„Die Umsetzung hoher Zölle ist politisch und wirtschaftlich kaum durchhaltbar“

Interview mit Thomas Weinmann, REIA Capital

Thomas Weinmann, REIA Capital
Thomas Weinmann, REIA Capital

Bildnachweis: REIA Capital, VentureCapital Magazin, Pixabay.

Im Interview mit dem VC Magazin spricht REIA-Geschäftsführer Thomas Weinmann über die fragile Marktlage im Bereich Private Equity nach Jahren der Dauerkrise, die protektionistische Handelspolitik der USA und wo aktuell Investitionschancen wachsen. Außerdem erklärt er, weshalb ESG nicht abgeschafft, sondern klüger umgesetzt werden muss – und wie sich die deutsche Nachfolgekultur langsam, aber grundlegend wandelt.

VC Magazin: Herr Weinmann, wie beurteilen Sie den Status quo des Private Equity-Markts in Deutschland und welchen Anteil daran hat die protektionistische Zollpolitik der USA?

Weinmann: Seit dem Beginn des Ukrainekriegs ist der deutsche Private Equity-Markt durch geopolitische und wirtschaftliche Unsicherheiten strukturell belastet. Die leichte
Erholung im zweiten Halbjahr 2024 wurde durch die Zollthematik vorerst erstickt: Die Ankündigungen aus den USA haben in Europa und insbesondere in Deutschland als klassischer Exportnation im wichtigen Large Cap-Segment zu einem faktischen Marktstillstand geführt. Derzeit hängt die Transaktionsfähigkeit besonders stark von Branche, Geschäftsmodell und Unternehmensgröße ab. Robuste lokale und kapitalmarktunabhängige Geschäftsmodelle insbesondere im Small Cap-Segment bleiben aktiv. Im Gegensatz dazu stocken die großen Deals international agierender Unternehmen, die auch über High-Yield-Bonds oder komplexe Strukturen finanziert werden müssen. Exits über Börsengänge sind in Zeiten hoher Volatilität selten bis unmöglich.

VC Magazin: Wo sehen Sie derzeit die verlässlichsten Wachstumstreiber im Private Equity-Markt?

Weinmann: Der Gesundheitssektor ist krisenresistent, da demografisch getrieben. Technologie ermöglicht Effizienzgewinne in fast jeder Branche. Der Bereich Defence gewinnt an Relevanz, ist derzeit jedoch eher ein Thema für Venture- und Large Cap-Investoren als für unser Sub-100-Mio.-EUR-Segment. Besonders spannend ist der Bereich Infrastruktur: Der Sanierungsstau bei Netzen, Straßen und der Energieversorgung bietet langfristige Chancen. Speziell die Energieübertragung rückt wieder in den Fokus, da die Einspeisung von erneuerbaren Energien die Netze zunehmend überlastet. Spanien mit dem jüngsten Blackout war kein Ausreißer, sondern ein Vorbote. Interessant können hier Dienstleister und Komponentenhersteller für die erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen sein. Konsumthemen bleiben dagegen Beiwerk. Angesichts der geopolitischen Unsicherheiten meiden wir global operierende Geschäftsmodelle – lokalen Geschäften innerhalb der EU oder der USA ist vielleicht noch Planbarkeit gegeben, transkontinental jedoch aktuell kaum. Dringend notwendig ist der Abbau von Investitionsstaus, insbesondere im Bereich der öffentlichen Beschaffung. Nehmen wir die Verteidigung: Der deutsche Staat könnte sofort investieren, aber oft scheitert es an ineffizienter oder überregulierter Beschaffung. Ich bin kein Gegner von Regulierung; ganz im Gegenteil, so ist uns Kundenschutz sehr wichtig. Aber man muss erkennen, wo Regulatorik zur Wachstumsbremse wird. Und: Wer investiert, muss reale Leistung mitdenken – Wohlstand entsteht nicht durch Stillstand.

VC Magazin: Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung rund um ESG, Nachhaltigkeit und Diversität?

