Warum muss es immer eine Neugründung sein?

Nutzung externer Unternehmensnachfolge als Alternative zur Firmenneugründung

Autoren: Stefan Märk & Mario Situm

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Gemäß IfM Bonn wird berichtet, dass zwischen 2018 bis 2022 etwas 150.000 Unternehmen in Deutschland mit ca. 2,4 Mio. Beschäftigten in der Übergabephase stehen. Im DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2019 ist ersichtlich, dass es eine hohe Anzahl an Personen gibt, welche sich für die externe Übernahme eines Unternehmens interessieren, wobei gleichzeitig in Anlehnung an Zahlen von Statista zu beobachten ist, dass die Zahl jener, welche eine gewerbliche Existenzgründung angehen, tendenziell rückläufig ist. Unter dem Gesichtspunkt dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob es wirklich immer eine Neugründung sein muss oder ob es möglicherweise besser wäre, die unternehmerische Karriere durch die Akquisition eines bestehenden Unternehmens zu starten?

Unternehmertum ist für jedes Land von großer Bedeutung, denn nur so können sich Volkswirtschaften entwickeln, um Wohlstand zu ermöglichen. Daher ist es im grundsätzlichen Interesse, dass Unternehmen fortbestehen bzw. fortgeführt werden, damit diese Ziele erreicht werden können. Selbstverständlich bedarf es auch in bestimmten Bereichen an Neugründern, denn diese sind es, welche häufig Innovationen auf den Markt bringen. Familienunternehmen können im Wesentlichen intern oder extern fortgeführt werden, wobei sich die Tendenz verspüren lässt, dass es immer schwieriger wird, den Nachfolger aus den eigenen Reihen – also intern – gewinnen zu können. Damit steigt die Nachfrage aus Sicht der Übergeber nach externen Nachfolgern in Deutschland, was auch nach einer Studie der KFW Research aus dem Jahre 2022 ersichtlich ist. Dort wird die externe Nachfolge (bis 2025) von 36% der Befragten als favorisierte Variante angestrebt. Gemäß einer Studie der KMU Forschung Austria im Jahre 2021 sehen in Österreich sogar 58% der Übergeber eine externe Nachfolge im Zeitraum 2020-2030 vor.

Ein potenzieller Markt aus Unternehmensübergebern und Neugründern?

Aus den vorherigen Ausführungen erscheint es daher sinnvoll, Übergeber, welche einen externen Nachfolger suchen, und Existenzgründer, welche den Weg in das Entrepreneurship suchen, zusammen zu bringen, damit beiderseitige Interessen verschmolzen werden können. Grundsätzlich wäre das Zusammentreffen der Suche nach einem Nachfolger als Angebot (es wird die Übernahme eines Unternehmens angeboten) zu sehen, wobei das Streben, eine unternehmerische Karriere zu beginnen, als Nachfrage nach Entrepreneurship zu sehen ist. Ob eine solcher „Markt“, bei welchem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen in der Realität wirklich existiert, ist auf Grund der eher überschaubaren Anzahl an Unternehmensübergaben, welche mit der Realisierung einer Neugründung einhergehen, fraglich. Fraglich erscheint aber auch, warum dies so ist, denn wenn man nähere Überlegungen hierzu hegt, erscheint es nur logisch, dass so ein Markt funktionieren müsste.

Risiko und Finanzierung als Treiber eines solchen Marktes

Jeder Neugründer ist einem hohen Risiko ausgesetzt, denn auf Grund der noch zu geringen Erfahrungen hinsichtlich des effektiven Marktpotenzials, der geringen Managementerfahrung als auch der grundsätzlich geringen finanziellen Ausstattung ist die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns deutlich höher, als es bei etablierten Unternehmen der Fall ist. Dies erscheint auch auf Grund unterschiedlichster theoretischer Konzepte plausibel erklärbar:

  • Im ressourcenbasierten Ansatz der Betriebswirtschaft wird davon ausgegangen, dass Unternehmen nur dann erfolgreich am Markt agieren können, wenn sie bereits bestimmte Ressourcen besitzen (wobei hier auch Wissen hinzugezählt werden kann) und es geschafft haben, Kernkompetenzen aufzubauen, welche in dieser Art und Weise von Mitbewerbern nicht nachgeahmt werden können.
  • Ausgehend vom netzwerkorientierten Ansatz der Betriebswirtschaft ist der Erfolg eines Unternehmens dadurch geprägt, wie gut dieses im Umfeld mit anderen Akteuren vernetzt ist und in Kooperation gehen kann. Der Prozess der Netzwerkbildung kann im Allgemeinen nicht in kürzester Zeit erfolgen, sodass Start-Ups eher in einem noch nicht vertrauten und bekannten Umfeld agieren müssen.
  • Beim marktorientierten Ansatz der Betriebswirtschaft ist der Erfolg des Unternehmens von der Bereitschaft des Marktes abhängig, die vom Start-Up bereitgestellten Leistungen abzunehmen. Gerade bei neuen und innovativen Leistungen ist dies jedoch schwierig abschätzbar.

All diese Voraussetzungen sind in der Regel nicht unbedingt in einem hohen Maße bei Neugründern erfüllt, sodass die Quote jener, welcher schlussendlich am Markt Fuß fassen können, sehr gering ist. Trotz dieser geringen Erfolgsquoten vagen es potenzielle Unternehmensgründer immer wieder, die Selbständigkeit durch ein Start-Up zu suchen, was auf Grund unterschiedlichster Motive erklärt werden kann. Sie setzen sich demnach dem hohen inhärenten Risiko des Scheiterns aus, weil sie damit dennoch hohe Chancen assoziieren.

