Wir erhielten die bislang größte Finanzierungsrunde im europäischen Batterierecycling“

Interview mit Dr. Gideon Schwich, cylib

Dr. Gideon Schwich, cylib
Dr. Gideon Schwich, cylib

Bildnachweis: cylib.

Das Start-up cylib schafft eine Lösung für ein enormes Problem: nachhaltige Entsorgung von Traktionsbatterien, wie sie unter anderem in Elektroautos eingesetzt werden. Mitgründer und COO Dr. Gideon Schwich berichtet von der Skalierung des Start-ups mit Wachstumskapital.

VC Magazin: Welche Meilensteine konnten Sie seit der Gründung von cylib erreichen?

Schwich: Bei cylib heben wir das enorme Wertpotenzial von Altbatterien – nicht als Abfall, sondern als Rohstoffquelle der Zukunft. Unsere eigens entwickelte Technologie ermöglicht die effiziente Rückgewinnung kritischer Materialien und trägt aktiv zur Kreislaufwirtschaft in der Batterieindustrie bei. Ein bedeutender Meilenstein war 2023 die Inbetriebnahme unserer Pilotlinie in Aachen. Dort haben wir unsere Technologie erstmals im industriellen Maßstab erfolgreich validiert. Dieser Nachweis hat uns das Vertrauen erster Kunden aus Europa und Asien eingebracht. 2024 folgte der nächste Schritt mit dem Erwerb einer Industrieanlage im Chempark Dormagen. Dort skalieren wir unser Verfahren und bereiten den Produktionsstart für das erste Quartal 2027 vor. Auch finanziell sind wir stark aufgestellt. Im Mai 2024 haben wir die bislang größte Finanzierungsrunde im europäischen Batterierecycling abgeschlossen, mit Partnern wie Porsche Ventures, Bosch Ventures, dem DeepTech & Climate Fonds und NRW.Venture. Das ist ein starkes Zeichen für das Vertrauen in unser Team und unsere Vision. Besonders stolz macht uns, dass unsere Pilotlinie sämtliche Zellchemien und Geometrien von Lithium-Ionen-Batterien verarbeiten kann. Damit setzen wir technologische Standards für eine nachhaltige und unabhängige Rohstoffversorgung und stärken zugleich die Resilienz der europäischen Industrie.

VC Magazin: Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind wichtige Entwicklungen, um die Klimaziele zu erreichen – dennoch rückten die Themen seit letztem Jahr durch den KI-Hype mehr in den Hintergrund. Wie nehmen Sie das Interesse der Investoren an Ihrer Branche derzeit wahr?

Schwich: Das Interesse am Batterierecycling nimmt deutlich zu. Wir erleben eine neue Ernsthaftigkeit in Gesprächen mit Investorinnen und Investoren. Der Sektor gilt zunehmend als strategischer Eckpfeiler einer nachhaltigen europäischen Industriepolitik. Die Gründe liegen auf der Hand: Wer über Resilienz spricht, spricht über Rohstoffsicherheit; wer Wettbewerbsfähigkeit stärken will, denkt über stabile und regionale Wertschöpfungsketten nach. Batterierecycling vereint beides, reduziert Abhängigkeiten und schont Ressourcen. Mit dem Clean Industrial Deal hat die EU einen starken Rahmen geschaffen. Er zeigt, dass nachhaltige Industrie wirtschaftliche Notwendigkeit ist. Das spiegelt sich auch in Investitionsentscheidungen wider. Das Momentum ist da, und es wächst weiter.

VC Magazin: Als Hardware-Start-up sind Sie auf ausreichend Kapital in der Skalierung angewiesen. Auf welche Finanzierungsinstrumente haben Sie bei der Skalierung von cylib gesetzt?

