Interview mit Guido Schlitzer, High-Tech Gründerfonds

„Es gibt so viele spannende und aussichtsreiche Themen, dass es ein Vergnügen ist“

Guido Schlitzer
Interview mit Guido Schlitzer, HTGF: „Es gibt so viele spannende und aussichtsreiche Themen, dass es ein Vergnügen ist“

Bildnachweis: HTGF.

Beim diesjährigen Family Day des High-Tech Gründerfonds (HTGF) Ende Mai wurde Guido Schlitzer als weiterer Geschäftsführer neben Dr. Alexander von Frankenberg vorgestellt. Schlitzer, der bereits seit 2005 beim Unternehmen ist, folgt in der Geschäftsführung auf Dr. Michael Brandkamp, der Ende 2019 das Unternehmen verließ, um den European Circular Bioeconomy Fund aufzubauen.

VC Magazin: Sie sind seit 2005 in verschiedenen Funktionen beim HTGF tätig. Wie war Ihr bisheriger Weg im Unternehmen?
Schlitzer: Ich bin genau einen Monat nach dem operativen Start des HTGF zum Team gestoßen. Meine Kollegin Gisela von Boom und ich haben damals alle nicht operativen Belange des Fonds organisiert und das Controlling aufgebaut. Später wurde ich CFO und war damit für die Gesamtheit der Finanzhemen zuständig, aber weiterhin auch für einen Teil der organisatorischen Aufgaben, wie z.B. Compliance-Themen. 2018 wurde ich zum Partner ernannt. Unsere Fonds HTGF II und III habe ich strukturiert und zusammen mit der Geschäftsführung aufgesetzt.

VC Magazin: Wie waren die ersten 90 Tage als Geschäftsführer?
Schlitzer: Auch wenn ich lange im Unternehmen und mit allem vertraut bin, war es definitiv keine Routine. Wir arbeiten gerade wieder unter sehr herausfordernden Bedingungen. Das bringt die Corona-Krise mit sich, aber der HTGF ist gut unterwegs. Wir investieren! Auch können wir jetzt die Finanzierungsrunden für unsere Portfoliounternehmen mit den Mitteln aus dem Unterstützungspaket des Bundes, die Corona-Liquiditäts-Fazilität, auf den Weg bringen. Die Kolleginnen und Kollegen geben alles, um unsere Portfoliounternehmen in dieser schwierigen Situation zu unterstützen. Es macht einfach Spaß, mit diesem Team zu arbeiten. Für mich sind natürlich auch neue Themen hinzugekommen, in die ich mich einarbeite. Beispielsweise verantworte ich jetzt einen operativen Bereich – Industrial-Tech. Da gibt es so viele spannende und aussichtsreiche Themen, dass es ein Vergnügen ist.

VC Magazin: An den HTGF berichten derzeit rund 300 Portfoliounternehmen. Wie ist die aktuelle Stimmungslage in den Start-ups?
Schlitzer: Einige Unternehmen, die digitale Lösungen anbieten, profitieren von der Situation. Das gilt auch für Teile des Biotech-Bereichs. Aber dies ist eindeutig die Minderheit. Die meisten sind von moderaten bis hin zu kompletten Umsatzausfällen von der Krise betroffen. Je nach Geschäftsmodell zeigen sich die Einbrüche zwar aktuell noch nicht im Umsatz, aber es gibt eben weniger bis keine Neuabschlüsse. Die Unternehmen haben richtig reagiert und zügig ihre Kosten soweit wie möglich reduziert. Entscheidend wird sein, wann die Nachfrage wieder richtig anzieht. Wenn sich die Krise noch mal verschärfen sollte, z.B. durch einen zweiten Lockdown, wird es für viele Portfoliounternehmen sehr ernst. Natürlich verunsichert das die Gründerinnen und Gründer und deren Teams. Aber wir sehen auch, wie Chancen genutzt und Geschäftsmodelle schnell angepasst werden.

VC Magazin: Und bei Industriepartnern, Venture Capital-Investoren und Angels, mit denen Sie co-investieren?
Schlitzer: Es fällt mir schwer zum jetzigen Zeitpunkt ein Fazit zu ziehen. Wir sehen nach wie vor zahlreiche Finanzierungsrunden, wenn auch in einem etwas reduzierten Umfang. Die Assetklasse Venture Capital ist weiterhin für die Investoren interessant. Die Möglichkeit für Venture-Capital-Fonds Investitionen mit Mitteln aus der staatlichen Corona-Matching-Fazilität zu hebeln, trägt sicherlich auch dazu bei, dass viele Finanzierungsrunden in der Strukturierung sind. Wir haben gerade die ersten Finanzierungsrunden unter Einbeziehung von Bundesmitteln bereits abgeschlossen.
Die Erwartung über die Länge der Krise wird entscheidend sein, wie sich das Kapitalangebot und die Bewertungen verändern. Und bei den Corporates ist es ähnlich.

