Ergänzung zum Eigenkapital

Venture Debt als Wachstumsbeschleuniger

Venture Debt
Ergänzung zum Eigenkapital: Venture Debt als Wachstumsbeschleuniger

Bildnachweis: ©m.mphoto – stock.adobe.com.

Neben dem klassischen Eigenkapital, bei dem der Investor Anteile am Stammkapital des Start-ups erhält, gibt es noch weitere Finanzierungsformen: Das Wandeldarlehen ist nicht mehr wegzudenken, Mezzanine-Finanzierungformen werden nach längeren Jahren des Rückzugs wieder beliebter, manch einer hatte auch schon Kontakt zu einer Simple Agreement on Future Equity-(Safe-)Note, und mittlerweile macht Venture Debt immer häufiger von sich reden. Doch ähnlich einem scheuen Reh haben nur wenige ein Venture Loan (ein Venture Debt-Darlehen) selbst gesehen. Zeit für einen Überblick.

Bei Venture Debt handelt es sich um Risikokapital in Form eines Darlehens, also Fremdkapital. Während Eigenkapital typischerweise langfristig und zur generellen Verwendung im Unternehmen zur Verfügung gestellt wird und nur ausnahmsweise eine Rückzahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt vertraglich vereinbart ist, sind Darlehen in der Regel mit einer festen Laufzeit verbunden oder kurzfristig kündbar. Fremdkapital ist also grundsätzlich auf Rückzahlung ausgerichtet und meist zweckgebunden. Nach diesem Zweck richten sich die Konditionen, zu denen es aufgenommen werden kann. Häufig sind diese Kondi­tionen aus Unternehmenssicht günstiger als beim Eigenkapital, weshalb sich Fremdkapital in Form von Venture Debt gerade bei schnell wachsenden Start-ups zunehmender Beliebtheit erfreut.

Warum ist Venture Debt günstiger als Venture Equity?

Der Grund für die regelmäßig günstigeren Konditionen von ­Venture Debt liegt zunächst ganz einfach in dem Vorrang der Rückzahlung von Fremdkapital. Erst nachdem alle Verbindlichkeiten bedient sind, dürfen sich Eigenkapitalgeber die verbleibenden Überschüsse zurückzahlen. Diese Nachrangigkeit birgt ein höheres Risiko, welches sich Eigenkapitalgeber vergüten lassen. Ein weiterer Grund liegt in der flexiblen Gestaltbarkeit von Fremdkapital. Ein Venture Loan kann sehr individuell auf die Situation und den Verwendungszweck des ­Kapitalsuchenden strukturiert werden. Dadurch reduziert sich für den Kapital­geber das Risiko und folglich auch der Zins. Diese ­Strukturierung hat jedoch auch ihren Preis: Häufig sind bei Venture Loans die Due Diligences intensiver, die Verhandlungen länger und die Ver­träge komplexer als bei klassischen Eigenkapitalfinanzierungsrunden. Dieser Aufwand lohnt sich in der Regel nur, wenn entsprechend viel Kapital aufgenommen wird.

Wozu dient Venture Debt?

Klassisch dient Venture Debt der Überbrückung bis zu einer nachfolgenden Finanzierungsrunde mit Eigenkapital – es kann diese aber auch ergänzen oder einer solchen unmittelbar nachfolgen. Damit kann Venture Debt als Wachstumsbeschleuniger ein­gesetzt werden, manchmal sogar für Akquisitionen von ande­ren Unternehmen. Häufig finanzieren Unternehmen mit Venture Debt die Einstellung von Mitarbeitern oder die Weiterentwicklung ihrer Produkte und stärken somit nicht nur die Liquidität, sondern auch ihre Innovationskraft.

Wann kann Venture Debt aufgenommen werden?

Im Grunde kann Venture Debt immer aufgenommen werden. Es besteht jedoch die Regel, dass Unternehmen zunächst bereits in erheblichem Umfang Eigenkapital eingesammelt haben müssen, bevor sie als Kreditnehmer für Venture Debt in Betracht kommen. Das liegt einerseits an den Transaktionskosten von Venture Loans, die nur bei größeren Kreditvolumina wirtschaftlich sind und damit eine gewisse Unternehmensgröße voraussetzen. Andererseits hat es auch den einfachen Grund, dass die Eigenkapitalbasis für das Vertrauen von Eigenkapitalgebern sig­na­lisiert und damit das Risiko für die Anbieter von Venture Debt senkt. Zudem bieten Unternehmen, die bestimmte Meilensteine bereits erreicht haben, mehr Ansatzpunkte für kreditrelevante Unternehmenskennzahlen. Je besser das Unternehmen dem Risiko­kapitalgeber darlegen kann, wie und wofür das Geld inves­tiert werden soll und welche Strategie das Management damit verfolgt, desto wahrscheinlicher ist eine Zusage. Dies setzt eine gewisse Erfahrung im Management voraus. Mittlerweile werden auch Venture Loans angeboten, die weniger an Unternehmenskennzahlen, sondern viel mehr am Lebenseinkommen der Gründer anknüpfen und sich so mit deutlich kleineren Kreditbeträgen an sehr frühe Unternehmensphasen und sicherlich mutige Gründer richten. Die Vorteile von Venture Debt kommen regelmäßig am besten zum Tragen, wenn eine gewisse Bonität vorausgesetzt und damit vorhandenes Eigenkapital zu attraktiven Konditionen gehebelt werden kann. Jedenfalls sollte das Unternehmen aus sei­nem Cashflow Zins und Tilgung des Darlehens bedienen können.

