Bildnachweis: IvanovLegal.
Radoslav Ivanov, PgD (Oxford), Gründer der Kanzlei IvanovLegal, spricht über ungleiche Kapitalverteilung in Europa, Chancen durch stärkere Netzwerke und rechtliche Stolperfallen bei Internationalisierung und US-Flips. Sein Credo: Vernetzung und Struktur sind entscheidend für nachhaltiges Wachstum.
VC Magazin: In den USA wird weltweit am meisten an Venture Capital in Jungunternehmen investiert, auch innerhalb Europas gibt es zum Beispiel mit London und Paris etablierte Ökosysteme, während andere Regionen weniger Aufmerksamkeit erhalten. Wie bewerten Sie diese Fokussierung der Venture Capitalisten auf einzelne Ökosysteme?
Ivanov: Die Fokussierung von Venture Capital auf etablierte Ökosysteme ist aus Investorensicht nachvollziehbar – sie bieten dichte Netzwerke, hohe Exit-Aktivität und erprobte Strukturen. Gleichzeitig führt diese Konzentration zu einer ungleichmäßigen Verteilung von Kapital und Talenten in Europa. Deutschland verfügt zwar über eine starke Innovationsbasis, erhält im Vergleich zu den USA jedoch noch immer weniger Wachstumsfinanzierung, insbesondere in der frühen Skalierungsphase. Noch deutlicher zeigt sich dieses Gefälle in der CEE-Region, wo eine wachsende Zahl exzellenter Gründerteams weiterhin begrenzten Zugang zu institutionellem Kapital und erfahrenen Mentoren hat.
VC Magazin: Wie könnte die ungleiche Verteilung des Kapitals innerhalb Europas aus Ihrer Sicht optimiert werden? Welche Chancen bieten hier stärkere europäische Netzwerke, um mehr zusammenzuwachsen?
Ivanov: Die ungleiche Verteilung des Kapitals in Europa ist weniger ein Ressourcenproblem
als eines der Vernetzung und Wahrnehmung. Europäische Netzwerke und unternehmerische Communitys spielen hier eine Schlüsselrolle. Initiativen wie „The Bridge“ in Bulgarien, „Endeavor“ oder regionale Diaspora-Communitys schaffen genau die Brücken, die institutionelle Strukturen oft noch vermissen lassen: Sie verbinden Gründer, Investoren und Mentoren aus unterschiedlichen Ökosystemen, fördern gegenseitiges Vertrauen und erleichtern erste Co-Investments oder Markteintritte. Langfristig können wir so eine echte europäische Venture-Landschaft schaffen, in der Kapital nicht national oder regional gedacht wird, sondern entlang gemeinsamer Werte, Talente und Innovationsthemen fließt.
VC Magazin: Die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells ist ausschlaggebend für ein Investment. Damit einher geht auch der Druck auf Start-ups, sich international aufzustellen. Was raten Sie Gründern, die diesen Anspruch seitens der Investoren spüren, und welche Fallstricke lauern bei der Internationalisierung?
Ivanov: Es gibt keine universelle Internationalisierungsstrategie. Jedes Geschäftsmodell muss zunächst gegen das Wachstumsmodell und die Marktlogik des Zielstaats geprüft werden; erst dann kann eine belastbare Strategie entwickelt werden. Das Momentum spielt auch eine wichtige Rolle – zu frühe Expansion bindet Ressourcen, zu spätes Handeln kostet Marktanteile. Besondere Aufmerksamkeit verdienen kritische Technologien/Dual Use, die unter Exportkontrollen beziehungsweise FDI-Regularien fallen. Gründer sollten daher frühzeitig die passenden rechtlichen und strukturellen Weichenstellungen vornehmen, um Markteintritt, Finanzierung und regulatorische Compliance langfristig abzusichern. Internationalisierung ist also weit mehr als ein Vertriebs- oder Marketingthema: Sie erfordert ein integriertes Zusammenspiel von Strategie, Recht, Steuern und Compliance, um nachhaltiges Wachstum zu sichern und Investorenvertrauen aufzubauen.
VC Magazin: Welche Chancen, aber auch Risiken bei der Internationalisierung bietet aus Ihrer Sicht ein US-Flip, um mehr amerikanische Investoren an Bord zu holen? Auf welche rechtliche Ausgestaltung sollten Start-ups achten?
Ivanov: Ein US-Flip kann strategisch sinnvoll sein, um US-Investoren und (Kapital-)Märkte
zu erschließen. Dabei wird meist eine Delaware C-Corporation als Holding über die europäische Einheit gelegt; bestehende Gesellschafter tauschen ihre Anteile gegen Beteiligungen an der neuen US-Holding. Zwischen den Gesellschaften wird eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, die einen Leistungsaustausch zu marktüblichen Bedingungen sicherstellt – ein sogenanntes Master Intercompany Services Agreement. Wichtig sind eine steuerlich saubere Strukturierung, insbesondere Transfer Pricing, korrekte Übertragung von IP und klare Governance-Regeln. Zunehmend relevant sind Risiken durch das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS): Das US-Gremium kann ausländische Beteiligungen an US-Unternehmen prüfen, wenn diese in kritischen Technologien, Daten oder Infrastruktur („TID business“) tätig sind. Auch europäische Investoren können betroffen sein. Das CFIUS kann Transaktionen untersagen oder Auflagen verlangen, etwa Informationsbeschränkungen oder Governance-Anpassungen.
Gründer sollten daher früh prüfen, ob ihr Geschäftsmodell CFIUS-relevant ist (insbesondere
KI), und entsprechende Compliance- und Mitigation-Strukturen einplanen.
VC Magazin: Während sich US-Investoren zuletzt zögerlicher zeigten, scheint seit Sommer trotz politischer Unsicherheiten wieder mehr Interesse am deutschen Markt zu bestehen. Welche Erwartungen haben Sie für das kommende Jahr hinsichtlich Aktivitäten US-amerikanischer Wagniskapitalgeber hierzulande?
Ivanov: Ich rechne im kommenden Jahr mit einer spürbaren Wiederbelebung des US-Interesses. Nach einer Phase der Zurückhaltung infolge hoher Zinsen und geopolitischer Unsicherheit rücken wieder substanzielle Tech-Themen wie KI, Climatetech und Industriesoftware in den Fokus. New Space ist auch zu berücksichtigen. Deutschland gilt als stabiler Standort mit starker Ingenieurkultur, wachsender Deeptech- beziehungsweise New Space-Szene und planbarer Regulierung. US-Fonds suchen zunehmend strategische Co-Investments mit europäischen Partnern, um regulatorische Hürden und Marktrisiken zu minimieren. Insgesamt erwarte ich kein „Venture Capital-Boomjahr“, aber eine qualitativ selektive Rückkehr amerikanischen Kapitals, getrieben von Technologiekompetenz und europäischer Resilienz.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Über den Interviewpartner:
Radoslav Ivanov, PGD (Oxford), ist ein deutscher Rechtsanwalt und Gründer der Kanzlei IvanovLegal, die sich auf Venture Capital und grenzüberschreitende Transaktionen spezialisiert hat. Die Kanzlei begleitet Start-ups, Tech-Unternehmen und Investoren aus Deutschland und CEE mit einem modernen, praxisorientierten Ansatz. IvanovLegal steht für unternehmerisches Denken, Effizienz und internationale Perspektive.



