Exits im krisengeplagten Marktumfeld

Tipps für Gründer bei der Veräusserung des Start-ups

Frank Tepper-Sawicki, Tim Schinkel, Dentons (v.l.n.r.)
Frank Tepper-Sawicki, Tim Schinkel, Dentons (v.l.n.r.)

Bildnachweis: Dentons.

Wenn Gründer sich mit der Veräußerung ihres Unternehmens beschäftigen, gibt es
dafür zahlreiche Auslöser: Das Start-up bewegt sich in einem kapitalintensiven Umfeld, kann sich nach einer Übernahme gegebenenfalls besser entwickeln, ein geeigneter strategischer Akquisiteur bietet sich an oder es liegen monetäre Interessen der Gründer beziehungsweise Altgesellschafter vor.

Ungeachtet der Gründe können bestimmte rechtliche Aspekte für Gründer insbesondere im derzeitigen von Krisen geplagten Marktumfeld bei der Transaktionsdokumentation relevant werden.

Ausgewählte Aspekte der Transaktions-Dokumentation

Anders als Finanzierungsrunden, die in Form einer Kapitalerhöhung zur Eigenkapitalfinanzierung der Gesellschaft durch die Ausgabe und Übernahme neuer Anteile an einer GmbH gegen das
Einbringen von frischem Kapital erfolgen, ist der Exit ein Verkauf der bereits gehaltenen Anteile an einen Dritten. Da überwiegend ein Interesse der Neugesellschafter an der Fortführung des Geschäftsbetriebs des Start-ups besteht, bedarf es einiger besonderer
Regelungen beziehungsweise Instrumente im Kaufvertrag, um die Überführung in geeigneter Weise sicherzustellen. Daneben treten weitere unsichere Rahmenbedingungen, die in vielen aktuellen Transaktionsdokumentationen Berücksichtigung finden.

Sellers’ Agreement, Sell-Side Due Diligence

Bei einem Exit mit mehreren Verkäufern können durchaus potenzielle Käufer, insbesondere strategische Investoren versuchen, einen Keil zwischen die einzelnen Parteien auf Verkäuferseite zu treiben, um bessere Konditionen zu erzielen.

Exit-Vereinbarung oder Sellers’ Agreement

Um einer solchen Situation vorzubeugen, kann es neben einigen weiteren Gründen sinnvoll sein, eine Innenvereinbarung zwischen den Parteien auf Verkäuferseite abzuschließen (Exit-Vereinbarung oder Sellers’ Agreement), flankiert durch eine entsprechende notariell beglaubigte Vollmacht zugunsten eines gemeinsamen Vertreters. Ziel einer solchen Innenvereinbarung ist es unter anderem, die gemeinsamen Interessen der Verkäufer zu bündeln und dafür zu sorgen, dass die Verkäufer gegenüber dem Käufer einheitlich, also wie ein Verhandlungspartner auftreten.

Sell-Side Due Diligence

Zudem kann es für die Verkäuferseite sehr vorteilhaft sein, im Vorfeld zur Marktansprache oder vor Eintritt in die Verhandlungen eine rechtliche und auch finanzielle Sell-Side Due Diligence durchzuführen. Dies hilft dabei, einen besseren Blick auf das eigene Unternehmen
zu bekommen und somit eventuelle Risiken, aber auch Stärken des Unternehmens zu erkennen, was im Rahmen der Verhandlungsführung sehr wertvoll sein kann.

Kaufpreisklausel mit Earn-Out

In unsicheren Marktlagen generell und im Besonderen bei Exit-Situationen sind viele Kaufpreisklauseln als sogenannte Earn-outs gestaltet. Hierbei gibt es einen festen und einen variablen Teil bei dem Kaufpreis. Der variable Teil kann unterschiedlich ausgestaltet sein: Beispielsweise kann er vom Eintritt von (zukünftigen) Unternehmenszielen (etwa EBITDA) abhängen und bietet sich insbesondere dann an, wenn die Parteien bei der Bestimmung des Kaufpreises – aufgrund verschiedener Erwartungen an die Entwicklung des Unternehmens – nicht zueinander finden oder die Parteien aufgrund eines unsicheren Marktumfelds nicht zur Einigung gelangen. Derzeit ist beispielsweise die Bewertung von (einigen) Unternehmen auch infolge der geopolitischen Krisen deutlich schwieriger zu ermitteln. So stellt sich die Frage, ob die Performance des Unternehmens in der Vergangenheit von COVID-19 beeinträchtigt oder vielleicht sogar gegenüber durchschnittlichen Jahren verstärkt wurde. Hinzu kommen Unsicherheiten mit Blick auf die aktuelle Energiebeziehungsweise Ukrainekrise und Inflation. All das scheint sich jedenfalls im Hinblick auf den Kaufpreis mit einer Earn-out-Klausel lösen zu lassen, weswegen solche Regelungen in der näheren Zukunft an weiterer Beliebtheit gewinnen werden. In Fällen eines Exits soll ein Earn-out die Gründer auch in gesicherten Marktumfeldern zudem motivieren, das Wachstum des Unternehmens nach der Übernahme weiter zu fördern und dessen Übergabe an eine neue Geschäftsleitung vernünftig durchzuführen.

