Bildnachweis: Gateway, BRYCK, Start2 Group, VC Magazin.
Deutsche Hochschulen sind stark in Forschung und Lehre. Doch der Weg von der
Wissenschaft hin zum erfolgreichen Start-up ist nicht immer einfach. Frühzeitige
Vernetzung, unternehmerisches Mindset und IP-Regelungen sind nötig, um Innovationen zum Durchbruch zu verhelfen.
Als Innovationshub unterstützt Start2 Gründerteams mit Programmen wie „Cashcamp“ und „Start2scale“ insbesondere bei der internationalen Expansion. Die Start2 Group liegt im Ranking der europäischen Start-up-Hubs aktuell auf Platz drei. Sie ist neben München, Düsseldorf und Berlin auch an Standorten wie dem Silicon Valley und in Shanghai präsent. Viele der unterstützten Start-ups haben ihre Wurzeln in Hochschulen. „Deutschland investiert viel in Forschung, doch der Transfer in wirtschaftlichen Mehrwert, speziell durch Ausgründungen, könnte deutlich stärker sein“, sagt Geschäftsführer Matthias Notz. „Bei der Transformation von Patenten und neuem Wissen in gesellschaftlichen Mehrwert liegen wir europaweit nur im Mittelfeld.“ Die Forschungsbasis könne deutlich mehr Start-ups und Innovationen hervorbringen; speziell im Deeptech-Bereich schlummerten riesige Chancen. Das Wissenschaftssystem aber sei nicht primär auf Spin-offs ausgelegt, so Notz. Er schlägt darum vor, die Incentivierung von Lehrenden und Hochschulleitungen auch an Erfolge im Wissenschaftstransfer zu koppeln.
Kooperationen erhöhen Chancen für exzellente Ausgründungen
Wenn Hochschulen und Industrie in der Region eng kooperieren, erhöht dies häufig die Zahl erfolgreicher Ausgründungen. Zur Technischen Universität (TU) München zum Beispiel gehört mit der 2002 gegründeten UnternehmerTUM das wichtigste europäische Gründerzentrum. Es bringt jährlich über 100 Start-ups hervor, darunter Unternehmen wie den Mobilitätsanbieter Flixbus, das Navigationssystem NavVis und das Raumfahrtunternehmen Isar Aerospace. Zu den privaten Partnern zählen unter anderem BMW, Google und SAP. „Universitäten sollten stets die Ebene der Stadt oder der Region einbeziehen“, so Notz, „die drei großen Berliner Universitäten, die FU, die TU und Humboldt-Universität, haben zum Beispiel kürzlich ihre Gründungsservices zusammengelegt, um insgesamt die Qualität zu stärken.“ Eines der wichtigsten Förderinstrumente für universitäre Spin-offs ist das EXIST-Programm. Jährlich werden mit seiner Hilfe etwa 250 Hightech-Start-ups gegründet und über 200 Gründungszentren unterstützt. Mit dem EXIST-Leuchtturmwettbewerb Startup Factories wiederum fördert das BMWK den Aufbau unternehmerisch geführter Gründungszentren. 2024 bewarben sich 26 Bündnisse aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und privaten Akteuren. Die Gewinner werden im Juni 2025 bekannt gegeben.
Von der Entwicklung zu Marketing und Vertrieb
„Der Sprung in den Markt wird häufig unterschätzt“, sagt Philipp Herrmann, Mitgründer und Geschäftsführer des Gründungszentrums BRYCK in Essen. Insbesondere der Wechsel von der Entwicklung zu Marketing und Vertrieb könne eine Herausforderung sein: „Ein gutes Produkt allein reicht nicht – entscheidend ist die Fähigkeit, es auch am Markt durchzusetzen.“ Vor der Zeit bei BRYCK hatte Herrmann zusammen mit Christian Lüdtke die Digitalberatung etventure aufgebaut, welche Corporates auch bei Ausgründungen unterstützte. Dabei arbeiteten Hermann und Lüdtke bereits im Ruhrgebiet, Lüdtke als Gründerkoordinator Ruhr. „Ein zentrales Problem in der Start-up-Förderung war die Fragmentierung und fehlende Koordination“, so Herrmann. Als die RAG-Stiftung 2020 das industriehistorische Colosseum in Essen erwarb, entstand die Idee, mit den gesammelten Erfahrungen und dem gemeinsamen Netzwerk ein Innovationszentrum im Ruhrgebiet aufzubauen. „Im Fokus stand primär die Transformation der Wirtschaft durch Start-up-Technologien“, sagt Herrmann. Große Unternehmen aus der Region wie E.ON, RWE und Evonik seien offen für dynamischen Wandel. Die Neugründungen seien dabei ähnlich gelagert wie die industriellen Schwerpunkte der Region, unter anderem auf Feldern wie Energie, Logistik, Healthcare und Future Materials. Die Start-ups haben häufig einen B2B-Fokus. „Wir haben unsere Schwerpunkte bislang überwiegend anhand der Bedarfe der Industrie gesetzt, weniger auf Basis von Spitzenforschung aus den Hochschulen“, so Herrmann. Mit der Teilnahme am Startup Factory-Wettbewerb der Bundesregierung soll sich das ändern. Für die Bewerbung haben sich die TU Dortmund, die Ruhr-Universität Bochum und die Universität Duisburg-Essen mit BRYCK, der RAG-Stiftung und dem Initiativkreis Ruhr, einem Bündnis aus über 70 Unternehmen und Institutionen, in der BRYCK Startup Alliance zusammengeschlossen. Gemeinsame Research Center der drei Universitäten bündeln bereits Kompetenzen, Budgets und Talente und fokussieren diese auf Exzellenzthemen. Mit der BRYCK Startup Alliance sollen insbesondere Ausgründungen aus der Wissenschaft gefördert und der Transfer wissenschaftsbasierter Technologien in die Industrie beschleunigt werden.
