Risikofelder beim Erwerb von Carve-outs

Personalrisiken: Vom Konzernangestellten zum Mitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens

Im Prozess eines Carve-outs brechen auch für die betroffenen Mitarbeiter bewegte Zeiten an. Die Sorge um den sicheren Arbeitsplatz, der Verlust möglicher Sozialleistungen sowie die Konfrontation mit neuen beruflichen Rollen sind zentrale Themen, die das künftige Management frühzeitig ansprechen und mit den Mitarbeitern klären muss. Zu beachten ist, dass es sich bei Carve-outs meistens um einen Betriebsübergang nach § 613a BGB handelt, bei dem jeder einzelne Mitarbeiter ein Widerspruchsrecht hat. Offene, klare und umfangreiche Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern auf allen Ebenen ist damit regelmäßig eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss der Transaktion. Beispielsweise muss bei Betriebsversammlungen darauf geachtet werden, dass auch Mitarbeiter im Schichtbetrieb daran teilnehmen können. In der Praxis bedeutet dies, dass oft mehrere Versammlungen an einem Tag abgehalten werden müssen. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter vorab anonyme Fragen einreichen können, die dann direkt beantwortet werden. Nur durch offene Kommunikation kann also vermieden werden, dass Mitarbeiter von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch nehmen.

Carveout2Zudem ist es für den Käufer wichtig, jene Teams im Vorfeld zu identifizieren und in das neue Unternehmen zu integrieren, die auch bislang als Innovationstreiber und interne Vordenker galten. Die Planung und Aussicht auf Weiterbildungen und Trainings zum Aufbau zusätzlicher Skills sind dabei ebenso wichtig wie die Rekrutierung neuer, externer Mitarbeiter. Der Prozess des notwendigen Wandels vom klassischen Konzernmitarbeiter zum Teammitglied eines mittelständischen Unternehmens darf dabei vom neuen Käufer nicht unterschätzt werden und muss vom künftigen Führungsteam aktiv geprägt und vorgelebt werden. Volles Commitment des neuen Managements ist dafür ab dem ersten Tag des Ausgliederungsprozesses notwendig.

Projektrisiken: Notwendige Kapazitäten zur schnellen Umsetzung

Bei der finalen Ausgliederung und Weiterentwicklung von Carve-outs bergen vor allem fehlende operative Kapazitäten auf Seiten der Erwerber erhebliche Risiken. Häufig fehlt die nötige Manpower, um eine Unternehmensausgliederung voranzutreiben und im Change-Prozess die notwendigen Schlüsselfunktionen mit erfahrenen Mitarbeitern zu besetzen. In der Regel dauert es vier bis sechs Monate, bis ein Geschäftsbereich vollständig aus einer bestehenden Konzernstruktur herausgelöst und in ein selbstständig agierendes Unternehmen überführt werden kann. Dieser enge Zeithorizont kann allerdings nur dann eingehalten werden, wenn das zukünftige Management bereits von Beginn an in den Transaktionsprozess integriert ist, über ausreichend operative Erfahrung verfügt sowie langjähriges Know-how im Umgang mit komplexen Carve-outs mitbringt.

Marktausblick

Mittelfristig wird der Markt für Carve-outs in Deutschland stabil bleiben. Allerdings kann man davon ausgehen, dass vor allem die Verkäuferseite bei der Auswahl der potenziellen Käufer und Investoren zukünftig vorsichtiger werden wird. Aspekte wie langfristiger Imagegewinn und positive Medienberichterstattung für den Mutterkonzern sowie ein reibungsloser interner Übergang werden an Bedeutung gewinnen. Für beide Seiten ist deswegen eine detaillierte Analyse der Interessen bereits zu Beginn der Verhandlungen notwendig, um die jeweiligen Erwartungen einschätzen und dementsprechend handeln zu können.

Fazit

Um komplexe Unternehmensausgliederungen erfolgreich umzusetzen und damit nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, müssen potenzielle Investoren oder Käufer die Risiken des gesamten Transaktionsprozesses im Detail kennen und erfolgreich managen. Käufer sollten dazu über ein ganzheitliches und praxistaugliches Konzept verfügen, für jedes einzelne Risikofeld umsetzbare Lösungen bieten und die Analyse, Strukturierung und Umsetzung durch ein engagiertes und gleichbleibendes Team mit operativer Erfahrung ermöglichen können. Nur so ist gewährleistet, dass die Transaktion schnell und nachhaltig erfolgreich umgesetzt werden kann.

E2 Adcuram Dr  Florian MeiseE2 Armin Bire

Zu den Autoren:
Dr. Florian Meise ist Gesellschafter und Vorstand, Armin Bire ist Investment Partner der Adcuram Group AG. Adcuram ist eine aktive, eigentümergeführte Industrieholding, die 2003 gegründet wurde. Die Holding konzentriert sich auf den Erwerb und die aktive, langfristige Weiterentwicklung von Unternehmen mit Potenzial. Neben einem Unternehmenswert bis zu 150 Mio. EUR stellen ein signifikantes Entwicklungspotenzial, eine Umsatzgröße zwischen 50 und 500 Mio. EUR sowie der Hauptsitz in Westeuropa zentrale Investitionskriterien dar. Aktuell gehören sechs Tochterunternehmen zur Adcuram Gruppe.