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Als Überbrückungsfinanzierung vor einer Finanzierungsrunde haben sich in Deutschland standardisierte Wandeldarlehensverträge eingebürgert. Sie vermeiden eine Bewertungsdiskussion im Zeitpunkt der Finanzierung, bringen aber aufgrund ihres Fremdkapitalcharakters erhebliche Nachteile gerade für Start-ups mit sich. Dabei wäre in Form von „Simple Agreements for Future Shares“ (SAFS) eine Überbrückungsfinanzierung bis zur Übernahme einer entsprechenden Anzahl von Geschäftsanteilen oder Aktien auch in Form von Eigenkapital ohne Weiteres möglich.
Schwachstellen von Wandeldarlehen
„Unternehmen in Schwierigkeiten“ von Fördermaßnahmen ausgenommen
Nach der Definition von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ in Art. 2 Nr. 18a S.1 AGVO sind dies unter anderem GmbHs, die infolge aufgelaufener Verluste mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals verloren haben; ausgenommen KMU, die noch keine drei Jahre bestehen. Venture Capital-finanzierte Start-ups erzielen aber gerade in der Anfangsphase aufgrund ihrer F&E-Anstrengungen erhebliche Verluste und werden häufig über nachrangige Wandeldarlehen finanziert. Da diese bilanziell und auch steuerlich Fremdkapital darstellen, steht die Finanzierung über Wandeldarlehen der späteren Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel entgegen. Dies gilt für Förderprogramme wie GO-Bio, aber auch für die steuerliche Forschungszulage, § 9 Abs. 2 FZulG, oder den INVEST-Zuschuss für Wagniskapital.
Steuerliche Risiken der Wandlung
Ferner hat die Einbringung von Forderungen im Rahmen der Wandlung steuerliche Tücken: Denn der durch die Wandlung bewirkte Wegfall der Verbindlichkeit führt bei der Kapitalgesellschaft, also dem Start-up, grundsätzlich zu einer Gewinnerhöhung, soweit die eingebrachte Forderung nicht werthaltig ist. Im Fall einer bilanziellen Überschuldung des Start-ups kann in der Regel nicht von (voller) Werthaltigkeit der eingebrachten Forderungen ausgegangen werden. Im Rahmen einer Finanzierungsrunde kann die gleichzeitige Zufuhr weiteren Eigenkapitals als Argument für die Werthaltigkeit der gleichzeitig eingebrachten Wandeldarlehensforderungen dienen; in anderen Fällen kann sich die Begründung der Werthaltigkeit aber als schwierig darstellen. Ein durch die Einbringung nicht werthaltiger Forderungen entstehender außerordentlicher Ertrag kann nur durch den operativen Verlust des laufenden Geschäftsjahres oder auch durch etwaige Verlustvorträge bei Anwendung der Mindestbesteuerung im Sinne des § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG neutralisiert werden (Abzug bis 1 Mio. EUR unbeschränkt, darüber hinaus 70%).
Form
Überdies treten bei Wandeldarlehen, die eine Pflicht zur Wandlung für gesellschaftsfremde Darlehensgeber vorsehen, nach einem Urteil des OLG Zweibrücken vom 17. Mai 2022 Wirksamkeitsbedenken bei nur privatschriftlicher Abfassung des Wandeldarlehensvertrags auf. Das OLG Zweibrücken hatte für diesen Fall (allerdings auch nur für diesen) das Erfordernis einer notariellen Beglaubigung der Unterschrift des Wandeldarlehensgebers verlangt und gelangte hierüber zu einer Gesamtunwirksamkeit des Darlehensvertrags, ohne die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion zu bedenken.
Die Alternative der Equity Bridge
Die soeben beschriebenen Nachteile werden im Fall der Vorfeldfinanzierung durch Eigenkapital vermieden. Dabei ist zwischen der Zufuhr von Eigenkapital durch bereits beteiligte Gesellschafter und noch nicht beteiligte Investoren zu unterscheiden.
