„Wir brauchen echte Gründerstars!“

Interview mit Frank Thelen, Seriengründer und Tech-Investor

Interview mit Frank Thelen, Freigeist Capital
Interview mit Frank Thelen, Freigeist Capital

Bildnachweis: Freigeist Capital.

Die Wahl des richtigen Standorts spielt für Gründer eine große Rolle. Dabei stellt sich nicht nur die Frage, ob Berlin, München oder eine andere deutsche Region, sondern auch, ob in Deutschland oder andernorts in der Welt. Frank Thelen weiß als Seriengründer wie auch Investor, worauf es bei den deutschen und europäischen Standorten ankommt.

VC Magazin: Was raten Sie einem Gründer bei der Wahl seines Unternehmensstandorts?

Thelen: Die wichtigsten Fragen bei der Standortwahl sind: Wo findest du die besten Köpfe und wo sitzen deine Kunden? Umliegende Universitäten und Unternehmen können hier wichtige Indikatoren sein. Manche Industrien sind womöglich nur an einem bestimmten Ort zu finden. Berlin oder München zählen zu den klassischen Hotspots, die langfristig sicher einige Vorteile bringen, zum Beispiel die Nähe zu Investoren und attraktive Umgebungen für Mitarbeiter. Herausragende Unternehmen können aber auch in Bielefeld oder Bonn entstehen. Entscheidend ist, dass man die richtigen Köpfe an einem, maximal zwei Standorten zusammenbekommt, um dort gemeinsam an der Vision zu arbeiten.

VC Magazin: Silicon Valley, Dubai oder Singapur – internationale Standorte werden immer attraktiver und ziehen Gründer aus Deutschland an. Wie ordnen Sie die Abwanderung von Technologien und Know-how ins Ausland ein? Was braucht Deutschland aus Ihrer Sicht, um Gründer stärker halten zu können?

Thelen: Lissabon zählt ebenfalls zu den Städten, die mit hervorragenden Voraussetzungen
Gründer anziehen – gefühlt befindet sich derzeit halb Start-up-Berlin in Lissabon. Die Abwanderung ist ein Thema, das oftmals übersehen wird. Wir müssen hier endlich aufwache und reagieren, sonst wird das zu einem sehr großen Problem. Die Politik muss bessere Rahmenbedingungen schaffen, sodass wir eine Chance haben im Vergleich mit Dubai oder anderen Ländern. Finanzminister Christian Lindner setzt hier bereits die richtigen Impulse, aber es scheitert bislang an der Umsetzung in der Regierung.

VC Magazin: Wo sehen Sie Deutschland im internationalen Vergleich bei den Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz, Blockchain oder saubere Energien?

Thelen: Unsere Universitäten zählen glücklicherweise noch weltweit zu den führenden, aber wir bringen unsere Forschung nicht auf die Straße. Lilium ist eins der bislang wenigen Beispiele, bei denen es gelungen ist, eine wirkliche technologische Innovation mit viel Kapitalbedarf aus Deutschland heraus aufzubauen. Insgesamt fehlt es an großen erfolgreichen Projekten; es gibt zu wenig Erfolgsstorys, trotz sehr guter Standorte wie den Universitäten in Aachen, München, Karlsruhe oder auch in Delft, Holland.

VC Magazin: Wie lässt sich dieser Aufholbedarf bei den aktuell zurückhaltenden Investitionen in Start-ups aus Ihrer Sicht realisieren? Reicht lediglich die Zufuhr von mehr Kapital?

Thelen: Nein, das ist nur einer der wichtigen Parameter. Wir brauchen ein 360-Grad-Update. Wir müssen Intellectual Property aus den Universitäten zusammenbringen, aber hier scheitern wir oftmals daran, dass wir uns zu sehr auf unsere Regionen beschränken und keine Kooperationen schaffen. Helfen würde zum Beispiel eine IP-Buyout-Klausel für die Gründer, die eine erfolgreiche Finanzierung nicht blockiert. Solche Möglichkeiten wären ein Gamechanger. Außerdem müssen unsere Gründer größer denken – so wie Daniel Wiegand von Lilium. Wir brauchen Gründerstars!

