Der Staat als Venture Capital-Investor in der Corona-Krise

Dramatische Herausforderungen und erste Antworten

Der Staat als Venture Capital-Investor in der Corona-Krise
Der Staat als Venture Capital-Investor in der Corona-Krise

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Kein Thema beschäftigt die Start-up-Szene derzeit so intensiv wie die Corona-Krise: Geschäftsmodelle von Start-ups werden durch die Pandemie zum Teil grundlegend infrage gestellt, ganze Branchen haben in den Krisenmodus geschaltet und viele Investoren treten auf die Bremse, zumindest mit Blick auf Neuinvestments. Die Lage ist für viele Start-ups dramatisch, insbesondere wenn sie für 2020 eine Finanzierungsrunde geplant haben.

Vor diesem Hintergrund sind in den zurückliegenden Wochen intensive Diskussionen geführt worden, wie den Start-ups in dieser Krise geholfen werden kann. Während die ersten Initiativen nicht spezifisch auf Jungunternehmen zugeschnitten waren und die meisten daher durch das Raster der Hilfsprogramme gerutscht sind (mit Ausnahme der Möglichkeit, Kurzarbeit anzumelden), liegt seit Anfang Mai ein erstes Konzept für ein Maßnahmenpaket auf dem Tisch, welches die Besonderheiten der Start-ups berücksichtigt:

  • Durch das Maßnahmenpaket sollen Start-ups Mittel in Höhe von insgesamt 2 Mrd. EUR zur Verfügung gestellt werden.
  • Dieses Maßnahmenpaket besteht aus zwei Säulen.
    • Säule eins ist die Corona-Matching-Fazilität (CMF): Diese zielt auf Investments durch Venture Capital-Fonds ab, die durch staatliche Mittel im Verhältnis 70:30 durch den Staat gespiegelt werden sollen (70% öffentliche, 30% private Mittel). Antragsberechtigt sind nicht die Start-ups selbst, sondern die Venture Capital-Fonds.
    • Säule zwei ist auf Start-ups und kleine Mittelständler zugeschnitten, die bislang keinen Zugang zu Säule eins haben. In dieser Säule soll, insbesondere in enger Zusammenarbeit mit den Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer, Start-ups Wagniskapital zur Verfügung gestellt werden.

Auch wenn die Details des Maßnahmenpakets derzeit noch nicht feststehen, ist schon jetzt absehbar, dass staatliche Aktivitäten für den Start-up-Standort weiter an Bedeutung gewinnen. Deshalb lohnt es sich, genauer zu analysieren, wie der Staat bisher als Venture Capital-Investor agiert und wie sich sein Handeln im Zuge der Corona-Krise verändert.

Erhebliche Steigerung der Investmentvolumina

Bereits vor Corona hatten Bund und Länder ihre Beteiligungsmittel erheblich aufgestockt. In einer Studie aus dem Jahr 2018 ist Lutz Abel zu dem Ergebnis gekommen, dass sie pro Jahr zusammen circa 626 Mio. EUR in Start-ups investieren. Gerade in der Frühphase ist damit der Staat seit Jahren der aktivste Venture Capital-Investor in Deutschland (zum Beispiel über die Beteiligungen des High-Tech Gründerfonds). Insofern sind die sich derzeit in der Vorbereitung befindenden Maßnahmen wohl auch so zu verstehen, dass die Anstrengungen und Investments der vergangenen Jahre geschützt werden sollen – denn der Staat ist in diesem Zeitraum nicht als Frühphaseninvestor aufgetreten, sondern hat sehr unterschiedliche Investorengruppen und Start-ups in unterschiedlichen Entwick-lungsphasen unterstützt.

a) Fund of Fund-Strukturen
In den vergangenen Jahren hat vor allem der Bund seine Aktivitäten zur Stärkung von privaten Venture Capital-Fonds intensiviert. Über die ERP/EIF-Wachstumsfazilität hat er in erheblichem Umfang privaten Venture Capital-Fonds Mittel zur Verfügung gestellt, um die Chancen für Start-ups zu erhöhen, große Fi-nanzierungsrunden auf die Beine zu stellen, und um die Abhängigkeit von Invest-ments durch außereuropäische Fonds zu reduzieren. Diese Investments in europäische Fonds haben dazu beigetragen, dass die Fondsvolumina der Venture Capital-Fonds in den letzten Jahren zum Teil erheblich erhöht werden konnten.