Dennoch ist es für viele nicht möglich, ein Start-Up zu gründen, weil es finanzieller Mittel bedarf, um die betrieblichen Leistungsprozesse einleiten zu können. Gemäß der Studie „Deutscher Startup Monitor 2021“ werden Start-Ups zu 74,9% über eigene Ersparnisse, zu 22% über Familie und Freund, zu 43,2% über staatliche Fördermittel und nur zu 16,1% über Bankdarlehen finanziert. Die geringe Quote der Bankenfinanzierung ist klar auf die potenziellen Risiken zurück zu führen, welche auch im Einklang mit den dargestellten theoretischen Ansichten stehen. Eigenkapital (in vielen Fällen auch jenes der Familie) stellt Risikokapital dar und im schlechtesten Fall geht dieses Investment vollständig verloren.

Externe Unternehmensnachfolge als Lösung für Neugründer?

In Anlehnung an die vorherigen Ausführungen müsste man sich die Frage stellen, ob es möglich wäre ein Start-Up zu entwickeln bzw. zu gründen, dabei das Risiko des Scheiterns reduziert werden kann und gleichzeitig der Zugang zu Finanzierungsquellen ermöglich wird. Dies könnte man dahin gehend beantworten, dass es nicht unbedingt erforderlich ist, immer etwas neu aufzusetzen, um den eigenen Traum des Entrepreneurship leben zu können. Der Antritt einer externen Unternehmensnachfolge birgt mehrere Vorteile, welche diese „Alternative“ durchaus als attraktiv erscheinen lassen:

  • Deutlich geringeres Risiko des Scheiterns, da man ein etabliertes Unternehmen mit ausreichend Ressourcen (bspw. Know-How, Maschinen, Mitarbeiter, Kundenstock etc.) als auch einem erprobten Geschäftsmodell erwerben kann.
  • Verbesserter Zugang zu Finanzierungsquellen, weil bestimmte „soft facts“ gegeben sind, welche das Risiko für potenzielle Investoren als auch Fremdkapitalgeber reduzieren.
  • Deutlich bessere Vernetzung mit unterschiedlichen Stakeholdern, was zu einer Stabilität in der Geschäftstätigkeit führt und auch weiterführenden Kooperationen und Geschäftsfelderweiterungen ermöglicht.
  • Solide Basis, um die Start-Up Idee entwickeln bzw. vorantreiben und als innovatives Geschäftsmodell etablieren zu können.

Selbstverständlich können hier auch andere Vorteile genannt werden, welche die externe Unternehmensnachfolge als Start-Up Lösung grundsätzlich stützen. Offen bleibt jedoch die Frage, warum es dennoch keine erweiterte Akzeptanz in der Start-Up Szene besitzt, was Potenzial für weitere Diskussionen als auch wissenschaftliche Forschung ermöglicht. Wenn man wahrscheinlich die Ausführungen weiterführt, wird man auch Hürden für eine mögliche Umsetzung anführen können, aber gerade das ist es ja, was spannend wäre, um eine Weiterentwicklung sowie Festigung einer „alternativen Start-Up“-Szene zu etablieren.

Fazit

Nicht alles Neue ist immer gut und führt zum Erfolg. Dies ist auch im Bereich von Start-Up Unternehmen der Fall, was anhand zahlreicher Beispiele feststellbar ist. Der wesentliche Grund hierfür ist das inhärente Risiko einer Neugründung, welches anhand theoretischer betriebswirtschaftlicher Modelle erklärt werden kann und auch in der betrieblichen Praxis eine enorme Hürde für den Entrepreneur darstellt. Die Reduktion dieses Risiko könnte durch die Akquisition eines Unternehmens vorgenommen werden, bei welchem der „Unternehmensgründer“ in ein bestehendes Business einsteigt und bei Vorliegen einer stabilen finanziellen und wirtschaftlichen Situation des Unternehmens eine solide Basis zur Weiterentwicklung der Start-Up-Idee erlangt. Der hierfür erforderliche Markt zwischen Anbieter und Nachfrager scheint noch nicht ausreichend etabliert zu sein, um diese Grundidee umfassend umsetzen zu können. Zu beobachten sind nur einzelne sporadische Lösungsansätze, welche dem skizzierten Prinzip folgen.

Im Allgemeinen kann vermerkt werden, dass ein funktionierender Markt zwischen Unternehmensübergeber und Start-Up-Gründern viele betriebs- und volkswirtschaftliche Vorteile aufweisen würde und anhand der Problemstellungen der unterschiedlichen Akteure eigentlich besser funktionieren müsste. Es gibt demnach bestimmte Hintergrundfaktoren, welche einen derartigen Lösungsansatz nicht im vollen Umfang ermöglichen. Das „von Null starten“ scheint einen bestimmten Reiz zu haben, ungeachtet der damit einhergehenden potenziellen Verluste, welche man bei einem Misserfolg ernten kann. Natürlich bedeutet Entrepreneurship immer Risiko, jedoch kann auch Risiko bewusst und kalkuliert eingegangen werden, was bei einer soliden Basis deutlich einfacher ist, als wenn keine gesicherte Grundlage besteht.

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