Interview mit Dr. Hendrik Brandis, Earlybird

VC Magazin: Klassische Venture Capital-Gesellschaften wie Earlybird haben in den vergangenen Jahren zunehmend Konkurrenz von anderen Playern wie Inkubatoren und Crowdinvesting-Plattformen bekommen…
Brandis: Ich sehe hier eigentlich keine Konkurrenzsituation. Die Start-ups, die auf den Crowdinvesting-Plattformen nach Kapital Ausschau halten, sind oft die, die wir und andere Venture Capital-Gesellschaften schon auf dem Tisch hatten und abgelehnt haben. Privatinvestoren sollten hier entsprechend vorsichtig agieren. Zu den Inkubatoren: Vor denen, die wie Rocket Internet mittlerweile ein internationales Geschäft aufgebaut haben, habe ich großen Respekt. Die bringen operative Fähigkeiten mit, die wir gar nicht aufbauen könnten. Die Inkubatoren arbeiten aber auch in früheren Phasen, als wir das tun. Deshalb ergänzen wir uns in vielen Fällen sehr gut. Hier steht also die Zusammenarbeit im Vordergrund, nicht der Wettbewerb.

VC Magazin: Nichtsdestotrotz: Auch die Venture Capital-Industrie steht unter ständigem Innovationsdruck. Wie innoviert Earlybird?
Brandis: Innovation ist in jedem Geschäft unglaublich wichtig, auch in unserem. Ich glaube, unsere Branche muss mehr an der eigenen Fähigkeit arbeiten, Mehrwert für die Portfoliounternehmen zu stiften. Die Zeiten, in denen sich Wagniskapitalgeber viermal im Jahr in Aufsichtsratssitzungen blicken und sich Fortschritte präsentieren ließen, sind definitiv vorbei. Wir dürfen nicht nur Teilhaber im Hintergrund sein, wir betrachten uns als echte Mitunternehmer. Konkret übernehmen wir eine sehr aktive Rolle bei Folgefinanzierungen, um das Management an dieser Front zu entlasten. Auch im Recruiting unterstützen wir sehr stark. Neulich haben wir den Spieß auch einmal umgedreht: Statt einer Managementpräsentation gab es eine Präsentation durch das Earlybird-Team. Das führte zu einer sehr fruchtbaren Diskussion und kam sehr gut an.

VC Magazin: Wer sich aktiver einbringt, braucht auch mehr Ressourcen. Müssen Sie dafür die Management Fee erhöhen und das Team vergrößern?
Brandis: Nein, eine Erhöhung der Managementfee wäre nicht der richtige Weg. Ich finde, wir müssen uns besser organisieren. Unser Ziel ist es, weniger Zeit für das Fundraising aufzuwenden und die frei gewordenen Ressourcen für operative Arbeit im Portfolio aufzuwenden. Stärkere Portfolios bedeuten am Ende des Tages ja auch mehr Gewinn für den Investor. Venture Capitalisten sollten am Exit-Erfolg partizipieren, statt sich über steigende Management Fees die Gehälter zu erhöhen. Ich habe mein Gehalt seit 17 Jahren nicht erhöht.

VC Magazin: So einfach lässt sich auf Fundraising aber nicht verzichten…
Brandis: Das natürlich nicht. Aber wir beobachten, dass die Summen, die die einzelnen Investoren committen, größer werden. Für ein 2 Mio. EUR-Ticket betreiben wir praktisch denselben Aufwand wie für ein 20 Mio. EUR-Ticket. Den großen amerikanischen Venture Capitalisten ist es gelungen, durch größere Tickets und das stärkere Einbeziehen des Netzwerks hier viel effizienter zu sein. Soweit sind wir in Europa noch nicht, aber wir machen Fortschritte.

VC Magazin: Danke für das Gespräch, Herr Brandis!

Zum Gesprächspartner:
Dr. Hendrik Brandis ist Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter von Earlybird Venture Capital. Die Venture Capital-Gesellschaft unterhält Büros in München, Berlin und seit Kurzem auch in Istanbul. Seit Gründung 1997 hat Earlybird über 700 Mio. EUR eingesammelt und in über 100 Unternehmen investiert, derzeit ist der Wagniskapitalgeber u.a. an simfy, auctionata, nfon und smava beteiligt.
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