Sonstige Zuzahlungen in die Kapitalrücklage
Zuzahlungen in die Kapitalrücklage setzen gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB voraus, dass die Zuzahlung von einem „Gesellschafter“ geleistet wird. Demnach scheidet eine Zuzahlung in die Kapitalrücklage für noch nicht als Gesellschafter beteiligte Kapitalgeber aus. Für bereits beteiligte Gesellschafter kommt dies hingegen sehr wohl infrage. Sie werden dann aber, entsprechend der Gestaltung beim Wandeldarlehen, auf einem Recht zum Bezug weiterer Anteile im Rahmen einer folgenden Finanzierungsrunde bestehen. Dabei wird die gleiche Formel gelten, nämlich dass das vor der Durchführung der Kapitalerhöhung eingetragene Stammkapital multipliziert wird mit dem Quotienten aus der Zuzahlung in die Kapitalrücklage und der der Finanzierungsrunde zugrunde gelegten Pre-Money-Unternehmensbewertung (gegebenenfalls modifiziert durch einen Discount oder Cap). Ferner wird auch hier, entsprechend den Konditionen des Wandeldarlehensvertrags, vorgesehen werden, dass die geleisteten Zuzahlungen im Rahmen einer folgenden Finanzierungsrunde in gleicher Weise vorrangig behandelt werden wie das im Rahmen der Finanzierungsrunde geleistete Kapital (insbesondere also, dass sie unter eine erstrangige Liquidationspräferenz fallen). Ein schenkungsteuerliches Risiko aufgrund einer disquotalen Einlage wird durch die Vereinbarung solcher Vorrechte vermieden, da hierdurch eine endgültige Vermögensverschiebung zugunsten der Mitgesellschafter ausgeschlossen wird. Das Optionsrecht kann durch genehmigtes Kapital gemäß § 55a GmbHG abgesichert werden.
Eigenkapitalähnliches Genussrechtskapital
Für noch nicht beteiligte Investoren kommt statt eines Wandeldarlehens die Gewährung eigenkapitalähnlichen Genussrechtskapitals verbunden mit einem durch genehmigtes Kapital abgesicherten Optionsrecht auf den Erwerb von Anteilen in Betracht. Da es keiner Wandlungspflicht bedarf, greift das Formbedenken des OLG Zweibrücken in diesem Fall nicht. Der Abschluss des Genussrechtsvertrags ist mithin stets formfrei. Handelsbilanziell werden Genussrechte bei der Emittentin als Eigenkapital eingestuft, gleich ob es durch einen Anteilseigner oder einen fremden Dritten zugeführt wird, wenn
• die Kapitalüberlassung nachrangig ausgestaltet wird,
• die Vergütung erfolgsabhängig ist,
• eine Beteiligung am Verlust bis zur vollen Höhe des überlassenen Kapitals besteht und
• die Kapitalüberlassung langfristig erfolgt.
Steuerlich ist das Genussrechtskapital unabhängig von der handelsbilanziellen Einstufung als Fremdkapital zu behandeln, wenn das Kapital nur auf Zeit (auch wenn langfristig) überlassen sein soll, also ein Rückzahlungsanspruch vorbehalten bleibt, so das BMF-Schreiben vom 11. April 2023 zur steuerlichen Behandlung von Genussrechten. Im Fall eines „schuldrechtlichen Kapitalüberlassungsverhältnisses“, das einen Rückzahlungsanspruch voraussetzt, stuft das BMF-Schreiben von fremden Dritten gewährtes Genussrechtskapital als Fremdkapital ein. Für die Equity Bridge erfolgt die Einzahlung ins Eigenkapital aber ohne Rückzahlungsvorbehalt. Für den Genussrechtsinhaber gilt § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (wenn nicht § 8b Abs. 2 KStG). Danach zählen Bezüge aus Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Zu beachten ist, dass die Vereinbarung der nachrangigen Auszahlung eines Rückkaufwerts im Liquidationsfall der Beteiligung an den stillen Reserven nicht gleichsteht (BFH, Urt. v. 14.6.2005 VIII R 73/03). Für die Ausgabe des Genussrechtskapitals bedarf es, wie bei Wandeldarlehen, nicht zwingend einer Bewertung der Gesellschaft. Den Vorgaben an Eigenkapital kann auch dadurch genügt werden, dass eine gewinnabhängige Vergütung in Höhe eines prozentualen Aufschlags auf den Nennbetrag und eine Beteiligung am Verlust und Liquidationserlös anteilig im Verhältnis zu sonstigem Nachrangkapital und in der Bilanz ausgewiesenem Eigenkapital vorgesehen wird.
Fazit
An die Stelle der Überbrückungsfinanzierung mit Wandeldarlehen bei Start-ups sollte die Zufuhr von Eigenkapital durch bereits beteiligte Gesellschafter oder von eigenkapitalähnlichem Genussrechtskapital durch noch nicht beteiligte Investoren, jeweils verbunden mit einem Optionsrecht auf den Bezug von Anteilen in einer weiteren Finanzierungsrunde, treten. Auch diese Form der Überbrückungsfinanzierung sollte entsprechend den Wandeldarlehen in den INVEST-Zuschuss für Wagniskapital einbezogen werden.

Über den Autor:
Dr. Wolfgang Weitnauer ist Gründungspartner von WIPIT Partnerschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater mit Sitz in München.



