„Es geht ums große Ganze“

Interview mit Dr.-Ing. Anne Lamp, traceless

Dr.-Ing. Anne Lamp, traceless
Dr.-Ing. Anne Lamp, traceless

Bildnachweis: traceless.

Bei traceless materials geht es nicht um kleines Karo, sondern um das große Ganze. Das Start-up aus Hamburg hat der weltweiten Plastikverschmutzung den Kampf angesagt. KfW Capital ist als Fondsinvestor über die Venture Capital-Fonds HTGF und Planet A indirekt an traceless beteiligt. Im Interview berichtet Dr.-Ing. Anne Lamp, CEO und Co-Founder von traceless, über ESG als Stärke in Europa und die Rolle von Kapital beim Wachsen eines innovativen Start-ups.

VC Magazin: Spüren Sie als junges Unternehmen, dessen Geschäft sich auf Nachhaltigkeit fokussiert, dass Geldgeber in jüngster Zeit vorsichtiger geworden sind?

Lamp: Der Trend hat sich aus unserer Sicht nicht geändert. Der Finanzsektor hat erkannt, dass wir nur diesen einen Planeten haben. In Europa wird ESG als Chance wahrgenommen,
sich zu positionieren und Dinge wie Cleantech und Geschäftsmodelle aus der Kreislaufwirtschaft weiterzutreiben. Der Innovationsstandort Europa hat Stärken – und diese müssen wir fördern. Dies gilt auch für die Bereitstellung von Risikokapital am Anfang sowie bei späterer Skalierung der Geschäftsmodelle. Auch in den USA ist noch Kapital für grüne Start-ups vorhanden, der Venture Capital-Sektor ist dort sehr differenziert. Investoren mit einem Fokus auf Umweltthemen behalten diesen in der Regel. Venture Capital- und Private Equity-Fonds haben häufig etwa eine zehnjährige Laufzeit – da kann man nicht so einfach den Kurs ändern, nur weil sich die politische Stimmung ändert.

VC Magazin: Aber trotzdem muss man schauen, was der Mentalitätsumschwung in den USA bewirkt …

Lamp: Das stimmt. In Europa war es für viele Jungunternehmen der klassische Weg, in die
USA zu gehen, weil der Markt dort größer ist. Für Start-ups aus dem Nachhaltigkeitsbereich
könnte sich das ändern, denn Europa und Asien rücken immer stärker in den Fokus.

VC Magazin: Wie wichtig ist ESG für Risikomanagement und Wertschöpfung?

Lamp: ESG bringt auf jeden Fall Vorteile. Die Einhaltung von sozialen und ökologischen Vorgaben, eine gute Governance sowie ein angemessenes Reporting verhindern oft böse Überraschungen. Wir bei traceless haben den Vorteil, dass wir von Anfang an ein nachhaltiges Geschäftsmodell verfolgen. Das bringt unseren Kunden viele handfeste Vorteile, beispielsweise für die Klimabilanz von Wertschöpfungsketten. Unser traceless-Produkt – ein Granulat aus Naturpolymeren als Alternative zum Kunststoff – ist CO₂-negativ. Gerade große Anbieter von Verpackungen gehören zu den größten Umweltverschmutzern; das ist ein Imageschaden für die jeweilige Marke. Imageschutz und europäische Regulatorik gehen also Hand in Hand.

VC Magazin: Glauben Sie, dass die aktuellen Regularien jetzt entschärft werden?

Lamp: Nein, das glaube ich nicht. Der Green Deal Industrial Plan und auch der neue EU Clean Industrial Deal meinen, dass man die Förderung von Zukunftstechnologien als
Stärke sehen sollte, auch zur Erschließung neuer Märkte. In China hat man sich des Themas angenommen, dort gibt es teils striktere Plastikverbote als in den USA.

VC Magazin: Mit Blick auf Ihre Finanzierung: Wie schwer war es für Sie als Climate-Startup, ausreichend Kapital zu erhalten?

Lamp: Ausreichend Kapital zu sichern, ist für die meisten Start-ups eine kontinuierliche
Herausforderung – das ist für uns nicht anders. Eine weitere Herausforderung für uns ist, dass wir ein hardwareintensives Geschäftsmodell verfolgen. Dies erhöht den Kapitalbedarf beispielsweise im Vergleich zu Softwareunternehmen. Wir haben allerdings das Glück, durch unsere Seed- und Series A-Finanzierungsrunden etablierte und engagierte Investoren zu haben, die uns dabei unterstützen. Außerdem haben wir eine hervorragende Partnerschaft mit der GLS Bank und der Hamburger Sparkasse, die uns bei der Finanzierung unserer Produktionsanlagen unterstützen.

VC Magazin: Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Finanzierung von Innovationen durch Venture Capital-Fonds?

Lamp: Die Versorgung mit Risikokapital durch Venture Capital-Fonds ist insbesondere
in der frühen Unternehmensphase essenziell für die erfolgreiche Skalierung von Innovationen. Es dient als früher Proof Point und hilft, das Risiko der Technologieskalierung schrittweise zu senken, bis ein Unternehmen irgendwann entweder ohne externe Finanzierung wachsen kann oder andere Geldgeber, etwa Banken, die weitere Wachstumsfinanzierung übernehmen können.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Über die Interviewpartnerin:

Dr.-Ing. Anne Lamp ist Geschäftsführerin und Mitgründerin des Bioökonomieunternehmens
traceless aus Hamburg. Die promovierte Verfahrenstechnikerin ist die Erfinderin der traceless-Technologie: ein innovatives Verfahren zur Herstellung eines natürlichen Biomaterials aus Agrar-Reststoffen. Seit der Unternehmensgründung 2020 hat Anne Lamp mit traceless den Bau des ersten großtechnischen Produktionswerks initiiert, ein 70-köpfiges Team aufgebaut und zuletzt rund 37 Mio. EUR Kapital gesammelt.