Bildnachweis: GSK Stockmann.
Investitionen in Defencetech-Unternehmen haben sich in Europa in sehr kurzer Zeit von einem Nischensegment zu einem strategisch relevanten Wachstumsmarkt entwickelt. Was vor wenigen Jahren für viele Venture Capital- und Private Equity-Investoren noch undenkbar war, hat aufgrund der aktuellen geopolitischen Entwicklungen („Zeitenwende“), der Neuausrichtung staatlicher Beschaffung sowie der zunehmenden Kommerzialisierung und Massenproduktionstauglichkeit sicherheitsrelevanter Technologien (zum Beispiel im Drohnenbereich) dazu geführt, dass Venture Capital- und Private Equity-Investoren zunehmend in Defencetech-Unternehmen investieren dürfen – häufig aufgrund angepasster Fondsbestimmungen.
Im Defence-Sektor gelten rechtliche Rahmenbedingungen, die erheblich komplexer und strenger sind als bei den meisten Investments in andere Tech-Unternehmen und die Venture Capital- und Private Equity-Investoren zwingend berücksichtigen müssen.
Eigentümerstruktur und Sicherheitsanforderungen – Wer darf investieren?
Der Defence-Sektor unterscheidet nicht zwischen Venture Capital und Private Equity. Entscheidend sind die Herkunft der Investoren und ihr tatsächlicher Einfluss auf das Unternehmen nach dem Investment. Investoren aus Nicht-EU-/Nicht-NATO-Staaten, Sovereign Wealth Funds oder intransparenten Strukturen können schnell als sicherheitskritisch gelten. Dabei können auch schon geringe Beteiligungen relevant sein, zum Beispiel, wenn mit ihnen Vetorechte, Beirats- oder Aufsichtsratssitze (Board Seats) oder Einsichtsrechte verbunden sind. Es kommt dabei stets auf eine Gesamtbetrachtung an. Beim Erwerb von Mehrheitsbeteiligungen stellen sich diese und die nachfolgenden Themen in noch deutlich verschärfter Form. Im Folgenden soll es jedoch um Minderheitsbeteiligungen gehen. In stark regulierten Industrien ist der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung durch Private Equity-Investoren zwar weiterhin keineswegs ungewöhnlich – die Praxis zeigt jedoch, dass sich in diesen Segmenten zunehmend auch Minderheitsbeteiligungen als geeignete Beteiligungsform anbieten. Dies liegt nicht zuletzt an den teils erheblichen regulatorischen Anforderungen, die bei der Übernahme von Kontrollmehrheiten ausgelöst werden können. Minderheitsbeteiligungen stellen daher – gerade im Defence-Sektor – eine in der Praxis verbreitete und strategisch sinnvolle Alternative zur klassischen Mehrheitsübernahme dar.
Foreign Direct Investment (FDI)
Jede Venture Capital-Runde und jedes Private Equity-Investment kann FDI-relevant sein. Meldepflichten bestehen häufig ab 10% Stimmrechten – unabhängig von Einfluss oder Unternehmensgröße. Das bedeutet sehr häufig: Unterzeichnung (Signing) und Vollzug (Closing) müssen getrennt werden. Prüfprozesse können Monate dauern, Untersagungen
oder Auflagen sind möglich. Wichtig ist deshalb neben genauer rechtlicher Kenntnis und vorausschauender Prüfung, Erfahrungen mit solchen Verfahren sowie belastbare Kontakte zu den zuständigen Behörden auf nationaler und EU-Ebene zu haben.
