Gründer nachträglich und zusätzlich am Start-up beteiligen

Cap Table-Korrekturen

Dr. Lorenz Jellinghaus und Constanze Hachmann, Lutz | Abel
Dr. Lorenz Jellinghaus und Constanze Hachmann, Lutz | Abel

Bildnachweis: (C) Lutz | Abel.

Statistisch betrachtet verändert sich bei circa 70% aller Start-ups im Zuge der Unternehmensentwicklung die Zusammensetzung des Gründerteams. Nicht immer geht es darum, dass einzelne Gründer das Unternehmen als Good oder Bad Leaver verlassen. Vielmehr sollen sie häufig nachträglich beteiligt werden. Doch wie kann eine solche Korrektur des Cap Table gelingen?

Die Anlässe, eine – stärkere – Incentivierung, also Beteiligung von Gründerteams, anzustreben, sind vielfältig: Zum einen gibt es Konstellationen, in denen ein zusätzliches Teammitglied als Gründer in den Gesellschafterkreis aufgenommen werden soll. Zum Beispiel: Ein CTO beginnt als Angestellter und wächst im Laufe der Zeit in die Rolle eines Mitgründers hinein. Zum anderen ist das Gründerteam in manchen Fällen im Zuge von Finanzierungsrunden so stark verwässert worden, dass Investoren der Folgerunde eine entsprechende Korrektur der Beteiligungsverhältnisse verlangen, um sicherzustellen, dass das Gründerteam ausreichend am Unternehmen beteiligt ist.

Vom Gesetzgeber strukturierte Instrumente fehlen

In mehreren Rechtsordnungen existieren eigene Anteilsklassen, um eine nachträgliche Ausgabe von Anteilen in einer späteren Unternehmensphase zu ermöglichen. Aus Großbritannien kennt man beispielsweise die Anteilsklasse der Growth Shares, die es ermöglicht, steuerneutral Anteile in einer späteren Unternehmensphase zu nominal auszugeben. In Deutschland fehlen derartige vom Gesetzgeber strukturierte Instrumente aktuell (der Beitrag ist auf die Rechtsform der GmbH ausgerichtet, da die GmbH die am
häufigsten genutzte Rechtsform für Start-ups darstellt). Dies hat zur Folge, dass Geschäftsanteile grundsätzlich zu ihrem Marktwert auszugeben sind. Gründerinnen und Gründer müssen also grundsätzlich den gleichen Anteilspreis zahlen wie externe Dritte. Sollen
Anteile „günstiger“ ausgegeben werden, führt dies regelmäßig zu einem geldwerten Vorteil, der gegebenenfalls sogar mit dem Einkommensteuersatz zu versteuern ist. Gründerinnen und Gründer haben aber gerade in späteren Phasen der Unternehmensentwicklung
(wenn Bewertungen durch Finanzierungsrunden stattfinden) oft nicht die finanziellen Ressourcen, um den in diesem Zeitpunkt bereits hohen Marktwert für die neuen Geschäftsanteile zu zahlen. Insofern stellt sich folgendes Dilemma: Der Marktpreis für die neu
auszugebenden Geschäftsanteile kann von den Gründerinnen und Gründern nicht aufgebracht werden, und die Ausgabe zu nominal führt zu nicht tragbaren steuerlichen Nachteilen, Stichwort Dry Income.

Virtuelle Beteiligungen in der Praxis

In der Praxis werden daher sehr häufig virtuelle Beteiligungen unter einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm ausgegeben, um Gründerinnen und Gründer stärker am Start-up zu beteiligen. Allerdings vermitteln virtuelle Beteiligungen anders als „echte“ Geschäftsanteile keine Gesellschafterrechte und unterliegen gegenüber einer Beteiligung mit „echten“ Anteilen einem schlechteren Steuerregime. Um die Vorteile einer „echten“ Beteiligung zu erreichen, wird daher immer wieder durch vertragliche Absprachen eine eigene Anteilsklasse gebildet, die dem Konzept der Growth Shares folgt.