Klare Regelungen für die Weitergabe von IP
Die Universität zu Köln hat 2023 ihre Transferstrategie überarbeitet. Gründungsförderung spielt eine zentrale Rolle. „Insgesamt hat sich die Unterstützung durch Bundes- und Landesprogramme in den letzten 20 Jahren stetig verbessert“, so Marc Kley, geschäftsführender Direktor des Gateway Exzellenz Start-up-Center. Das Start-up-Zentrum der Universität zu Köln hilft technologie- und wissensbasierten Gründungsteams mit Programmen wie dem Gateway Accelerator. Durch die medizinische und die naturwissenschaftliche Fakultät sowie das Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD ist die Hochschule besonders stark im Bereich Healthtech. Der BioCampus Cologne ist zudem ein leistungsfähiges Gründungs- und Technologiezentrum für Biotech-Start-ups. Um das Potenzial exzellenter Forschung für Ausgründungen zu erkennen und systematisch zu heben, bedürfe es Sensibilisierung und gezielter Förderung, so Kley. Eine kritische Stelle im Ausgründungsprozess sieht Kley bei der Weitergabe von geistigem Eigentum: „Hier können zu Beginn sehr konträre Positionen aufeinanderprallen.“ Start-ups wollen, nicht zuletzt im Hinblick auf neue Investoren, sehr weitreichende Rechte. Die Universitäten wollen diese in der Regel jedoch vergütet wissen. Darüber hinaus sind IP und europäisches Beihilferecht eng miteinander verbunden. Insbesondere darf staatliche Förderung von Unternehmen, die geistiges Eigentum nutzen oder entwickeln, den Wettbewerb nicht verfälschen.

Die Möglichkeiten einer kostenlosen Weitergabe von IP sind dadurch mitunter stark eingeschränkt. „Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Gründungsinteressierte sollten frühzeitig ins Gespräch kommen, um Transparenz über Prozesse, Rahmenbedingungen und
gegenseitige Erwartungen zu schaffen“, so Kley. So könnten Missverständnisse vermieden und Lösungen gefunden werden, wenn unterschiedliche Vorstellungen, etwa bei Lizenzkosten, aufeinandertreffen. „Der IP-Vertrag muss stehen, bevor Investorengespräche stattfinden“, sagt Kley. Hochschulen sollten ihrerseits niederschwellige Angebote zur IP-Beratung schaffen und insbesondere auch eine eigene Verwertungsstrategie definieren. „Eine weitere Möglichkeit ist, IP gegen Virtual Shares zu tauschen, um die Übertragung zu erleichtern und den Cap Table nicht unnötig zu verwässern“, ergänzt Notz. Um den IP-Transfer-Prozess zu beschleunigen und gleichzeitig transparent und rechtssicher zu gestalten, stellt die SPRIND Agentur für Sprunginnovationen mit dem „Transfer-Taschenmesser“ eine Reihe von abgestimmten Werkzeugen online zur Verfügung.
Erfolgreiche Unternehmer aktiv einbinden
Kley, Notz und Herrmann werben zudem dafür, gestandene Start-up-Unternehmer und damit ihr praktisches Know-how aktiv in die Hochschulen einzubinden. „Gerade im Industrie- und B2B-Umfeld sind Gründerteams technisch stark, aber häufig fehlt es am unternehmerischen Mindset“, so Herrmann. Es gelte, Tüftler und erfolgreiche Unternehmer zusammenzubringen – durch frühzeitige Netzwerkbildung, die Einbindung möglicher Investoren und praktische Erfahrung in Vermarktung und Vertrieb. So können künftig noch mehr Gründerinnen und Gründer das schlummernde Potenzial nutzen.