BW-Venture (Ausgabe 1/2002)

Die Gnade der späten Geburt
„Mit dem Gründungstermin der BW-Venture Capital GmbH haben wir wirklich Glück gehabt“, gibt Geschäftsführer Harald Fuchs offen zu. Anfang des Jahres 2000 wurde die neue Tochter der BW-Bank ins Leben gerufen. Der VC-Boom hatte seine Endphase erreicht, bis das Team der Gesellschaft aufgebaut und einsatzfähig war, vergingen weitere, wie man heute weiß, risikoreiche Monate, und mit dem ersten Investment hatte man im Sommer des Jahres gleich noch einmal Glück. Die Heiler Software AG konnte bereits Ende 2000 am Neuen Markt eingeführt werden, ein schöner Anfangserfolg.

Die Auswahl ist jetzt groß
Weitere Investments wurden erst im laufenden Jahr eingegangen, bei grundlegend gewandelten Marktverhältnissen. Die Qualität der vorgelegten Geschäftspläne sei deutlich gestiegen, bemerkt Harald Fuchs, die Trittbrettfahrer des Booms seien nicht mehr dabei. Und während sich viele ältere VC-Gesellschaften mit Schwierigkeiten beim Einsammeln neuer Gelder konfrontiert sehen, Personal abbauen müssen und mit der Betreuung ihrer oftmals in Schwierigkeiten geratenen Beteiligungen beschäftigt sind, kann BW-Venture unter vielversprechenden Möglichkeiten wählen. „Der Engpaßfaktor ist die personelle Kapazität zur Umsetzung, nicht die Qualität oder das Geld“, beschreibt Fuchs seine glückliche Situation. Bis zum Jahr 2003 steht BW-Venture ein Budget von 40 Mio. Euro zur Verfügung.

Spätphasen- und Expansionsfinanzierung
Vier bis sechs Beteiligungen sollen pro Jahr in den Branchen Informationstechnologie, Medien, industrielle Technologien und innovative Dienstleistungen eingegangen werden. BW-Venture setzt den Schwerpunkt auf die Spätphasen- und Expansionsfinanzierung. Wegen des größeren erforderlichen Betreuungsaufwands für ein Start-up sei mehr als eine Frühphasenfinanzierung pro Jahr für BW-Venture nicht machbar, so Harald Fuchs. Gesucht werden Unternehmen, die auf einem Wachstumsmarkt ein großes Kundenpotential haben, die Aussicht auf eine attraktive Rendite glaubhaft machen können und über ein komplementär besetztes Management verfügen, das eine überzeugende Strategie unternehmerisch umsetzt. Zudem muß eine klare Exit-Option bestehen. Auch wenn die bisherigen Beteiligungen sämtlich in Baden-Württemberg liegen, ist man nicht auf die Region beschränkt.

Die Bank ist Teil des Netzwerks
Es werden bis zu 2,5 Mio. Euro in eine Beteiligung investiert, der Anteil der BW-Venture an den Beteiligungsunternehmen liegt in der Regel bei 10 %. Die Beteiligungen können auf eine umfassende Betreuung durch die Investmentmanager und das Netzwerk von BW-Venture setzen. Durch die enge Anbindung an die BW-Bank AG, von der bislang auch der Großteil des Deal Flows generiert wurde, steht den Beteiligungen das finanzierungstechnische Know-how der Bank zur Verfügung, die auch bei der Herstellung von Kontakten zu potentiellen Kunden und öffentlichen Stellen wertvolle Dienste leistet. Das Netzwerk der Bank wird ergänzt durch die Vermittlung externer Experten, wie Personal- oder Wirtschaftsberater, mit denen teilweise kostensparende Rahmenverträge bestehen und die z.B. bei strategischen Themen, der Personalrekrutierung oder dem Coaching des Managements helfen können.

Ein Investment vor der Börsenreife
Bislang befinden sich außer Heiler Software drei weitere direkte Beteiligungen und mit Centennium Capital Partners ein indirektes Investment im Portfolio. Bei Centennium handelt es sich um einen deutschen VC-Fonds, an den BW-Venture Beteiligungsmöglichkeiten weiterreicht, die die eigenen Volumengrenzen sprengen würden. Von den direkten Beteiligungen ist Grau Data Storage in der Entwicklung am weitesten fortgeschritten. Co-Investoren sind hier SAP-Ventures und e-millennium, ein Joint-Venture u.a. von SAP und der Deutschen Bank. Das Unternehmen hat eine neue Software für das Management von Datenspeicherlösungen entwickelt, die die Kosten der Speicherung signifikant reduziert. Im laufenden Jahr werden mit Pilotkunden wie Bosch und Audi bereits mehrere Mio. Euro umgesetzt, für das kommende Jahr ist das Erreichen der Gewinnschwelle geplant. Bei einer Verbesserung der Marktverhältnisse ist Grau Data Storage schon bald ein IPO-Kandidat.

Forschung und Tüftlergeist
Die übrigen Beteiligungen IC:IDO GmbH und Zoxy AG sind noch in einer früheren Entwicklungsphase. IC:IDO ist eine Ausgliederung des Fraunhofer Instituts und entwickelt eine neuartige Software zur dreidimensionalen Darstellung technischer Themen, die zu einer signifikanten Kostenersparnis bei den Anwendern führt. Im laufenden Jahr wird der Umsatz bereits in Millionenhöhe liegen. Zoxy ist ein typisches Beispiel für südwestdeutschen Tüftlergeist. Der Gründer hat sich sieben Jahre mit Hilfe von verschiedenen Forschungsprojekten durchgeschlagen und an seiner Idee gearbeitet. Herausgekommen ist eine Brennstoffzelle auf Zinkoxidbasis mit der zehnfachen Leistungsfähigkeit einer Bleibatterie und der doppelten einer Lithium-Ionen-Batterie. Nachdem eine Fabrik im sächsischen Freiberg entstanden ist, werden für das nächste Jahr die ersten Umsätze erwartet.

Ausblick
Bereits kurzfristig ist mit dem erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen für ein weiteres Investment zu rechnen. Das Unternehmen 20/10 Perfect Vision hat einen innovativen Ansatz im Bereich refraktiver Augenchirurgie entwickelt. Beispielsweise ermöglicht das Produkt Wave Scan eine wesentlich genauere Ermittlung unterschiedlichster Fehlsichtigkeiten. Die generierte Datenbasis ist dann Grundlage eines laserchirurgischen Eingriffes. Erste Studien wiesen bereits signifikant bessere Therapie-Ergebnisse aus. Auch für die weitere Zukunft von BW-Venture ist Harald Fuchs optimistisch, der Tüftlergeist der Schwaben bringe immer wieder gute, finanzierungswürdige Ideen hervor. Hinzu kommt das glückliche Timing des von ihm geführten Unternehmens, denn: „Die besten Investments werden in der Rezession gemacht.“

Beteiligungen von BW-Venture
– Centennium Capital Partners
– Heiler Software AG
– Grau Data Storage AG
– IC:IDO GmbH
– Zoxy AG

Formale Investmentkriterien
– Volumen 250.000 bis 2,5 Mio. Euro
– Expansions- und Pre-IPO-Finanzierung
– Klare Exit-Option
– Branchen: IT, Medien, industrielle Technologien, Dienstleistungen
– In Deutschland, Schwerpunkt Baden-Württemberg