Growth Shares

Inhaber von Growth Shares partizipieren am Wertzuwachs des Unternehmens ausschließlich oberhalb des Werts, den das Unternehmen im Ausgabezeitpunkt der Growth Shares hat. Growth Shares sind mit einer sogenannten negativen Liquidationspräferenz in Höhe des Unternehmenswerts zum Ausgabezeitpunkt ausgestattet; häufig auch als Hurdle bezeichnet. Ohne Wertzuwachs haben die Growth Shares keinen wirtschaftlichen Wert, und den Gründern
fließt damit im Ausgabezeitpunkt kein geldwerter Vorteil zu. Für die Übernahme der Growth Shares haben Gründerinnen und Gründer lediglich den Nominalwert der Geschäftsanteile aufzubringen. Um steuerliche Nachteile zu vermeiden, partizipieren diese Geschäftsanteile allerdings erst oberhalb der Hurdle. Somit nehmen die Inhaber von Growth Shares nur an einer Wertsteigerung teil, die sich nach Ausgabe der Growth Shares einstellt.

Vertragliche Ausgestaltung: Negative Liquidationspräferenz

Growth Shares haben grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten, insbesondere dasselbe Stimmrecht, wie Common Shares. Allerdings sollen Growth Shares nur oberhalb der aktuellen Hurdle profitieren. Um dieses Ziel zu erreichen, wird mit einer negativen Liquidationspräferenz gearbeitet. Klassische Liquidationspräferenzen wirken sich grundsätzlich positiv für den jeweiligen Gesellschafter aus: Sie bewirken nämlich, dass der Inhaber einer Liquidationspräferenz vorrangig gegenüber anderen Gesellschaftern bei der Verteilung von Erlösen zu berücksichtigen ist. Anders sieht dies bei einer negativen Liquidationspräferenz aus: Diese bedingt, dass der jeweilige Gesellschafter bis zu einem bestimmten Betrag nicht an der Verteilung von Erlösen partizipiert.

Empfehlungen zur Implementierung der Growth Shares

Den Cap Table mittels der Einführung von Growth Shares zu korrigieren ist mit einigem Aufwand verbunden. Zum einen muss durch entsprechende vertragliche Absprachen die Anteilsklasse der Growth Shares (inklusive negativer Liquidationspräferenz) gebildet werden. Zum anderen sind die steuerlichen Konsequenzen sorgfältig zu betrachten. Nicht zuletzt müssen die Gesellschafter davon überzeugt werden, dass sich durch die Ausgabe von Growth Shares für das Start-up keine negativen Konsequenzen ergeben.

Steuerliche Sicherheit

Aus steuerlicher Sicht kann es sich anbieten, das Konzept der Growth Shares mit einer Lohnsteueranrufungsauskunft auf Ebene der Gesellschaft abzusichern. Im Rahmen der Lohnsteueranrufungsauskunft überprüft das zuständige Finanzamt, ob die Ausgabe der Growth Shares einen geldwerten Vorteil darstellt. Für weitergehende steuerliche Sicherheit kann auf Ebene der Gesellschafter, das heißt der Gründerinnen und Gründer, eine verbindliche Auskunft beantragt werden. Zu beachten ist allerdings, dass eine verbindliche Auskunft mehr Zeit in Anspruch nimmt sowie mehr Kosten verursacht und dass eine Durchsetzungssperre besteht.

Fazit

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die Etablierung von Growth Shares ein geeignetes Instrument darstellt, um den Cap Table von Start-ups zu korrigieren. Allerdings ist der Aufwand gerade gegenüber der Ausgabe von virtuellen Anteilen relativ hoch, sodass im Einzelfall genau ermittelt werden soll, ob die mit den Growth Shares verbundenen Vorteile den Aufwand rechtfertigen oder ob die Ausgabe von virtuellen Beteiligungen das Instrument der Wahl ist.