Secondaries bei Start-up-Beteiligungen

Verschiebung der Interessenlagen über die Zeit

Frühphaseninvestoren, insbesondere Business Angels, sind jedoch darauf angewiesen, ihre Anteile relativ bald veräußern zu können, um ihr gebundenes Kapital für neue Investitionen wieder frei zu bekommen. Entscheiden sich die Gründer, das Unternehmen mithilfe von Venture Capital langfristig aufzubauen, kann sich für sie der Kapitalrückfluss deutlich verzögern. Zudem werden die Anteile der Business Angels mit jeder Finanzierungsrunde verwässert. Dies ist nicht immer im Interesse der Angel-Investoren. Vielmehr mag es im Interesse der Business Angels sein, nicht auf den „großen Exit“ zu warten, sondern bereits im Vorfeld Anteile ganz oder teilweise zu veräußern. Entwickelt sich das Start-up Erfolg versprechend, haben auch Gründer nach einer gewissen Zeit ein Interesse daran, an der von ihnen geschaffenen Wertentwicklung teilzuhaben und zu einem gewissen Zeitpunkt ihre Anteile zumindest teilweise zu veräußern, anstatt bis zu einem Exit ihres Start-ups zu warten. Bis dahin vergehen vielfach mehrere Jahre. Spätere Investoren wollen hingegen vor allem die Gründer so lange wie möglich eng als Teilhaber an das Unternehmen binden und sind deshalb bestrebt, zumindest jede unkontrollierte Verfügung der Gründer durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen zu unterbinden und entsprechenden Einfluss zu nehmen. Ob diese Motivation auch auf Business Angels übertragbar ist, erscheint hingegen fraglich.

Liquiditätsoptionen für Frühphaseninvestoren und Gründer

Nicht selten bieten einige größere Venture Capital-Gesellschaften im Rahmen von Finanzierungsrunden an, Anteile von Frühphaseninvestoren oder von Gründern zu übernehmen. Nachteil für das Start-up ist hierbei jedoch, dass die Gelder nicht dem Unternehmen zufließen. Zudem kann, ohne dass dies empirisch belegt werden kann, angenommen werden, dass bei großen Verkaufsangeboten von Business Angels und Gründern die Bewertung der Finanzierungsrunde sinkt. Eine denkbare Alternative wäre, Business Angels wie auch Gründern gegebenenfalls in bestimmten Grenzen und unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu gewähren, außerhalb von Finanzierungsrunden Anteile frei zu veräußern, sodass sie nicht mit der Bewertungsdiskussion mit den Venture Capital-Gesellschaften kollidieren.

Vorteile von Anteilsveräußerungen

Vielfach investieren Business Angels nicht allein, sondern als Gruppe. Es kann sich für das Start-up durchaus als vorteilhaft erweisen, wenn neue Investoren in eine solche Gruppe hinzutreten und frisches Kapital mitbringen. Zudem können die hinzutretenden Investoren bestehende Gruppen stabilisieren und die Ausrichtung des Start-ups auf langfristiges Wachstum ermöglichen. Wenn mehrere Gesellschafter an einen finanzstarken Investor verkaufen, bringt das auch den Vorzug mit sich, dass die Gesellschafterstruktur vereinfacht wird. Dies kann sich in weiteren Finanzierungsrunden als vorteilhaft darstellen, da Abstimmungen vereinfacht und beschleunigt werden oder eine weitere Finanzierungsrunde dadurch überhaupt erst möglich wird.

Interessengerechte Regelungen schaffen

Zu bedenken ist, dass ein Verkauf meist nicht ohne die Unterstützung des betroffenen Start-ups durchführbar ist. Der Erwerber wird sich im Rahmen einer Due Diligence ein Bild über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens machen wollen. Sollten Gesellschafter unkoordiniert und zu beliebigen Zeitpunkten eine Veräußerung ihrer Beteiligung anstreben, bindet dies erhebliche Ressourcen bei dem Start-up, die besser in die operative Entwicklung des Unternehmens investiert sind. Mit etwas Phantasie lassen sich vertragliche Modelle und Mechanismen entwickeln, die u.a. diesen Aspekt aufgreifen. So könnte daran gedacht werden, von vornherein Anteilsklassen zu schaffen, die ohne Berücksichtigung der üblichen Beschränkungen und beispielsweise nur zu bestimmten Zeitpunkten veräußert werden können. Ein solcher Anteilsverkauf lässt sich aber nur realisieren, wenn einem Verkäufer ein Käufer gegenübersteht – es also einen Markt gibt. Dieser kann aber erst entstehen, wenn die vertraglichen Regelungen die Möglichkeiten für Anteilsveräußerungen eröffnen. Ein solcher Markt würde zu einer Stärkung der Gründerszene führen.

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Jens Röhrborn ist Rechtsanwalt und Gründungspartner der Kanzlei Röhrborn LLP, München. Er ist auf Venture Capital und M&A-Transaktionen sowie Kapitalmarktrecht spezialisiert. Er begleitet seit 17 Jahren Gründer, Investoren und Start-ups von der Frühphasenfinanzierung bis zum Exit. Philipp Belter, LL.M., ist Partner der Kanzlei Röhrborn LLP, München. Er berät in allen Fragen von Venture Capital-Finanzierungen und Unternehmens- bzw. Beteiligungsverkäufen. Eigene unternehmerische Erfahrungen hat er als Mitgründer eines IT-/Softwareanbieters gesammelt. Als Business Angel investiert er in junge Start-ups. Vor Gründern und Studenten hält er regelmäßig Vorträge und Vorlesungen über Venture Capital-Finanzierungen.