
Bildnachweis: Pixit, Belle Health, Deepfile, Ziya, VC Magazin.
An vielversprechenden Ideen mangelt es in Deutschland nicht. Damit daraus erfolgreiche Produkte und Geschäftsmodelle werden, braucht es aber häufig Unterstützung. Hier setzt die staatliche EXIST-Förderung an, die Talenten aus der Wissenschaft finanzielle Hilfe und kompetente Beratung bietet. Wichtig auch: Investoren, Partnern und Kunden gegenüber wirkt sie wie ein Gütesiegel für Innovation, Unternehmergeist und Zukunftspotenzial.
Mehr als 25.000 Erfindungen aus Deutschland registrierte das Europäische Patentamt im Jahr 2024, nur aus den USA kamen mehr. Fest steht: Speziell im wissensbasierten Innovationsökosystem entstehen hierzulande täglich wegweisende Neuerungen. Um ihnen den Weg in die Märkte zu ebnen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), kofinanziert durch den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+), bereits 1998 das EXIST-Programm ins Leben gerufen. Seither unterstützt es Hochschulabsolventinnen und -absolventen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Studierende bei Vorbereitung und Umsetzung ihrer Unternehmensgründungen.
Datenlabel bereitet als technischer Dolmetscher Rohdaten für KI-Projekte auf
So entstand im vergangenen Jahr in Dortmund die Ziya GmbH. „Schon die Bewerbung für das EXIST-Gründungsstipendium war für uns ein wichtiges Training. Mit dem Stipendium selbst konnten wir dann die Personal- und Sachkosten der Anfangszeit finanzieren, uns auf die Professionalisierung unserer in der Forschung entstandenen Idee konzentrieren und unser Start-up auf den Weg bringen“, berichtet Geschäftsführer Haris Yalcinkaya, der die Ziya GmbH gemeinsam mit seinen Co-Geschäftsführern Enes Arpaci und Ilirjan Bytyqi gegründet hat. „Aus eigener Kraft hätten wir das nicht geschafft. Hätten wir nämlich nebenbei in regulären Jobs Geld verdienen müssen, wären wir heute nicht schon so weit: Mit DatenLabel haben wir ein Produkt aufgebaut, das bereits an der Schwelle zur Marktreife steht“, so Yalcinkaya. Derzeit läuft die Pilotphase – erste zahlende Kunden testen die verschiedenen Bausteine der neuen Deeptech-Lösung. Die KI-Pipeline ermöglicht es, ihre Rohdaten so aufzubereiten, dass sie von Künstlicher Intelligenz effizient und erfolgreich verarbeitet werden können. Über verschiedene Datentypen hinweg können Fehler
so detektiert, Datenschätze identifiziert und gehoben werden. Yalcinkaya: „Setzt sich die aktuelle Dynamik fort, steht einer zügigen und zugleich organischen Skalierung nichts im Wege.“

Deepfile erlaubt Dokumentenmanagement ohne Abstriche bei Sicherheit oder Datenschutz
Das KI-gestützte Management sensibler Dokumente und Akten hat sich die Berliner Unternehmergesellschaft DeepFile UG auf die Fahnen geschrieben. Das von COO Arina Trofimova, CEO Francesco Meriggi und CTO Bayangmbe Mounmo 2024 gegründete Start-up
bietet im klassischen SaaS-Abo-Modell eine Suchmaschine, die präzise Antworten auf komplexe Fragen liefert, indem sie in Sekundenschnelle die lokalen Laufwerke und das Netzwerk des Nutzers durchsucht. Die Betaversion für MAC OS-Nutzer ist im Einsatz. Die Enterprise-Lösung für die eigene Serverumgebung befindet sich derzeit in der Pilotphase. 120 Testkunden sind bereits gewonnen, weitere kommen täglich hinzu. „Gerade kleine und mittlere Unternehmen, die eben erst in die Digitalisierung einsteigen, können mit DeepFile unkompliziert aufholen. Die Sprachmodell-architektur ist kompakt und effektiv. Die Software läuft auch auf leistungsschwachen Geräten und arbeitet offline. Daten – etwa aus dem Personal- oder Finanzbereich – müssen nicht verschlüsselt werden, da sie das Gerät nie verlassen“, erklärt Trofimova das Produkt. „Das führt zu einem hohen Maß an Sicherheit und Datenschutz bei gleichzeitig hoher Sucheffizienz.“ Das EXIST-Gründungsstipendium hat sie und ihre Co-Gründer in der Startphase finanziell abgesichert. „Wir wurden bereits im Inkubator ermutigt, uns darum zu bemühen – und es hat sich wirklich gelohnt: Von einer so guten frühphasigen Förderung können Gründungsinteressierte in anderen Ländern wohl nur träumen. Nicht zuletzt hat das Stipendium unsere Sichtbarkeit am Markt und das Vertrauen potenzieller Kunden in unsere Technologie erhöht.“
Belle Health ermöglicht digitale Therapie bei PMS/ PMDS
