„Klarer Fokus auf Qualität und Versorgungssicherheit“

Sascha Mielcarek (Canify)
Sascha Mielcarek (Canify)

Bildnachweis: Canify, VC Magazin.

Canify schloss das Geschäftsjahr 2024 mit einem kräftigen Umsatzplus. Bis 2027 will das Cannabis-Unternehmen die Erlöse sogar auf ein völlig neues Level heben. Im Interview mit dem VC Magazin spricht CEO Sascha Mielcarek über die zentralen Treiber der positiven Rallye, die weitere internationale Expansion und vor allem die veränderte Sicht und das damit verbundene gesteigerte Interesse institutioneller Investoren auf die und an der Cannabis-Branche.

VC Magazin: Laut des Zuanic-Reports hat Canify 2024 ein bemerkenswertes Umsatzwachstum erzielt. Was sind aus Ihrer Sicht die Haupttreiber dieser Entwicklung? Gibt es bestimmte Maßnahmen, die Sie uns verraten können, um das prognostizierte Sechsfach-Wachstum bis 2027 zu erreichen?

Mielcarek: Das starke Wachstum im Jahr 2024 war Ergebnis klarer Prioritäten. Durch eine fokussierten Markenstrategie, den Ausbau unserer Lieferkette sowie einem engagierten Vertriebsteam mit tiefem Verständnis für den medizinischen Markt konnten wir uns gut weiterentwickeln und stetig wachsen. Besonders im Segment der Selbstzahler haben wir von der hohen Wachstumsdynamik profitiert.

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Unser mittelfristiger Wachstumspfad bis 2027 basiert auf drei Säulen: Erstens der Ausbau unseres Sortiments, insbesondere in Richtung innovativer, pharmazeutisch anwendbarer Produkte. Zweitens die Stärkung unseres Erstattungssegments, das zwar profitabler und stabiler, aber auch anspruchsvoller ist. Und drittens die Expansion in europäische Zielmärkte mit vergleichbaren regulatorischen Rahmenbedingungen. Entscheidend ist dabei, dass wir nicht nur skalieren wollen, sondern dies mit einem klaren Fokus auf Qualität und Versorgungssicherheit tun.

VC Magazin: Vor allem zu Beginn der Teil-Legalisierung wurde oftmals von Lieferengpässen und mangelnder Vielfalt im Apothekensortiment berichtet. Sehen Sie aktuell Versorgungsengpässe und welche Rolle können pharmazeutische Innovationen dabei spielen, die Versorgung langfristig zu verbessern?

Mielcarek: Die Versorgungssituation hat sich deutlich stabilisiert. Im ersten Quartal 2025 wurden so viele medizinische Cannabisprodukte nach Deutschland importiert wie nie zuvor, ein klares Zeichen für die steigende Markt-Reife und die verbesserte Lieferfähigkeit der Anbieter. Dank unserer diversifizierten Lieferkette sehen wir aktuell keine strukturellen Engpässe bei gefragten Blütensorten.

Pharmazeutische Innovationen können hier langfristig eine stabilisierende Wirkung entfalten. Mit standardisierten Darreichungsformen, wie sublingualen Sprays oder präzise dosierbaren Inhalationslösungen, lassen sich neue Patientengruppen erschließen und gleichzeitig Versorgungslücken schließen. Unser Ziel ist es, ein Portfolio zu schaffen, das medizinisch überzeugt und gleichzeitig praktikabel für Apotheken und Ärzte ist.

VC Magazin: Der Zugang zu medizinischem Cannabis hat sich durch regulatorische Lockerungen deutlich vereinfacht. Wie verändert sich dadurch das Verhalten von Ärzten, Apotheken und Patienten und welche strukturellen Entwicklungen erwarten Sie für die nächsten Jahre?

Mielcarek: Die Entkriminalisierung und die Entnahme aus dem Betäubungsmittelgesetz haben wichtige Impulse gesetzt, vor allem für den Zugang und die Entstigmatisierung auf Patientenseite. Viele Patienten, die bislang im informellen Markt versorgt wurden, wechseln nun in die legale medizinische Versorgung, was wir grundsätzlich begrüßen.

Bei den Ärzten sehen wir eine ambivalente Entwicklung. Während einige die neue Verordnungslage aktiv nutzen und Cannabis als ernstzunehmende Behandlungsoption betrachten, herrscht bei anderen weiterhin Zurückhaltung, sei es aus Unsicherheit oder Sorge um das eigene berufliche Renommee. Genau hier setzen wir mit fundierter Aufklärung, medizinischer Beratung und dem Austausch über klinische Erfahrungen an. Mittelfristig erwarten wir, dass sich Cannabis als reguläres Arzneimittel weiter etabliert – vorausgesetzt, der Zugang bleibt medizinisch sinnvoll und regulatorisch praktikabel gestaltet.

VC Magazin: Das Investoreninteresse an medizinischem Cannabis in Deutschland nimmt zu, gleichzeitig bleibt das regulatorische Umfeld herausfordernd. Wie beurteilen Sie aktuell das Investorenklima und welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend, um institutionelle Anleger zu überzeugen?

Mielcarek: Wir sehen, dass das Thema medizinisches Cannabis bei institutionellen Investoren zunehmend als Teil des breiteren Life-Science- oder Health-Tech-Investmentkosmos verstanden wird. Das ist eine positive Entwicklung und das Interesse am Markt ist sehr hoch. Dennoch gibt es weiterhin Unsicherheit, etwa hinsichtlich regulatorischer Stabilität, Marktgröße oder Marktzugang.

Entscheidend ist deshalb Transparenz. Wir kommunizieren klar unsere Zahlen, Wachstumsziele und regulatorischen Einschätzungen. Zudem legen wir Wert auf eine kapitaldisziplinierte Skalierung und differenzierte Produktstrategien. Anleger interessieren sich nicht nur für Umsatzwachstum, sondern auch für Margen, Internationalisierungsmöglichkeiten und technologische Substanz, all das adressieren wir gezielt.

VC Magazin: Sie planen den Markteintritt in Länder wie die Schweiz, UK und Polen. Was sind Ihre Auswahlkriterien für neue Märkte?

Mielcarek: Bei der Analyse neuer Märkte ist einerseits die regulatorische Reife entscheidend, also die Möglichkeit, dass der Zugang zu medizinischem Cannabis überhaupt möglich und skalierbar ist. Ein weiterer, elementarer Punkt ist natürlich die vorherrschende Marktstruktur, z. B. die Importbedingungen, adressierbare Vertriebskanäle und Distributions- bzw. Großhandelsstrukturen. Zusätzlich muss beachtet werden, wie die kulturelle und medizinische Akzeptanz zu bewerten ist, also wie offen Fachärzte und Patienten dem Thema begegnen.

Die genannten Länder Schweiz, Großbritannien und Polen sind aus unserer Sicht besonders
spannend, weil sie einerseits Potenzial bieten, andererseits aber auch Raum für differenzierte, qualitätsorientierte Anbieter wie Canify lassen. Unsere EU-GMP-Infrastruktur in Deutschland bildet dafür ein belastbares Fundament.