b) Beteiligungsgesellschaften des Bundes
Der Bund hat seit Jahren etablierte Beteiligungsgesellschaften, die sich an Start-ups beteiligen. In der Regel investieren die Fonds parallel mit privaten Investoren (sogenannte Pari-passu-Investments), das heißt, die staatliche Beteiligungsgesellschaft investiert zu den grundsätzlich gleichen Konditionen wie private Kapitalgeber. Klassischerweise investiert der Staat im Verhältnis 50:50 zu privaten Kapitalgebern, das private Kapital wird also durch die staatliche Beteiligungsgesellschaft gespiegelt. Beteiligungsgesellschaften des Bundes sind coparion und der High-Tech Gründerfonds.

c) Beteiligungsgesellschaft der Länder
Fast alle Bundesländer haben eigene Beteiligungsgesellschaften, mit denen sie sich an Start-ups beteiligen. Auch sie investieren in der Regel gemeinsam mit privaten Kapitalgebern pari passu. Die regionalen Unterschiede sind enorm. Traditionell hat Bayern die meisten Mittel zur Verfügung gestellt; in den letzten Jahren hat aber vor allem Nordrhein-Westfalen seine Aktivitäten erheblich ausgeweitet.

d) Aktivitäten zur Unterstützung von Business Angels
Einen weiteren Schwerpunkt bilden Maßnahmen zur Unterstützung von Business Angel Investments. Hier ist vor allem der Invest-Zuschuss für Wagniskapital hervorzuheben, der auf Bundesebene aufgesetzt wurde und vorsieht, dass Business Angels bis zu 20% ihres Investments vom Staat zurückerstattet bekommen. Auf europäischer Ebene besteht der European Angels Fund. Dieser schafft die Möglichkeit, dass ausgewählte Business Angels (vergleichbar einer Fund of Fund-Struktur) zusätzlich Investmentmöglichkeiten erhalten, um so die Investmentvolumina zu erhöhen.

Coronabedingte Änderungen staatlicher Investmententscheidungen

Kennzeichen der Investmenttätigkeit des Staates ist bisher, dass derselbe sich in der Regel privaten Investmententscheidungen anschließt. Der Staat nimmt in der Regel Co-Investments vor, um privates Kapital zu mobilisieren. Ziel ist es demnach, insbesondere die Investmentvolumina von Finanzierungsrunden zu erhöhen, um den Start-up-Standort international wettbewerbsfähig zu machen. Vor der Corona-Krise belief sich der private Investmentanteil in der Regel auf mindestens 50% – wenn es zu Co-Investments mit staatlichen Beteiligungsgesellschaften kommen sollte, hat der private Kapitalgeber also mindestens 50% des Volumens zu übernehmen. In der aktuellen Diskussion zeigt sich, dass dieses Kriterium gesenkt werden wird; das heißt, dass der private Anteil niedriger ausfallen kann – so zum Beispiel im aktuellen Programm von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen vorgesehen. Inwieweit sich die Instrumente staatlicher Beteiligungen an Start-ups im Zuge der Corona-Krise weiter wandeln werden, ist derzeit noch nicht absehbar. Bereits jetzt zeigt sich jedoch, dass der Staat als Venture Capital-Investor 2020 weiter an Gewicht und Bedeutung gewinnen wird.

 

Dr. Lorenz Jellinghaus, Lutz AbelNina Sophie Osten, Lutz AbelDr. Lorenz Jellinghaus ist Rechtsanwalt und Partner, Nina Sophie Osten Rechtsanwältin bei Lutz Abel. Beide sind am Hamburger Standort der Kanzlei tätig und verfügen über breite Erfahrung in den Bereichen Venture Capital und M&A. Ihr Beratungsschwerpunkt liegt in der rechtlichen Gestaltung von Finanzierungsrunden und Exit-Transaktionen. Wei-tere Informationen zu der im Artikel zitierten Studie finden Sie auf der Homepage: www.lutzabel.com