„Digital Health“ mit großen Visionen für Start-ups?

Dr. Michael Brandkamp, High-Tech Gründerfonds - Unternehmensbewertung
Dr. Michael Brandkamp wechselt vom High-Tech Gründerfonds zum European Circular Bioeconomy Fund.

Bildnachweis: High-Tech Gründerfonds.

Völlig klar: Das ist der ideale Nährboden für erfolgreiche Venture Capital Investments und innovative Start-ups. Spannend ist, dass der konservative Life Sciences-Sektor sich mit der hippen, aufregenden IT-Gründerszene überschneidet. Allerdings bereiten die Business-Ideen, die im Pitch-Deck kurz und übersichtlich zusammengefasst sind, dem Life Sciences-Investmentmanager Kopfzerbrechen. Wie kann im Start-up Wert entstehen? Wer ist Kunde und bringt Umsatz oder genügt allein die Reichweite? Welchen Schutz gibt es vor Nachahmern? Wie sieht der rechtliche und regulatorische Rahmen aus? In der Tat bleiben die Geschäftsmodelle oft vage, sprechen von Freemium- und Premiummodellen und einer attraktiven Konversionsrate. Bislang sind Werbeeinnahmen für Apps jedoch keine zuverlässige Einnahmequelle.

Es ist auch im Interesse der Gründerteams, diesen grundsätzlichen Fragen nachzugehen, um ein überzeugendes Geschäftsmodell zu entwickeln. Dabei sind Therapieansätze, wie z.B. die TinniTrack gegen Tinnitus, genauso willkommen wie Diagnosetools, wie die EKG-App der PersonalMed Systems oder die mit Daten unterlegte Qualified-self App der Preventicus. In der Regel adressieren diese Innovationen zunächst den zweiten Gesundheitsmarkt, d.h. den Selbstzahler. Allerdings sind die Gesundheitskassen sehr an neuen Innovationen interessiert. Die Behandlung von Amblyopie bei Kindern wird inzwischen von Kassen erstattet. Im Schnitt bieten die großen Kassen bereits zehn eigene Apps an und sind gegenüber validierten Innovationen aufgeschlossen. Denn sie erwarten zu Recht Effizienzgewinne, ein verbessertes Gesundheitsbewusstsein und eine höhere Eigenverantwortlichkeit der Patienten. Auch die Pharmaindustrie zeigt sich interessiert. Die Bayer AG fördert Innovationen mit ihrem Grand4App-Programm. Es zeigt sich somit, dass die Start-ups Partner brauchen, die nicht nur finanzieren, sondern auch Reichweite bringen, womöglich dem Patienten die Leistung erstatten. Venture Capital-Investoren sollten demzufolge nicht nur kritisch fragen und Kapital einbringen, sondern auch wertvolle Kontakte entwickeln, die diese neuen Geschäftsmodelle tragfähig machen.