Victoria Schöffel hatte sich bereits als Psychologiestudentin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München im Rahmen von EXIST-Women mit den Themen Existenzgründung und berufliche Selbstständigkeit vertraut gemacht. Während ihres Medizinstudiums an der University of Cambridge entwickelte sie gemeinsam mit ihrem Partner Rafael Schaider die Wellness-App Belle Health. Später entstand in Zusammenarbeit mit der Universität Marburg eine deutsche Version, die mit den Auswirkungen von Hormonschwankungen während des Menstruationszyklus eine bisher vernachlässigte Dimension der Frauengesundheit adressiert. „Dank des EXIST-Gründungsstipendiums konnten wir im vergangenen Jahr die deutsche Belle Health GmbH gründen und unsere App für den hiesigen Markt weiterentwickeln. Die Förderung war für uns als Validierung des Geschäftsmodells ein wichtiger Türöffner. Wir haben dadurch Zugang bekommen zu Mentorinnen und Mentoren in der Gründungsberatung wie auch in der Wissenschaft – EXIST wirkt hier wie ein Gütesiegel“, berichtet CEO Schöffel. PMDS, die Prämenstruelle Dysphorische Störung, ist bei Frauen in Deutschland so häufig wie Diabetes; trotzdem werden sie damit oft allein gelassen. „Diese Lücke in der medizinischen Forschung und Behandlung wollen wir schließen“, so die Gründerin weiter. Mit der deutschen Version ihrer App erhalten betroffene Frauen Zugang zu einem achtwöchigen Programm der kognitiven Verhaltenstherapie. Eine Garantie für eine Linderung ihrer Beschwerden gibt es nicht, aber die Verbesserung ihres Wohlbefindens durch die digitale Behandlung ist im Rahmen einer klinischen Studie statistisch belegt. Schöffel: „Die internationale Version ist mit knapp 30.000 zahlenden Nutzerinnen bereits im Einsatz. In Deutschland führen wir derzeit Gespräche mit den Krankenkassen über die Kostenübernahme und die Anerkennung als Medizinprodukt. Wenn das geschafft ist, rechnen wir hier bis Ende 2026 mit einer ähnlichen Anzahl Nutzerinnen.“
Pixit definiert Business-Fotografie neu
Die 2024 in Köln gegründete Pixit GmbH hingegen steigert mit ihrem Softwareprodukt die Effizienz im Bereich der Business-Fotografie. Waren professionelle Porträts von Mitarbeitenden aufgrund von Telearbeit, schnellen Neueinstellungen und standort-übergreifenden Teams bisher nur mit größerem Aufwand möglich, lässt sich der Prozess durch die Einbindung von KI enorm vereinfachen. Anhand hochgeladener Trainingsbilder und Vorgaben zum Erscheinungsbild kann das Programm in kurzer Zeit professionelle Porträts von jedem Einzelnen im gewünschten Corporate Design erstellen. „Unser Produkt ist bereits marktreif und wird kommerziell im B2B-Bereich eingesetzt. Steuer- und Rechtsanwaltskanzleien sowie Beratungsunternehmen nutzen es gerne, aber auch für Krankenhäuser ist es eine gute Möglichkeit, ihre Mitarbeitenden einfach und kostengünstig sichtbar zu machen“, sagt der Co-Founder Dr. Jannik Rößler, der das Start-up gemeinsam mit Nils Tschampel und Marco Thaler gegründet hat und leitet. Das EXIST-Gründungsstipendium war für sie ein Glücksfall. „Am Anfang waren Nils und ich zu zweit – aber schon im Bewerbungsprozess wurden wir ermutigt, zu dritt zu gründen. Dass wir uns dann breiter aufgestellt haben, ist heute eine große Erleichterung“, so Rößler. „Die finanzielle Unterstützung war entscheidend; das Wichtigste ist doch, erst einmal über die Runden zu kommen und sich ein Jahr lang voll auf die Produktentwicklung konzentrieren zu können. Die Sachmittel, die das EXIST-Programm außerdem vorsieht, haben uns zusätzlichen Spielraum gegeben, um in leistungsfähige Computer, Softwarelizenzen und gezieltes Marketing zu investieren.“ Natürlich gibt es noch viel zu tun: Die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit steht ebenso auf der Agenda wie die Entwicklung weiterer Produkte. Rößler: „Generative KI lässt sich in vielen Kontexten einsetzen. Konkret arbeiten wir bereits an der Anwendung unserer Software im Modebereich – der Einsatz von KI-Modellen wird auch hier zukünftig für nachhaltigere, effizientere Prozesse sorgen.“
Was ist EXIST?
EXIST ist ein technologieoffenes Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und wird vom Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) kofinanziert. Es richtet sich an wissens- und technologiebasierte Gründungsvorhaben aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Gefördert werden Studierende, Hochschulabsolventinnen und -absolventen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die
eine technologieorientierte oder wissensbasierte Unternehmensgründung vorbereiten. Es zielt darauf ab, die Zahl der technologieorientierten und wissensbasierten Start-ups in
Deutschland zu erhöhen und ihnen die Chance zu geben, sich am Markt zu behaupten.
EXIST-Women gezielte Unterstützung von gründungsinteressierten Frauen
EXIST-Gründungsstipendium finanzielle Förderung von Gründungsteams mit bis zu 143.000 EUR für ein Jahr in der Vorgründungsphase
EXIST-Forschungstransfer Förderung von forschungsintensiven Ausgründungen mit
hohem Entwicklungsaufwand
Die Antragstellung erfolgt über eine Hochschule oder eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Weitere Informationen unter www.exist.de