Eligibility-Fragen: Sicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit
Dasselbe gilt für die sicherheitsrechtliche Auftragseignung (Eligibility), welche staatliche Auftraggeber im Defence-Sektor verlangen. Diese umfasst die Zuverlässigkeit des Unternehmens sowie seiner Eigentümer und handelnden Personen. Wagniskapitaltypische Kontrollrechte wie Vetorechte, Board Seats oder umfangreiche Informationsrechte können die Eligibility gefährden, wenn sie Einflussnahme durch Investoren aus Nicht-EU-/Nicht-NATO-Staaten ermöglichen oder diesen sicherheitsrelevante Informationen zugänglich machen. Auch die Struktur von Investoren eines Fonds (LPs) kann relevant sein, wenn LPs aus Nicht-EU-/ Nicht-NATO-Staaten über Fondsreportings Einblicke erhalten. Das sollte jedoch keineswegs abschrecken. So kann es eine Lösung darstellen – gegebenenfalls in Abstimmung mit den zuständigen Behörden –, bestimmte Defence-Programme der BRD, EU oder NATO, an denen das Defencetech-Unternehmen als Auftragnehmer beteiligt ist oder dies beabsichtigt, von Informations- und Einflussrechten solcher Investoren auszunehmen oder diese auf ein akzeptables Maß zu begrenzen. Eine entsprechende Abstimmung mit den Behörden – wie ein FDI-Verfahren – kann Zeit kosten, und dieser zeitliche Aspekt sollte vorausschauend eingeplant werden. Eine mögliche Alternative kann sein, Einfluss- beziehungsweise Kontrollrechte strikt auf jene eines reinen Finanzinvestors zu beschränken.
Vertragsgestaltung
Zu den wesentlichen Aspekten der Vertragsgestaltung im Defence-Sektor zählen unter anderem:
- Closing-Bedingungen (zum Beispiel FDI-Freigaben, Sicherheitsüberprüfungen,
Geheimschutzauflagen), - begrenzte Informationsrechte nach dem Erforderlichkeitsprinzip („Need to know“) und Clean Reporting-Mechanismen,
- Abschirmung (Ringfencing) von IP und sicherheitsrelevanten Daten,
- klare Board-Strukturen (gegebenenfalls nur Board-Beobachter-Sitz für Investoren und nur unter Maßgabe begrenzter Informationsrechte),
- Verpflichtung zur Meldung jeder Veränderung in der Eigentümerstruktur.
Due Diligence
Die Due Diligence (DD) im Defence-Sektor ist in der Regel tiefgehender und umfasst sicherheitsrelevante Aspekte wie Exportkontrolle und Rüstungsgüterklassifikation. Risiken bestehen insbesondere bei fehlerhaften oder unvollständigen Klassifikationen, Genehmigungen oder Exportverstößen. Weitere wichtige Aspekte sind IP-Sicherheit und Knowhow-Schutz: Know-how-Schutz und Geheimschutzvorgaben müssen hinreichend bestimmen, wie Wissen gespeichert und weitergegeben werden darf. Dies ist insbesondere im Kontext beschaffungsrechtlicher Integritätsanforderungen relevant. Defencetech-Unternehmen müssen strenge Integritätsanforderungen erfüllen; insbesondere unzureichende Compliance-Systeme können zu Ausschlüssen aus Beschaffungsverfahren führen – mit unmittelbaren Auswirkungen auf den Unternehmenswert. Im Hinblick auf die Durchführung der DD können Teile der angefragten Informationen als Verschlusssache (mit verschiedenen Einstufungen) oder zum Beispiel auch als „NATO Secret“ klassifiziert sein. Dadurch kann ein vollständiger Zugang zu Unterlagen ausgeschlossen sein; eine Clean Team-DD sowie teilweise Sicherheitsüberprüfungen für Investorenvertreter können erforderlich werden. Bei einer Clean Team-DD dürfen nur speziell benannte, meist externe Personen (etwa Berater, Wirtschaftsprüfer oder Anwälte) besonders sensible Informationen einsehen und die gesammelten Informationen entweder gar nicht oder lediglich in aggregierter oder anonymisierter Form an den/die Investoren weitergeben, um Wettbewerbs- oder Sicherheitsrisiken zu vermeiden.
Fazit
Investitionen in den Defence-Sektor bieten große Chancen, verlangen aber zugleich vorausschauende Planung und hohe juristische Präzision. Wer die rechtlichen Besonderheiten beachtet, reduziert Risiken und schafft die Grundlage für erfolgreiche Investments in Defencetech-Unternehmen.
Über den Autor:
Dr. Thomas Derlin, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner sowie Co-Head des Aerospace & Defence-Teams bei der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Corporate/M&A, Venture Capital sowie Private Equity.