Weinmann: Was wir derzeit in Teilen der USA sehen – das Zurückdrängen dieser Themen –, ist aus unserer Sicht strategisch unklug. Viele ESG-Aspekte sind regelmäßig ökonomisch sinnvoll und wirken risikomindernd, teils auch wertschöpfend. Wer seine Ressourcen schützt, sichert sein Geschäftsmodell. Gerade in Private Equity mit relativ kurzen Haltefristen ist ESG effektives Risikomanagement. In Europa dagegen beobachten wir derzeit einen gesunden Kurswechsel: weniger ideologisch, mehr pragmatisch. Übertreibungen werden hinterfragt, ohne die Grundprinzipien infrage zu stellen. Das ist der richtige Weg: nicht abschaffen, sondern intelligent anwenden.

VentureCapital Magazin 04/2025 online!
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VC Magazin: Wie erleben Sie die Nachfolgekultur im deutschen Mittelstand im Hinblick auf Private Equity als Käuferoption?

Weinmann: Die Nachfolgethematik ist in der DACH-Region ein echter Megatrend. Wir stehen vor einem Generationenwechsel. Dabei erkennen Familienunternehmer heute eher an, wenn die Kinder andere Wege gehen. Unsere Erfahrung ist: Wenn wir frühzeitig, transparent und mit unternehmerischem Verständnis agieren, ist Private Equity ein willkommener Partner für eine nachhaltige Unternehmenszukunft. Nicht zu unterschätzen ist außerdem die zunehmende Krisenmüdigkeit: Wer heute 65 Jahre oder älter ist, keinen internen Nachfolger hat und seit fünf Jahren von einer Krise in die nächste taumelt – von Corona über Ukrainekrieg bis hin zu Inflation, Zinswende und geopolitischen Spannungen –, der sagt irgendwann: „Es reicht.“ Im internationalen Vergleich – etwa zu den USA – hinkt Deutschland trotzdem noch immer hinterher. Warum? Private Equity gibt es dort schlicht länger. Und die Investmentkultur ist eine andere. In Deutschland haben wir traditionell ein Faible für Sparbuch und Anleihe – das ändert sich, aber eben langsam.

VC Magazin: Wie steht es um das Fundraising?

Weinmann: Das Umfeld ist anspruchsvoller als noch vor wenigen Jahren. Institutionelle Investoren sind selektiver, der Druck zur ESG-Compliance und Differenzierung ist spürbar. Zugleich beobachten wir eine Polarisierung: Große Fonds bekommen weiterhin relativ problemlos Mittel – für spezialisierte oder kleinere Häuser ist die Kapitalbeschaffung jedoch arbeitsintensiver geworden. Unser Fokus liegt daher auf klaren Investmentthesen, sektoraler Expertise und vertrauensvollen Beziehungen zu langfristig orientierten GPs.

VC-Magazin: Geben Sie uns gern noch einen Ausblick!

Weinmann: Binnen sechs Monaten rechne ich mit einer spürbaren Aufhellung der Marktlage – in Deutschland, Europa und den USA. Das Thema Zölle wird sich aus meiner Sicht deutlich abschwächen, da die wirtschaftlichen Folgen – etwa Lieferkettenstörungen und Inflationsdruck – in den USA bereits jetzt sichtbar werden. Die Umsetzung hoher Zölle ist politisch und wirtschaftlich wenig sinnvoll und deshalb kaum durchhaltbar. Die aktuelle Phase schadet der globalen Wirtschaft erheblich, aber sie ist temporär. Private Equity als Anlageklasse bleibt auch in turbulenten Zeiten wie diesen attraktiv. Die Branche hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie es versteht, schnell auf Veränderungen zu reagieren. Die Transaktionen werden auch wieder anziehen, weil die Fonds weiterhin unter Anlagedruck stehen. Wer als Investor jetzt ausreichend Kapital hat, kann selektive Chancen nutzen und wird hierfür in den nächsten Jahren mit Überrenditen belohnt werden.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Über den Interviewpartner:

Thomas Weinmann ist Gründer von REIA Capital, seit mehr als 25 Jahren im Private Equity-Bereich aktiv und kennt die Branche als Private Equity- und Dachfondsmanager. Zudem ist er in mehreren Verwaltungsräten für Single Family Offices tätig.