Von wem kann ich Venture Debt bekommen?

Neue Anbieter von Venture Debt sprießen wie Pilze aus dem ­Boden. Nicht alle sind gekommen, um zu bleiben. Darum sollte nicht nur der Risikokapitalgeber prüfen, ob das Unternehmen kreditwürdig ist, sondern auch das Unternehmen, ob der Investor zu ihm passt. Etablierte Player auf dem Markt sind die ­Europäische Investitionsbank, der europäische Arm der Silicon ­Valley Bank und die KfW, wobei Venture Loans von Letzterer nur über die Hausbank abgeschlossen werden können.

Welche Merkmale hat Venture Debt?

Venture Debt ist wie erläutert Fremdkapital und damit in aller Regel ein Darlehen. Üblich sind feste Laufzeiten und eine Rückzahlung am Ende der Laufzeit oder jedenfalls eine für die Anfangs­zeit ausgesetzte Tilgung. Die Zinsen können ebenfalls endfällig sein, es scheint sich aber eine laufende Zinszahlung durchzusetzen. Zudem wird regelmäßig eine ­Transaktionsgebühr fällig. Die Grundlagen der Ermittlung der Kreditwürdigkeit werden durch umfangreiche Garantien abgesichert. Es werden zahlreiche Auflagen, sogenannte Covenants, vereinbart, anhand derer kontrolliert wird, ob sich das Unternehmen in dem erwarteten Entwicklungskorridor befindet. Werden diese nicht erfüllt, können Strafzinsen anfallen, zusätzliche Gebühren erhoben wer­den oder Kündigungsrechte entstehen. Häufig verzichtet der Venture Debt-Geber auf diese Kündigungsrechte (sogenannte Waiver), wenn weitere Auflagen vereinbart werden. Aus Sicht des Unternehmens gilt es, diese Klauseln genau zu verstehen, da sie weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen können. Wenngleich der Verhandlungsspielraum oft überschaubar ist, sind erfah­rene Berater an dieser Stelle unumgänglich und können im Detail entscheidende Freiheiten für die Unternehmensführung verschaffen. Sie unterstützen auch, wenn sich das Unternehmen nicht im Rahmen des ursprünglich vereinbarten Korridors entwickelt und vom Venture Debt-Geber Anpassungen abverlangt werden müssen. Selbstredend möchte der Venture Debt-Geber im erfolgreichen Verlauf an der Upside partizipieren. Dafür sichert er sich entweder ein Recht zum Bezug von Geschäftsanteilen zu einem vorher festgelegten Preis (ein Warrant) oder einen zusätzlichen variablen Zins, den Equity-Kicker. Für den Fall des weniger erfolgreichen Verlaufs müssen regelmäßig sämtliche vorhandenen Vermögensgegenstände als Sicherheiten eingesetzt werden. Wer hier vorausschauend plant, kann unter Umständen für weitere Finanzierungen bestimmte Plätze freihalten. Zu guter Letzt sei erwähnt, dass die Unterschiede zwischen den Anbietern von Venture Debt teils erheblich sind. Wenn möglich, sollten frühzeitig Konditionen verglichen werden.

Welche Nachteile sind mit Venture Debt verbunden?

Dem Vorteil der in der Regel günstigeren Kapitalkosten stehen auch Nachteile gegenüber. Der oftmals unterschätzte Transaktions­aufwand kann abgemildert werden, indem die Aufnahme von Venture Debt mit einer Eigenkapitalfinanzierungsrunde verbunden oder dieser unmittelbar nachgelagert wird. Darüber hinaus engen die zuvor erwähnten Covenants und Mitbestimmungsrechte des Venture Debt-Gebers die Unternehmensführung häufig in stärkerem Maße ein, als dies bei klassischem Venture ­Equity üblich ist. Hier gilt es, vorhandene Spielräume aufzuzeigen und zu nutzen.

 

Björn Weidehaas ist Rechtsanwalt und Partner der Lutz | Abel Rechtsanwalts PartG mbB in München. Er ist spezialisiert auf Venture Capital und ­berät Mandanten im Handels- und Gesellschaftsrecht sowie im Insolvenzrecht.