„Die Deal-Volatilität nimmt auffallend stark zu“

Interview mit Johannes Steinel und Michael Wahl, Eight Advisory

Johannes Steinel und Michael Wahl, Eight Advisory
Johannes Steinel und Michael Wahl, Eight Advisory

Bildnachweis: (c) brutkasten/Eight Advisory.

Die Hochphase der Start-up-Investitionen hat bedingt durch die aktuellen Herausforderungen einen Dämpfer erhalten. Es ist Zeit für ein Fazit zum ersten Halbjahr und einen Blick nach vorn. In den Sommerinterviews erzählen Persönlichkeiten aus der Private Equity- und Venture Capital-Branche von Fundraising- und Investmenterfahrungen, schätzen den aktuellen Markt ein und berichten von ihren Erwartungen für das zweite Quartal.

VC Magazin: Wie bewerten Sie den Private Equity-Markt mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen durch Ukraine-Krieg, Inflation und Zinswende?

Wahl: Der deutsche Private Equity-Markt zeigte unmittelbar nach Beginn des Ukraine-Krieges einen leichten Rückgang der Deal-Intensität, der jedoch sehr rasch überwunden war. Über den Sommer hinweg bewegte sich der M&A-Markt insgesamt auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2021. Die sich mittlerweile verfestigende Inflation lastet stark auf der Attraktivität von Consumer-intensiven Geschäftsmodellen. Die deutlich gestiegenen Zinsen am Kapitalmarkt wirken sich negativ auf die Verfügbarkeit und die Kosten von Unternehmensfinanzierungen aus. Dies gilt sowohl für Betriebsmittelkredite von Unternehmen des bestehenden Beteiligungsportfolios, wie auch für Buy-out-Finanzierungen im Hinblick auf Neuinvestments. Generell dürfte die durchschnittliche Leverage-Ratio bei Private Equity-Deals weiterhin rückläufig sein. Insgesamt wuchs der europäische Buy-out-Markt im 2. Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahresquartal um rund 25% auf knapp über 80 Mrd. Euro, wenngleich die Anzahl der Buy-outs um 8% abnahm und sich daher das durchschnittliche Deal-Volumen leicht erhöhte. Corporates überprüfen ihre Strategie und Portfoliozusammensetzung in Krisenzeiten, was zu Verkäufen und deshalb zu Gelegenheiten für Private Equity im Laufe des nächsten Jahres führen kann.

VC Magazin: Welche Auswirkungen sehen Sie bereits mit Blick auf das Preisniveau?

Steinel: Mit Ausnahme einzelner Industriesektoren, deren Bewertungsindikatoren weitgehend konstant blieben oder sogar noch weiter steigen (Software, Pharma, Healthcare), zeigt sich eine spürbare Zurückhaltung auf der Käuferseite in Bezug auf sehr hohe Bewertungsvorstellungen der Käuferseite, insbesondere im Falle von strategischen Investoren. Es darf davon ausgegangen werden, dass die durchschnittlichen Bewertungs-Multiples kurz- bis mittelfristig rückläufig sein werden.

VC Magazin: Mit Blick auf die Exitkanäle: Welche sind aktuell hoch im Ranking? Werden Secondary-Buy-Outs unter der gegebenen Situation für die Private Equity-Häuser zunehmend attraktiver?

Wahl: Mit Ausnahme des starken zweiten Quartals werden Private Equity-Investments im Gesamtjahr 2022 voraussichtlich rückläufig sein. Insbesondere Early-Stage Investments waren im ersten Halbjahr schon stark rückläufig. Im Buy-out-Segment ist dieser Trend etwas weniger stark ausgeprägt. Die Anzahl und der Wert der Exits waren im ersten Halbjahr 2022 noch stärker rückläufig als die Deals. Die größten deutschen Private Equity-Deals des ersten Halbjahres waren VTG, Corden Pharma, Aareal Bank und Medifox Dan. Mit Ausnahme der Aareal Bank waren alle genannten Deals Secondary-Buy-outs. Dieser Trend wird sich vermutlich kurzfristig fortsetzen, da zahlreiche institutionelle Investoren in ihren Portfolios Exit-Opportunitäten prüfen. Bei den strategischen Investoren wiederum ist aktuell eine Zurückhaltung im Hinblick auf allzu hohe Bewertungsniveaus festzustellen. Auch dieser Trend wird sich im Falle weiter steigender Kapitalmarktzinsen und/oder einer gesamtwirtschaftlichen Rezession wohl weiter verstärken.  Allerdings benötigen strategische Investoren keinen Fremdkapital-Hebel, haben einen langfristigen Blick auf Zukäufe und werden deshalb als Käufer möglicher Private Equity-Exits in den Vordergrund treten („Trade Sales“). Darüber hinaus profitieren US-Strategen vom aktuell starken US-Dollar.

VC Magazin: Welche Erwartungen haben Sie mit Blick auf die zweite Jahreshälfte für das Private Equity-Segment?

Steinel: Während die globale und insbesondere die europäische Wirtschaft von einer Krise in die nächste steuert (Pandemie- und Kriegsfolgen, Lieferkettenstörungen, Energiekrise, Inflation), schien sich der M&A-Markt zunächst recht stabil zu halten. Mittlerweile zeigen sich jedoch Anzeichen einer möglichen Abkühlung. Zahlreiche Investment-Commitees aktiver Investoren werden vorsichtiger und warten im Zweifel eine etwas besser planbare Zukunft ab. Auffällig ist insbesondere eine starke Zunahme der Deal-Volatilität und in diesem Zusammenhang auch eine Zunahme der abgebrochenen oder verschobenen Prozesse. Industriestrategisch sinnvolle Deals werden weiterhin stattfinden – Unternehmen, die ihr Leistungsspektrum gezielt stärken wollen, institutionelle Investoren, die Add-on-Investments tätigen, werden den M&A-Markt weiterhin treiben. Allerdings werden die Marktteilnehmer sehr vorsichtig agieren und pre-Deal Due Diligence-Bemühungen intensivieren, keine übertriebenen Kaufpreisindikationen akzeptieren und vor allem (im Falle von Private Equity-Investoren) ihr bestehendes Beteiligungsportfolio im Hinblick auf operative Optimierungspotenziale und mögliche Exit-Optionen untersuchen.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Zu den Interviewpartnern:

Michael Wahl leitet als Managing Partner bei Eight Advisory vom Standort
Frankfurt aus das Deutschland-Geschäft der internationalen Transaktions- und
Transformationsberatung; sein Fokus ist der Bereich Transaction Services.


Johannes Steinel ist Partner bei Eight Advisory in Frankfurt und Zürich; er ist
Mitglied der Practice Restructuring & Performance Improvement.