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Ein starkes Innovationsökosystem fußt auf einem ausdifferenzierten Finanzierungsangebot für Start-ups und junge Wachstumsunternehmen. In Deutschland gewinnen Venture Debt-Instrumente zunehmend an Bedeutung als wertvolle Ergänzung zur traditionellen Eigenkapitalfinanzierung. Ausdruck dessen ist die Anzahl der Transaktionen, die über die vergangenen Jahre zu beobachten war.
Der deutsche Markt für Venture Debt, also auf die Bedürfnisse von Start-ups zugeschnittene Fremdkapitalinstrumente, wächst. Mit 43 bekannt gewordenen Deals ist 2024 das bisher zweitbeste Jahr für Finanzierungen, nur übertroffen von dem Rekordjahr 2022. Besonders das zweite Halbjahr 2024 war von einer Vielzahl an Finanzierungsabschlüssen geprägt. Diese Entwicklung ist nicht nur auf Deutschland beschränkt. Auch in Europa und den USA verzeichnete die Fremdfinanzierung von Start-ups und jungen Wachstumsunternehmen im Jahr 2024 neue Rekordstände.
Verschiedene Aspekte sorgen für Rückenwind
Die Gründe für die zunehmende Bedeutung von Venture Debt sind dabei vielfältig: Der seit 2022 erschwerte Zugang zu einer Equity-Finanzierung hat der Nachfrage nach Venture Debt einen zyklisch bedingten Rückenwind verliehen – denn in dieser Marktlage kann Venture Debt eine attraktive Möglichkeit für Unternehmen darstellen, sich zusätzliche Liquidität bis zur nächsten Finanzierungsrunde zu sichern. Gerade in Deutschland spielen aber auch langfristige, strukturelle Trends eine Rolle für die Entwicklung des Markts. Venture Debt wird in der Regel an Start-ups vergeben, die bereits mit Venture Capital gewachsen sind. So schafft die seit Jahren positive Entwicklung des deutschen Venture Capital-Markts die Voraussetzung für eine steigende Nachfrage nach komplementärer Fremdfinanzierung. Insbesondere gibt es in Deutschland heute mehr denn je Unternehmen, die ihre spätere Wachstumsphase erreicht haben. Für diese Unternehmen eignet sich Venture Debt besonders gut, aufgrund ihres bereits geringeren Risikos und ihres größeren Spielraums, Fremdkapital zurückzuführen. Zudem unterstützt die Bundesregierung seit 2019 über das Venture Tech Growth Financing-Programm des Zukunftsfonds die Entwicklung des Angebots für Venture Debt-Finanzierungen in Deutschland. Nicht zuletzt hat sich die Wagnisfinanzierung in den vergangenen Jahren zusehends neuen Technologiefeldern zugewandt. Früher konzentrierten sich Kapitalgeber auf schnell wachsende Geschäftsmodelle mit vergleichsweise geringem Bedarf an physischen Investitionen, wie zum Beispiel E-Commerce-Plattformen. Heute werden jedoch vermehrt auch kapitalintensive Geschäftsmodelle, wie im Deeptech- und Climatetech-Bereich, finanziert. Den Finanzierungsbedarf allein über Eigenkapital zu decken, ist für diese Unternehmen deutlich schwerer. Dementsprechend liegen auch die Schwerpunkte bei den in Deutschland zu beobachtenden Venture Debt-Finanzierungen etwa in den Bereichen Clean Energy, Life Sciences oder Mobility.
Starke Finanzierungsaktivität auf rückläufige Investorenstimmung
Seit Mitte 2020 erfasst das German Venture Capital Barometer von KfW, Bundesverband Beteiligungskapital und Deutsche Börse Venture Network die Einschätzung deutscher Venture Capital-Investoren zur Verfügbarkeit von Venture Debt. Aus den Salden der jeweiligen Anteile positiver und negativer Beurteilungen ergibt sich der entsprechende Stimmungsindikator. Nachdem die Verfügbarkeit von Venture Debt zum Ende des ersten Halbjahrs 2024 mehrheitlich positiv gesehen worden war, war die Stimmung gegen Jahresende 2024 erneut rückläufig. Der Vergleich des Stimmungsindikators mit der Anzahl tatsächlich realisierter Deals zeigt, dass sich beide in den vergangenen Jahren immer wieder gegenläufig bewegt haben. In Quartalen, in denen viele Venture Debt-Deals beobachtet werden konnten, sank parallel dazu die Einschätzung zur Verfügbarkeit, so auch in den letzten beiden Quartalen 2024. Dies legt nahe, dass insbesondere bei hoher Nachfrage nach Finanzierung über Venture Debt-Instrumente die Anfragen von Unternehmen häufig noch auf ein knappes Angebot treffen und nur selektiver vom vorhandenen Angebot bedient werden können. Für Anbieter von spezialisierten Fremdkapitalfinanzierungen für Start-ups und junge Wachstumsunternehmen birgt der Markt demzufolge noch einiges Potenzial: Denn auch dieses Jahr dürfte die Nachfrage nach Venture Debt in Deutschland hoch bleiben.
Über den Autor:
Dr. Steffen Viete ist Ökonom bei KfW Research mit den Schwerpunkten Gründungen und Gründungsfinanzierung, insbesondere Venture Capital.