Schwich: In weniger als 24 Monaten konnten wir die bislang größte Finanzierungsrunde
im europäischen Batterierecycling abschließen. Angeführt wurde die Runde von World Fund und Porsche Ventures. Ergänzt wurde das Konsortium durch Bosch Ventures, den DeepTech & Climate Fonds, NRW.Venture sowie unsere bestehenden Partner Vsquared Ventures, Speedinvest, 10x Founders und erfahrene Business Angels. Besonders bemerkenswert ist die Breite des Investorenfelds. Akteure aus Climatetech, Deeptech, Industrie und institutionelles Kapital ziehen gemeinsam mit uns an einem Strang. Das zeigt, wie strategisch relevant Batterierecycling heute ist. Außerdem unterstützt das Land NRW mit einem zweistelligen Millionenbetrag über das Förderprogramm Produktives. NRW und zeigt dadurch ebenfalls großes Vertrauen in unsere Technologie, in unser Team sowie Partnernetzwerk.

VC Magazin: Wie hat sich für Sie die Suche nach Wachstumskapital gestaltet, welche Hürden mussten Sie nehmen?

Schwich: Die Suche war für uns insgesamt sehr konstruktiv. cylib wird als zentraler Akteur in der nachhaltigen Rohstoffversorgung wahrgenommen. Investoren erkennen die Relevanz unseres Themas und sehen uns als wichtigen Treiber der Kreislaufwirtschaft. Gleichzeitig war es entscheidend, unsere technologische Leistungsfähigkeit klar zu validieren und eine überzeugende Marktposition aufzubauen. Das hat uns geholfen, gezielt strategische Investoren für unsere Mission zu gewinnen.

VC Magazin: Was raten Sie Gründern bei der Suche nach Wachstumskapital in diesen wirtschaftlich herausfordernden Zeiten?

Schwich: Ein starkes Netzwerk ist unverzichtbar. Der Austausch mit erfahrenen Branchenexperten erleichtert strategische Entscheidungen und öffnet Türen zu Kapitalgebern. Ebenso wichtig ist eine klare Zielsetzung für die Finanzierungsrunde, gestützt durch belastbare Proofpoints. Investoren erwarten Substanz, Skalierbarkeit und Marktpotenzial. Und nicht zuletzt zählt die präzise Kommunikation des technologischen Alleinstellungsmerkmals. Wer sein Innovationspotenzial klar herausstellt, kann auch in schwierigen Zeiten überzeugen.

VC Magazin: Was braucht Deutschland aus Ihrer Sicht politisch und wirtschaftlich, um in Sachen Anschlussfinanzierung mit europäischen und internationalen Fonds mithalten zu können?

Schwich: Deutschland braucht ein Umfeld, das Gründerinnen und Gründern in der
Skalierung echten Rückenwind gibt. Der Zugang zu Fremdkapital muss einfacher werden – sonst verlieren wir im internationalen Vergleich an Tempo. Zuschüsse und strukturelle Förderungen sind zentral, um technologische Innovationen schneller in den Markt zu bringen. Gleichzeitig müssen Genehmigungsprozesse deutlich effizienter werden. Und schließlich braucht es ein gestärktes Venture Capital-Ökosystem. Zukunftstechnologien brauchen langfristige Partner mit Mut und Weitblick.

VC Magazin: Welche Pläne und Ziele haben Sie für cylib in den nächsten fünf Jahren gesetzt?

Schwich: Unser Ziel ist der Aufbau einer industriellen Recyclinglinie, die Europa mit nachhaltigen Batterielösungen versorgt und zirkuläre Wertschöpfung schafft. So leisten wir einen Beitrag zur Rückgewinnung kritischer Rohstoffe und stärken die Batterieindustrie durch mehr Unabhängigkeit. Gleichzeitig treiben wir die Expansion international voran, entwickeln zusätzliche Kapazitäten und bringen unsere Technologie in Märkte mit hoher Nachfrage. Der weltweite Bedarf wächst stetig, und wir wollen diese Transformation aktiv mitgestalten.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Über den Interviewpartner:

Dr. Gideon Schwich ist Mitgründer und COO der cylib GmbH, einem Batterierecycling-Unternehmen. Er hat Wirtschaftsingenieurwesen (M.Sc.) an der RWTH Aachen studiert und in Produktionstechnik promoviert. Er leitete das Nachhaltigkeitsteam bei der Beratung
umlaut, die später von Accenture übernommen wurde. Im Jahr 2022 gründete er gemeinsam mit Dr. Lilian Schwich und Paul Sabarny cylib.