Hack aus dem Bioreaktor

Innocent Meat: Fleisch aus Stammzellen als Zukunftslösung

Laura Gertenbach und Patrick Inomoto von Innocent Meat und Investor Martin Schwarz, Genius Venture Capital (r.)
Laura Gertenbach und Patrick Inomoto von Innocent Meat und Investor Martin Schwarz, Genius Venture Capital (r.)

Bildnachweis: (c) Innocent Meat/Genius VC.

Fleischproduzenten leiden unter steigenden Kosten und fehlenden Fachkräften, die Umwelt unter hohem Energie- und Ressourcenverbrauch bei der Zucht von Tieren. Das könnte sich bald ändern, denn das Start-up Innocent Meat aus Rostock lässt Hackfleisch im Bioreaktor wachsen. Mit dabei als Investor: die Genius Venture Capital GmbH.

„Wir denken in Tonnage“, sagt Laura Gertenbach, eine der beiden Gründer von Innocent Meat, selbstbewusst. Mit der Technologie und dem Know-how des Unternehmens soll zukünftig ein Bioreaktor mit einem Fassungsvolumen von 2.500 Litern innerhalb von sieben Tagen rund 1,5 Tonnen Hackfleisch produzieren. Bis es so weit ist, werden vermutlich noch ein paar Jahre vergehen, aber das Start-up ist dem Laborstatus bereits entwachsen. Das Fleisch aus Stammzellen wächst nicht mehr in der Petrischale, sondern immerhin schon – so Gründerin Gertenbach – im „Zehn-Liter-Maßstab“. Für sie sei es bei der Gründungsidee unter anderem darum gegangen, den Prozess der Fleischerzeugung im industriellen Maßstab vom Ende her zu planen und dabei auch die Supply Chain im Auge zu behalten. Produzenten und Lebensmittelhändler würden in großen Mengen denken und bräuchten eine absolute Zuverlässigkeit bei der Lieferung.

„Es gibt keinen Geschmacksunterschied“

Die Technologie von Innocent Meat gehört zum sogenannten Cultured Meat („gezüchtetes Fleisch“). Tierische Stammzellen und weitere Zutaten wachsen ex-vivo in einem geeigneten Bioreaktor in wenigen Tagen zu echtem Fleisch heran. Es werden Muskelfleisch und tierisches Fett getrennt gezüchtet, das Ergebnis ist Hackfleisch. „Es gibt keinen Geschmacksunterschied – wir haben das mehrfach getestet“, so Gertenbach weiter. Mittel- bis langfristig kann mit dem gezüchteten Fleisch also einerseits der immer weiter wachsende Bedarf an Fleisch zuverlässig gedeckt und andererseits der negative Effekt für die Umwelt verringert werden. Ein weiterer Vorteil von Cultured Meat: Das so hergestellte Fleisch ist frei von Antibiotika oder Rückständen von Pflanzenschutzmitteln.

Plug and Produce-System entwickelt

Die beiden Gründer haben eine Anlage entwickelt, die auf Stammzellenbasis Fleisch produzieren kann – und zwar im industriellen Umfang. Diese Technik eignet sich dann für Hersteller von Fleischprodukten und Fleischverarbeiter. „Wir haben bei der Entwicklung vor allem Wert darauf gelegt, dass die Anlage vergleichsweise einfach zu bedienen ist. Es bedarf also keiner wissenschaftlichen Fachkräfte für die Steuerung und Überwachung. Im Prinzip ist es eine Plug and Produce-Lösung“, erläutert Gründerin Gertenbach. Innocent Meat zählt zu den Ersten, die es jedem Unternehmen ermöglichen wollen, kultiviertes Fleisch direkt selbst zu produzieren. Die Kundenbindung wird gesichert, da jede benötigte Komponente wie biologische Zutaten, digitale Produktionsplattform oder Produktions-Hardware nur dann funktioniert, wenn sie gemeinsam eingesetzt werden. Durch Automatisierung und maschinelles Lernen wird die Gefahr von Benutzerfehlern in der Produktion reduziert.

Stetes Wachstum

Die Idee für Innocent Meat entstand bereits vor sechs Jahren. Als studierte Wirtschaftsinformatikerin hatte Gertenbach im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb bei möglichen Problemen im gesamten Prozess der Schlachtung und der weiteren Verarbeitung selbst Erfahrung gesammelt. Als sie dann erstmalig von der Möglichkeit der Züchtung von Fleisch erfuhr, war die Idee für ein eigenes Unternehmen geboren. Damit hatte sie bereits Erfahrung, denn sie hatte zuvor das Start-up „Oberlecker“ für den Verkauf von Premiumfleisch gegründet. Im Jahr 2017 kam Mitgründer Patrick Inomoto an Bord. Inzwischen ist das Unternehmen gewachsen und die nächsten Schritte hat das Team fest im Blick: „Wir sind aus dem Labor heraus. Jetzt geht es an die erste Demonstrationsanlage“, so Gertenbach.

Mit Beteiligungskapital auf sicheren Beinen

Die weitere Entwicklung kostet aber Geld – und hier kommt die Genius Venture Capital GmbH (Genius) aus Mecklenburg-Vorpommern ins Spiel. „Wir haben uns bei einem Businessplan-Wettbewerb kennengelernt. Damals war es noch zu früh für eine Finanzierung. Wir haben allerdings den Gesprächskontakt immer aufrechterhalten, denn die Idee und das Gründerteam waren sehr interessant“, erklärt Investmentmanager Martin Schwarz. Als es Innocent Meat gelang, in das Accelerator-Programm des Venture Capital-Unternehmens Big Idea Ventures aufgenommen zu werden, sah auch Genius den Zeitpunkt für eine Beteiligung gekommen. „Uns hat der Ansatz überzeugt, bei der Umsetzung der Idee stringent von den Anforderungen eines industriellen Endkunden her zu denken. Clean Meat wird am Markt nur erfolgreich sein können, wenn eine hohe Produktqualität zu wettbewerbsfähigen Preisen geliefert werden kann“, so Schwarz weiter.

Ausblick

In rund zwei Jahren soll die erste Demonstrationsanlage ihren Betrieb aufnehmen. Das wäre der nächste wichtige Schritt vor dem Markteintritt. Innocent Meat muss dabei über die Grenzen Europas blicken, denn bislang fehlt in der EU die Zulassung für Produktion und Vertrieb von gezüchtetem Fleisch. Die USA und Asien sind hier bereits deutlich weiter. Inzwischen hat Genius bereits zwei Investmentrunden gemeinsam mit einem privaten Investor bei Innocent Meat finanziert. Dabei sieht sich Genius als „Hands-on Investor“, der die Entwicklung des Unternehmens aktiv begleiten und unterstützen will. Aktuell laufen die Vorbereitungen für eine größere Pre-Series A-Finanzierungsrunde, um die Entwicklung der Produktionsanlage zu ermöglichen.