Steht uns 2026 eine neue M&A-Welle in Deutschland bevor?

Kommentar

Dr. Michael R. Drill (Lincoln International)
Dr. Michael R. Drill (Lincoln International)

Bildnachweis: Lincoln International.

Das M&A-Geschehen unterlag in den vergangenen Jahrzehnten starken Schwankungen; entsprechend durchlebten M&A-Berater, Finanzinvestoren und Transaktionsanwälte in dieser Zeit ausgeprägte Höhen und Tiefen.

Vor genau 25 Jahren fand in Deutschland ein regelrechter M&A-Boom statt, der von der New Economy und Telekomindustrie ausgelöst wurde. Die Globalisierung und das Aufkommen der Private Equity-Investoren führten bis zum Jahr 2007 zu einem stetigen Wachstum sowohl beim Transaktionsvolumen als auch bei der Anzahl der Deals. Mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 folgte sodann ein abrupter und massiver Abschwung.

Markterholung bis der Lockdown kam

In dem Jahrzehnt zwischen 2010 und der Coronapandemie erholte sich die M&A-Aktivität wieder auf ein gesundes Niveau. Nach dem ersten Lockdown 2020 und der damit verbunden regelrechten Schockstarre konnte für Deutschland 2021 infolge des Dealstaus und der zunehmenden Bedeutung der Digitalisierung ein Allzeithoch bei Fusionen und Übernahmen festgestellt werden. Seitdem ist es am deutschen M&A-Markt wieder ruhig geworden. Schlechte Konjunkturprognosen, hohe Energiekosten, rückläufiger Konsum, hohe Einfuhrzölle in den USA, der schwächelnde US-Dollar und der anhaltende Krieg in der Ukraine sind schwierige Rahmenbedingungen für M&A-Transaktionen. In Zeiten enormer wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheiten im Zusammenhang mit zukunftsgerichteten Businessplänen ist es herausfordernd, zwischen Käufer und Verkäufer eine Einigung bei der Unternehmensbewertung zu finden.

„Mittelstandswelle“ in Sicht

Trotz der allgemein nach wie vor gedrückten Stimmung spricht jedoch einiges dafür, dass sich der deutsche M&A-Markt im kommenden Jahr deutlich erholen wird – nicht zuletzt aufgrund einer von vielen M&A-Experten erwarteten „Mittelstandswelle“. Höhere Anforderungen an die kritische Unternehmensgröße, Nachfolgethemen bei Familiengesellschaften und die wachsende Bedeutung digitaler Geschäftsmodelle und KI-Anwendungen zwingen viele mittelständische Unternehmen zu mutigen Akquisitionsstrategien oder aber zum Verkauf an einen größeren oder finanzstarken Partner. Die anhaltend hohen Aktienkurse börsennotierter Großkonzerne verleiten Vorstände dazu, aktiv über Zukäufe nachzudenken. Vielerorts lassen sich die aktuellen Bewertungen nämlich nur dann nachhaltig rechtfertigen, wenn die Unternehmen nicht nur organisch, sondern insbesondere auch anorganisch wachsen. Gleichzeitig verfügen Private Equity-Investoren über beträchtliche Bargeldbestände und stehen damit unter enormem Anlagedruck, für die eingesammelten Gelder passende Übernahmekandidaten zu finden.

Fusionen in nahezu allen Branchen

In nahezu allen Branchen werden Fusionen und Übernahmen stattfinden, wobei der Anteil konjunkturunabhängiger Branchen weiter zulasten der zyklischen Industriesektoren zunehmen wird. Überdurchschnittliche M&A-Aktivitäten sehen wir in den Bereichen Software, künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Infrastruktur, erneuerbare Energien, Technologie, Medizintechnik, Gesundheitswesen und bei inhabergeführten Versicherungsmaklern. Eine Sonderkonjunktur bei M&A erwarten wir zudem im zunehmend unter Druck geratenen Einzelhandel und in der schwächelnden Automobilzuliefererindustrie. Gerade in diesen Sektoren bieten sich Chancen durch Distressed M&A, Turnarounds oder Restrukturierungen.

Fazit

Aufgrund des bisherigen „Transaktionsstaus“ ist für 2026 eine um rund 20% höhere M&A-Aktivität mit deutschen Zielunternehmen zu erwarten als im Jahr 2025. Unsere Deal-Pipeline sowie die zahlreichen Gespräche mit Familiengesellschaftern, Großunternehmen und Finanzinvestoren bestätigen diesen positiven Ausblick. Der deutsche M&A-Markt wird somit auch in Zukunft für das VentureCapital Magazin, welches heuer sein 25-jähriges Jubiläum feiert, spannende und interessante Storys liefern.

Über den Autor:

Dr. Michael R. Drill ist Deutschlandchef von Lincoln International, einer auf M&A-Beratung spezialisierten Investmentbank mit weltweit über 1.300 Mitarbeitern. Im Zeitraum Januar bis August 2025 hat Lincoln International in Deutschland bereits 25 M&A-Transaktionen erfolgreich abgeschlossen.