Corporate Venture Capital als Alternative zur Eigenentwicklung

VC-Magazin: Erlebt Corporate Venture Capital gerade eine Renaissance?
Wünsch: Das Umfeld für Venture Capital hat sich in den letzten Jahren verbessert. Die Größe neuer Fonds hat weltweit deutlich zugenommen. In Deutschland gibt es einige neue Spieler im Corporate Venture Capital-Geschäft, was ich auf die bisher gute wirtschaftliche Lage zurückführe. Auch etablierte Investoren wie Siemens oder die Telekom sind weiterhin aktiv.

Hipp: Nach dem großen Jammertal von 2002 bis 2004 haben viele mittelständische Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht. Nun sieht man eine Belebung in Richtung neue Produkte und neue Märkte, wobei viele Konzerne erkannt haben, das „selber machen“ nicht immer der Königsweg ist. Corporate Venture Capital ist ein Vehikel, das als Alternative taugt.

 

VC-Magazin: Das klingt mal wieder prozyklisch. Wenn die Lage besser ist, werden Venture Capital-Einheiten aufgebaut – wenn es kriselt, werden sie wieder eingestampft…

Wünsch: Was die Zahl der Neugründungen betrifft, haben Sie recht. Unternehmen, die sich heute für Corporate Venture Capital entscheiden, kennen aber das Umfeld und können aufgrund ihrer Erfahrungen ihre Aktivitäten unabhängig von der Konjunktur weiter verfolgen.

 

VC-Magazin: Investieren Sie denn gleichmäßig durch einen Konjunkturzyklus?

Hipp: Man versucht ja immer, antizyklisch zu investieren, weil die Unternehmensbewertungen im Abschwung niedriger sind. Die Qualität des einzelnen Investments ist aber natürlich für eine Investitionsentscheidung ausschlaggebend.

 

VC-Magazin: Warum sind junge Unternehmen für Sie interessant?

Hipp: Wir sind seit über zwölf Jahren selbst im Internetgeschäft aktiv und machen heute 13% unseres Umsatzes mit digitalen Geschäftsmodellen. In fünf Jahren sollen es bereits 30% sein. Um das zu erreichen, müssen wir zusätzliche Märkte entwickeln. Hierbei stehen wir vor der klassischen Entscheidung Buy or Build. Selbst als mittelständisches Unternehmen sind wir inzwischen mit dem „selber gründen“ oft zu langsam. Das können wir ausgleichen, indem wir junge Unternehmen an uns binden. Das kann zunächst im Rahmen von Minderheitsbeteiligungen geschehen. Über Step-up-Klauseln oder den Zukauf weiterer Anteile führt das später manchmal zu konsolidierungsfähigen Beteiligungen.

Wünsch: Neben den Wachstumsclustern konzentrieren wir uns bei der BASF auf unsere zentralen Arbeitsgebiete im Chemiegeschäft. Dabei ist es unser Ziel, nicht nur die Entwicklung einer weiteren Produktgeneration voranzutreiben, sondern neue Innovationstechnologien zu identifizieren. Dazu setzen wir gern Venture Capital ein. Mit diesem Finanzierungsmodell klinken wir uns frühzeitig in einen Entwicklungsprozess ein und beobachten, wie sich eine neue Technologie entwickelt.

 

VC-Magazin: Fühlen sich Gründer gelegentlich bedroht, wenn Sie mit Ihnen zusammenarbeiten? Schließlich gehören Sie aus Sicht eines Start-ups zu einem übermächtigen Konzern.

Hipp: Das ist in der Tat ein kritisches, sensibles Thema, das manche Entrepreneure abschreckt. Gerade reifere Unternehmen sehen aber auch die Chance, von uns als größerem Medienkonzern zu profitieren.

Wünsch: Es ist nicht unser erstes Ziel, unsere Beteiligungen in einem zweiten Schritt zu akquirieren. Das ist in den vergangenen sieben Jahren bisher nur einmal passiert. Schließlich steigen wir mit einer Minderheit ein und sind über Mitverkaufsrechte und -pflichten von unseren Syndikatspartnern abhängig. Während sehr junge Unternehmen unsere Einflussnahme häufig kritisch sehen, schätzt die Mehrzahl reiferer Firmen die Bestätigung ihres Geschäftskonzepts durch das weltweit führende Chemieunternehmen BASF, das hinter unseren Investments steht.