VC Magazin: Im Februar gingen zwei neue Fonds von 10xDNA an den Start – trotz sinkender Kurse. Wie steht es um die Fonds?

Thelen: Es war ein schwieriger Start, aber wir setzen auf eine langfristige Strategie. Wir glauben daran, dass Technologieunternehmen die Welt besser machen und verändern. Der Aktienmarkt hat Schwankungen, und wir erleben gerade den stärksten Tech-Selloff in der Geschichte. Das haben wir letztes Jahr mit teilweise -50% sehr hart zu spüren bekommen. Seit Jahresanfang haben wir uns im Branchenvergleich überdurchschnittlich gut erholt, aber es liegt immer noch ein weiter Weg vor uns. In der aktuellen Lage glaube ich aber mehr denn je an unsere Strategie, weil wir die Unternehmen wirklich tiefgreifend verstehen. Hierfür bauen wir auch das Team weiter aus. Ich persönlich habe über 10 Mio. EUR investiert. Von uns hat keiner Kapital abgezogen, und wir hatten kaum Abflüsse, die Anleger legen sogar nach. Der Start des Fonds war jedoch zu einer unglücklichen Zeit.

VC Magazin: Wie gehen Sie mit Kritik um?

Thelen: Konstruktive Kritik höre ich mir an. Schwierig finde ich, wenn es nur darum geht, mit meinem Namen Aufmerksamkeit zu generieren und falsche Tatsachen zu verbreiten. Das ist leicht gemacht: Der Superstar, der gefallene Vogel – das bringt Klicks, aber das ist billiges Clickbaiting. Mit einem meiner lautesten Kritiker hingegen habe ich mich neulich zusammengesetzt, und am Ende hat er, glaube ich, verstanden, dass wir hier wirklich gute Arbeit leisten.

VC Magazin: Ein Knackpunkt für Start-ups ist der steigende Fachkräftemangel. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz sollen unter anderem die Mitarbeiterbeteiligung attraktiver geregelt und damit auch mehr Mitarbeiter aus dem Ausland angelockt werden. Wie beurteilen Sie den aktuell vorliegenden Entwurf? Bietet Deutschland damit ausreichend Anreize, um internationale Fachkräfte anzuziehen?

Thelen: Der Entwurf ist gut, aber nicht brillant – allerdings bin ich nicht in allen politischen Details drin. Der deutsche Startup-Verband verfolgt einen guten Plan, und wir tauschen uns sehr regelmäßig aus. Da scheint langsam Bewegung in die Thematik zu kommen. Man muss allerdings fairerweise sagen, dass wir eine Regierung mit sehr unterschiedlichen Ansichten und Ansätzen haben. Sie versuchen ihr Bestes, aber wird das jetzt in den nächsten Jahren die Durchbruchsregierung? Ich sage: Nein, da sind sie leider zu verschieden.

VC Magazin: Zum Abschluss ein Gedankenspiel – wenn Sie heute gründen wollten, für welchen nationalen und internationalen Standort würden Sie sich entscheiden und warum?

Thelen: Wenn ich heute gründen würde, ohne Verpflichtungen, würde ich auf jeden Fall in München gründen – eine großartige Stadt, mit starkem Ökosystem. International würde ich nach Lissabon gehen, weil es eine schöne Stadt mit tollem Klima ist. Ich glaube, Lissabon wird eine richtig große Nummer werden.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Zum Interviewpartner:

Frank Thelen ist Seriengründer, Investor und Buchautor. Mit dem Venture Capital-Fonds Freigeist Capital und den 10xDNA Capital Partners Aktienfonds investiert er in Technologieunternehmen.