Die Stärke liegt in der Fläche

Traditionell und innovativ zugleich

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Nordrhein-Westfalen verfügt über eine lebendige Start-up-Szene. Im bevölkerungsreichsten Bundesland liegt die Stärke auch in der regionalen Ausbreitung und Vernetzung. In NRW überzeugen nicht einzelne Hotspots wie Berlin oder München – vielmehr agieren mehrere Regionen erfolgreich nebeneinander.

Diese vermeintliche Stärke des Standorts NRW ist ein Umstand, dem auch Investoren Rechnung tragen müssen.

Tanja Rosendahl, F-LOG Ventures
Tanja Rosendahl, F-LOG Ventures

„Der große Unterschied zu Berlin ist, dass NRW nicht ein Standort ist, an dem man Start-ups angesiedelt findet, sondern als Flächenland eher verteilte Hubs hat“, sagt Tanja Rosendahl, Managing Partner bei F-Log Ventures. Dies mache es für Investoren manchmal schwieriger, gute Start-ups in NRW zu finden. Trotzdem haben deutsche und teilweise internationale Wagniskapitalgeber den Standort auf dem Radar. „Veranstaltungen wie der HTGF Family Day, das ruhrSummit und jene der Digital Hubs in NRW helfen hier der Szene, sich weiterzuentwickeln und Start-ups und Investoren miteinander zu verknüpfen“, so Rosendahl. Natürlich, sagt sie weiter, seien gute Start-ups in der Lage, ihr Kapital unabhängig von ihrem Standort zu generieren. „Aber sie müssen etwas mehr um Aufmerksamkeit kämpfen als beispielsweise Start-ups vor der Haustür vieler Venture Capitalisten in Berlin.“

Dynamische Investoren

Claas Heise, NRW.BANK
Dr. Claas Heise, NRW.BANK

Ein wichtiger Player im Finanzierungsgeschehen ist die NRW.Bank. „In den vergangenen 20 Jahren hat sich die gesamte Szene sowohl im Venture Capital- als auch im Private Equity-Segment deutlich gewandelt und professionalisiert. Sie ist dynamischer geworden. Es engagieren sich viel mehr Akteure – von Business Angels und Family Offices über etablierte, deutsche und internationale Venture Capital- und Private Equity-Fonds bis zu regionalen Fonds“, sagt Dr. Claas Heise, Abteilungsleiter Venture und Seed Capital der NRW.Bank. Das Bundesland biete viel Potenzial. „Dies auch aufgrund seiner Standortfaktoren wie einer großen Zahl an Industrieunternehmen aller Größen in Kombination mit zahlreichen Forschungsinstituten und Universitäten und rund 18 Millionen Einwohnern.“ Die Start-up-Szene gibt sich innovativ und kann aus einem großen personellen Reservoir schöpfen.

Andrea Schubert, WiFö Dortmund
Andrea Schubert, WiFö Dortmund

An den Hochschulen in NRW studieren weit über 90.000 Studenten in den Bereichen Elektro-/Informationstechnik und Informatik. Allerdings benötigen Gründer nicht nur finanzielle Starthilfe, sondern auch Raum, um ihre Ideen weiterzuentwickeln. „Vor allem Life Sciences- und Chemie-Start-ups kämpfen noch mit anderen Herausforderungen. Sie haben einen hohen Bedarf an Laborraum, der selbst in den Start-up-Hubs in NRW knapp ist“, berichtet Dr. Heise. Dabei ist die Wirtschaft des Landes breit aufgestellt, eindeutige Technologieschwerpunkte lassen sich nicht identifizieren. „Für die Region Dortmund lässt sich ein Bogen schlagen“, sagt Andrea Schubert, Leiterin Team Gründen bei der Wirtschaftsförderung Dortmund. „In der Tradition des Ruhrgebiets steht Dortmund für Produktionstechnologie und Logistik mit all seinen digitalen Komponenten und Transformationsprozessen.“ Zudem stehe man traditionell eher für ein B2B-Umfeld und arbeite gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft an den nachhaltigen Zukunftsthemen aus den Bereichen Smart City, Energie und Greentech. „Dabei sind unsere starken IT-Unternehmen und unser regionales Start-up-Ökosystem das Fundament stetiger Entwicklung und Innovation“, unterstreicht Schubert. 

Kontakte zwischen Wagnisinvestoren und Hochschulen

Bildet dieses Fundament also den Nährboden etwa für Ausgründungen aus dem Hochschulbereich, aus denen häufig die marktbeherrschenden Produkte und Technologien entstehen? „Ausgründungen aus Hochschulen sind in Deutschland, und damit auch in NRW, weiterhin als eher gering einzuschätzen“, sagt Rosendahl. Zwar wurden in den letzten Jahren zunehmend Förder- und Beratungsprogramme aufgelegt, etwa das Gründerstipendium NRW, und es treten auch vermehrt Start-ups als Hochschulausgründungen auf. „Trotzdem ist die Anzahl von erfolgreichen und von Risikokapital finanzierbaren Ausgründungen im Vergleich zu anderen Ländern noch gering“, so Rosendahl. „Das Bewusstsein für Entrepreneurship, Start-up Economy et cetera steigt aber zunehmend bei Studierenden und wird meiner Meinung nach in den nächsten Jahren auch zu mehr Ausgründungen führen.“ Wünschenswert wäre, so Rosendahl weiter, eine frühe Begleitung durch neutrale Beratung an den Hochschulen, die frühzeitig späteren Gründern die Rahmenbedingungen gibt, erfolgreich auszugründen. „Viele Gründer treffen gerade in der Anfangsphase falsche Entscheidungen, die spätere Venture Capital-Finanzierung erschwert oder teilweise auch blockiert. Auch wäre eine frühe Verknüpfung von Frühphaseninvestoren und Business Angels über spezielle Veranstaltungen sinnvoll, um hier noch früher einen Kontaktpunkt zu schaffen.“ Viele in NRW ansässige Wagniskapitalgeber unterhielten bereits direkten Kontakt mit den Hochschulen – dieser beruhe aber oft auf persönlichen Beziehungen zu einzelnen Professoren, sagt Rosendahl. 

Ausblick

„Die Herausforderungen unserer Zeit sind mit technologischen Innovationen nicht allein zu lösen. Ob Klimakrise oder Themen wie Bildung, Teilhabe, Diversität – all dies erfordert auch neue Denkweisen und veränderte gesellschaftliche Praktiken, eben soziale Innovationen.“ Eine nachhaltige und somit zukunftsfähige Wirtschaftsregion profitiere von einem Start-up-Ökosystem, das sowohl technologische Start-ups als auch Social Entrepreneure im Fokus hat. Darüber hinaus gelte es, das Potenzial von Gründerinnen und migrantischen Gründungen immer im Blick zu haben und voranzubringen. Dr. Heise von der NRW.Bank zeigt sich zuversichtlich für den Standort. „Die vergangenen Jahre waren in Sachen Venture Capital-Finanzierung in NRW recht erfolgreiche Jahre“, sagt er. „Das darf gerne so weitergehen.“