VC Magazin: An der Konzeption der erfolgreichen Fonds HTGF II (2012) und HTGF III (2017) waren Sie federführend beteiligt. Wie weit sind – vielleicht auch beeinflusst durch einen höheren Kapitalbedarf wegen Corona – die Planungen für einen HTGF IV?
Schlitzer: Corona beeinflusst unsere Planungen für einen HTGF IV nicht. Wir werden 2020 mit dem HTGF III die geplante Anzahl an Seed-Finanzierungen machen. Es gehört zu unserem Verständnis, in Krisenzeiten mit einer ungefähr gleichbleibenden Anzahl und Höhe der Investments den Markt zu stabilisieren. Wir verfügen, dank der Möglichkeit auf die Corona-Liquiditäts-Fazilität des Bundes zuzugreifen, auch über ausreichende Mittel für Folgeinvestitionen in gute aber Corona-geschädigte Deals.

VC Magazin: Sie sind seit 20 Jahren in der Venture Capital-Szene tätig, haben Dotcom- und Finanzkrise hautnah miterlebt. Wie steht es um Ihre Gefühlslage in der Corona-Krise?
Schlitzer: Krisen gehören dazu und ein stabiles Start-up-Ökosystem findet schneller und stärker aus einer Krise. Nach der Dotcom-Blase Anfang der 2000er mussten wir ein tiefes Tal durchschreiten und die Start-up-Finanzierung hat lange gebraucht, sich zu erholen. Alle Investoren hatten sich dermaßen die Finger verbrannt, dass es kaum Kapitalangebot gab. Der HTGF ist aus dieser Situation entstanden. Die Finanzkrise hat dann viele etablierte Unternehmen dazu gebracht über ihre Geschäftsmodelle nachzudenken und sich für Kooperationsmöglichkeiten und Investitionsmöglichkeiten bei Start-ups, aber auch in Venture Capital-Fonds, zu interessieren. Dies hatte positive Effekte. Corona wird einige Bereiche eher beflügeln, Stichwort Digitalisierung. Auch für Teile der Biotech-Szene erwarten wir positive Auswirkungen. Auf der anderen Seite beschleunigt die Corona-Krise den Strukturwandel in der deutschen und europäischen Wirtschaft. Hier werden Industrien und damit Kunden deutlich schwächer aus der Krise kommen. In Summe bin ich eher optimistisch. Mittlerweile haben wir in Deutschland viele Gründerinnen und Gründer, die bereits Unternehmen aufgebaut haben und jetzt erneut gründen und selbst investieren. Es ist wird auch in und nach der Krise Kapital im Markt sein, das nach Anlagemöglichkeiten sucht. Keine einfache, aber eine aussichtsreiche Zeit für Gründungen.

VC Magazin: Was sind Ihre kurz-, mittel- und langfristigen Ziele mit dem HTGF?
Schlitzer: Der HTGF wird weiterhin der Seed-Investor bleiben. Dazu wollen wir im Jahr 2022 die nächste Fondsgeneration in der bewährten, erfolgreichen Form einer Public Private Partnership, den HTGF IV, auflegen. Weiterhin sind wir offen, den Bund in den Bereichen der Unternehmensfinanzierung zu unterstützen, in denen Investitionen des Bundes sinnvoll und notwendig sind. Am Besten in Partnerschaft mit unseren Wirtschaftsinvestoren aus Mittelstand und Industrie.

VC Magazin: Herr Schlitzer, vielen Dank für das Interview.

 

Guido Schlitzer blickt bereits auf zwanzig Jahre Venture-Capital-Erfahrung zurück. Er gilt als anerkannter Experte für professionelles Fondsmanagement im Risikokapitalbereich. Für den High-Tech Gründerfonds ist er in verschiedenen Positionen bereits seit 2005 tätig und war unter anderem federführend bei der Konzeption der zweiten und dritten Fonds-Generation. Vor seiner Tätigkeit beim HTGF war der Diplom-Volkswirt Investment Manager und später Head of Controlling bei der tbg Technologie- Beteiligungsgesellschaft mbH Deutschen Ausgleichsbank und CFO der IonGate Biosciences GmbH.