Vollzugsbedingungen

Auch kommt im Rahmen der Exit-Transaktionsdokumentation in der Regel die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die Transaktion vollzogen werden soll. Solche Vollzugsbedingungen sind aufschiebende Bedingungen, die erfüllt sein müssen oder auf dessen Erfüllung verzichtet werden muss, damit der „dingliche“ Vollzug (Closing) stattfinden kann. Es ist leicht ersichtlich, dass diese Vollzugsbedingungen stets auf den Einzelfall anzupassen sind, da zum Beispiel nicht bei jeder Transaktion die Fragen nach einer Kartellfreigabe oder Niederlegung etwaiger Ämter relevant sind. Bei einem Exit mit internationalem beziehungsweise grenzüberschreitendem Bezug ist beispielsweise die Frage des Foreign Direct Investments (FDI) zwingend zu beachten. FDI-Freigaben von den zuständigen Stellen in der jeweiligen Jurisdiktion können unter Umständen sehr kompliziert und zeitintensiv sein. Dies ist im Rahmen von Vollzugsbedingungen – gegebenenfalls auch bei dem sogenannten Long- Stop-Date – zu bedenken. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, welche festlegt, dass bis zu einem bestimmten Datum zum Vollzug der Transaktion bestimmte Verpflichtungen oder Bedingungen
erfüllt beziehungsweise eingetreten sein müssen. Sollte das nicht der Fall sein, so berechtigt die Klausel oft zur Kündigung. Auch COVID-19 kann hier unter Umständen immer noch zur Kündigung berechtigen, da die Pandemie noch nicht gänzlich vorbei ist und weiterhin Unwägbarkeiten bestehen, ob und wie diese Transaktionen insbesondere aus Käufersicht noch beeinflussen wird.

Sonstige Auswirkungen von Krisen auf Transaktionsdokumentation

Im Rahmen der derzeitigen weltweiten Krisen sind noch weitere Aspekte zu bedenken. Hier sind zum einen spezielle Kündigungsrechte zu nennen, die vor Abschluss der Transaktion greifen, wenn eine der Parteien gegen internationale Sanktionen verstößt. Aufgrund der Energie- beziehungsweise Ukrainekrise können ferner auch weitere unerwartete „Deal Breaker“ auftauchen, mit denen man vorher so nicht gerechnet hätte. Eine Sell-Side Due Diligence kann erkennbare Deal Breaker aufdecken. Diese zu kennen kann die Chancen auf überraschende Entwicklungen zwar nicht gänzlich ausschließen, aber die beherrschbaren Risiken deutlich reduzieren. Zur Transaktionssicherheit kann in diesem Zusammenhang zudem über die Vereinbarung von etwaigen Break-up Fees nachgedacht werden, sollte eine Partei aus reiner Unsicherheit und von der Transaktion ohne nachvollziehbare Gründe Abstand nehmen wollen.

Ist professioneller Support erforderlich?

Auch im Rahmen kleinerer Exits sollten sich die Gründer am besten so früh wie möglich fragen, ob sie professionellen Support zurate ziehen wollen oder gar müssen. Dies mag auf den ersten Blick als überflüssig erscheinen; so gibt es doch in rechtlicher Hinsicht öffentlich zugängliche Musterformulare wie bei dem German Standards Setting Institute oder in Formular-handbüchern, und man traut sich womöglich selbst die Verhandlungen und die Strukturierung des Verkaufs zu. Nicht selten möchte man gerade in kleineren Exits die Transaktionskosten gering halten. Auf den zweiten Blick spricht jedoch einiges dafür, sich bereits frühzeitig um einen professionellen Corporate Finance-Berater zu kümmern. Der Verkauf eines Unternehmens, welches man im Zweifel über mehrere Jahre und unter Einsatz einer Menge Zeit aufgebaut hat, kann für Gründer eine emotionale Angelegenheit sein, die höchstwahrscheinlich nur einmal im Leben stattfinden wird. Dies kann unter anderem dazu führen, dass man sich nicht vollumfänglich über die Schwächen oder den Wert des eigenen Unternehmens im Klaren ist. Hier können außenstehende Dritte mit einer höheren Marktkenntnis von Mehrwert sein: Denn eine genaue Einschätzung des Unternehmens und eine bessere Strukturierung des Verkaufs schafft Transaktionssicherheit und erhöht die Chance auf einen erfolgreichen Exit.

Fazit

Der Exit findet in diesen Tagen in einem eher instabilen Umfeld statt. Vor diesem Hintergrund ist es für Gründer besonders wichtig, wie man in dieser unsicheren Lage etwas mehr Sicherheit gewinnen kann. Mit den richtigen Ansätzen in der Transaktionsdokumentation
kann man mehr Abwägbarkeit und Kontrolle erlangen. Schon die Vorbereitung auf den Exit durch eine Sell-Side Due Diligence sowie ein Sellers’ Agreement kann hier eine erhöhte Transaktionssicherheit bieten. Durch die Vereinbarung eines Earn-outs können wirtschaftliche Unwägbarkeiten (jedenfalls teilweise und für den Moment) eingedämmt werden. Der einzelfallbezogene Zuschnitt der Vollzugsbedingungen kann zudem eine gewisse Sicherheit zum Vollzug bringen. Insgesamt wird es sowohl für Gründer als auch für den Erwerber spannend bleiben, wie der Markt – auch in vertraglicher Hinsicht – die aktuellen Krisen meistert.

Über die Autoren:

Frank Tepper-Sawicki, EMBA, ist als Partner von Dentons Europe an den Standorten Düsseldorf/München im Bereich Corporate/M&A und vorwiegend bei Private Equityund
Venture Capital-Investments tätig.

Tim Schinkel, LL.M., ist als Associate am Düsseldorfer Standort von Dentons Europe im Bereich Corporate/M&A tätig.