 

VC-Magazin: Wie wird Ihr Erfolg gemessen?

Wünsch: Wir führen interne Statistiken darüber, wie viel Interaktion zwischen den von uns finanzierten und den mit uns kooperierenden Unternehmen und den BASF-Geschäftseinheiten stattfindet. Auf der finanziellen Seite wollen wir mit jedem Investment einen risikoadäquaten Return erzielen.

Hipp: Wir messen unseren Erfolg am Portfoliowert, wobei wir für jede Beteiligung einen Wertansatz durch einen Vergleich mit ähnlichen Unternehmen ermitteln. Discounted Cashflow-Modelle setzen wir nicht ein, weil wir diese bei wachstumsstarken und noch jungen Unternehmen für manipulierbar halten.

 

VC-Magazin: Hängt Ihre Vergütung dann auch vom Wert des Portfolios ab?

Hipp: Ein fondstypisches Carried Interest-Modell gibt es bei uns nicht. Das würde bei uns nicht funktionieren, weil Exits ja anders als bei einem unabhängigen Venture Capital-Fonds kein dominantes Ziel darstellen. Stattdessen profitieren wir von einer vom Portfoliowert abhängigen Erfolgsbeteiligung.

Wünsch: Unser Gehaltsmodell und die Bonusregelungen orientieren sich an denen der BASF. Es gibt also auch bei uns keinen Carried Interest.

 

VC-Magazin: VM Digital ist erst vor kurzem gestartet, will aber in den kommenden zwölf Monaten mindestens zehn Beteiligungen in Deutschland eingehen. Herr Hipp, werden Sie damit zu einer Bedrohung Ihres früheren Arbeitgebers Holtzbrinck Networks, der ebenfalls bevorzugt in digitale Geschäftsideen investiert?

Hipp: Holtzbrinck ist ungefähr um den Faktor zehn größer als wir, weshalb wir keine Bedrohung darstellen. Wir gehen viel kleinere Deals ein. Deutschland ist für uns interessant, weil das Land viel größer ist als Österreich und digitale Geschäftsmodelle grenzüberschreitend den ganzen deutschsprachigen Raum erreichen. Darüber hinaus sind wir auch stark in Osteuropa vertreten, wo wir ebenfalls weiter expandieren wollen.

 

VC-Magazin: Sie haben auch in verschiedene andere Venture Capital-Fonds investiert. Warum?

Wünsch: Zuletzt haben wir uns an einem Fonds in Japan beteiligt, weil wir dort den Venture Capital-Markt erschließen wollen. Generell investieren wir in Fonds mit Technologie-Unternehmen, die für die BASF interessant sind, oder in Fonds, mit denen wir in Märkten einsteigen, um dort Expertise zu entwickeln.

Hipp: Wir haben in den dritten Fonds der österreichischen Managementgesellschaft gamma capital partners investiert. Dieser Fonds erschien der über der Gruppe stehenden Stiftung als geeignete Finanzanlage. Aus Sicht der VM Digital hilft das Engagement bei der Generierung von Dealflow in Österreich und der Vernetzung mit lokalen Investoren.

 

VC-Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!                              

 

andreas.uhde (at) vc-magazin.de

 

 

Zu den Gesprächspartnern
Als Geschäftsführer der VM Digital GmbH zeichnet Helmar Hipp für die Corporate Venture Capital-Einheit des Vorarlberger Medienhauses verantwortlich. Die in Österreich ansässige Unternehmensgruppe beschäftigt rund 500 Mitarbeiter und ist in den Bereichen Zeitungen, Druckerei, Internet, Telefonie, Buchhandel und Radio tätig. Dr. Josef Wünsch ist technischer Geschäftsführer der BASF Venture Capital GmbH, der Corporate Venture Capital-Gesellschaft der BASF. Als Tochter der BASF Future Business GmbH liegt ihr Auftrag in der Entwicklung zukunftsfähiger Geschäftsfelder für die BASF-Gruppe.