Europas Venture Capital ist besser als sein Ruf

Warum Investoren zögern – Und was nun passieren muss

Carsten Just (EIF)
Carsten Just (EIF)

Bildnachweis: EIF.

Der europäische Venture Capital-Markt wird nach wie vor unterschätzt. Trotz
Innovationskraft fehlt Kapital in Wachstumsphasen, weil institutionelle Investoren zögern und Exits ausbleiben. Der Europäische Investitionsfonds (EIF) stärkt das Ökosystem, kann privates Kapital aber nur stimulieren, nicht ersetzen. Mehr Transparenz der Performancedaten soll Investoren mobilisieren und Europas Innovationskraft sichern.

Der Venture Capital-Markt hat turbulente Jahre hinter sich. Nach dem Boom 2021 folgte die Korrektur: Steigende Zinsen, schwache Exits und zurückhaltende Investoren ließen die Finanzierungen einbrechen. Im Jahr 2024 zeigt sich, vor allem in den frühen Phasen, zwar
eine Erholung – aber gerade bei Wachstumsfinanzierungen bleibt das Kapital knapp. Ist der Markt strukturell unterfinanziert oder wird sein Potenzial unterschätzt? Die Innovationskraft Deutschlands ist unbestritten: Weltklasseforschung, starke Gründerteams und führende Positionen in Schlüsseltechnologien sprechen für den Standort.

Europa hat Talent – Aber es fehlt Kapital

Der EIF hat gemeinsam mit der Bundesregierung das Venture Capital-Ökosystem durch Investitionsprogramme und Beteiligungen an über 250 Fonds wiederbelebt und ausgebaut – eingebettet in den ganzheitlichen Förderansatz der EIB-Gruppe über alle Finanzierungsphasen hinweg, vom Start-up bis zum DAX-Unternehmen. Aber gerade der Anteil privaten Kapitals für Wachstumsfinanzierungen ist nach wie vor gering. Während US-Pensionsfonds rund 6% ihres Kapitals in Venture Capital investieren, ist der Anteil in Europa deutlich niedriger; er liegt in Frankreich und Deutschland sogar (deutlich) unter 1%. Europäische Fonds haben oft nicht die Mittel, um mit US-Investoren zu konkurrieren, insbesondere hinsichtlich Skalierung und Expansion. Start-ups mit globalem Potenzial suchen daher häufig Kapital im Ausland und verlagern im schlimmsten Fall ihre Geschäftstätigkeit dorthin.

Der EIF als Stabilitätsanker und Katalysator

Der EIF spielt eine Schlüsselrolle als Ankerinvestor in Europa. Im Jahr 2024 investierte er rund 7,2 Mrd. EUR in fast 200 Fonds, davon mehr als die Hälfte in Venture Capital-Fonds. Seit seiner Gründung hat der EIF europaweit 165 Mrd. EUR mobilisiert und über 26.000 Unternehmen mit mehr als 5,6 Millionen Beschäftigten finanziert (Deutschland: 23 Mrd. EUR für fast 3.000 Unternehmen, über 900.000 Arbeitsplätze). In den letzten 30 Jahren, insbesondere nach dem Platzen der Technologieblase im Jahr 2001, hat der EIF das europäische Risikokapitalgeschäft entscheidend mitgeprägt und in Krisenzeiten unterstützt. Um die Lücke bei der Wachstumsfinanzierung zu schließen, wurde kürzlich die European Tech Champions Initiative (ETCI) mit einem Volumen von 3,85 Mrd. EUR aufgelegt. Ziel ist es, ein Ökosystem großvolumiger Wachstumsfonds zu etablieren und große Finanzierungsrunden unabhängig von US-amerikanischen und asiatischen Investoren zu ermöglichen. Öffentliche Mittel allein reichen jedoch nicht aus; der EIF kann nur als Katalysator wirken, um privates Kapital zu mobilisieren.

Warum fließt aktuell so wenig institutionelles Kapital?

Strategische Sektoren wie Deeptech, Künstliche Intelligenz oder Climatetech benötigen langfristige Investitionen, aber viele Investoren zögern. Stockende Exit-Märkte binden das Kapital institutioneller Investoren länger und verzögern so die Möglichkeit von Reinvestitionen. Gleichzeitig erschweren strenge Kapitalanforderungen den Zugang von Versicherungen und Pensionsfonds zu Venture Capital, und einige Investoren schöpfen den vorhandenen Spielraum nicht aus, auch angesichts der aktuellen geopolitischen Spannungen und Unsicherheiten. Der Letta-Bericht 2024 fordert daher gezielte europäische Finanzierungsstrukturen für sicherheitsrelevante Technologien, um die Abhängigkeit von ausländischem Kapital zu verringern. Auch Mario Draghi betont in seinem Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit die Notwendigkeit zusätzlicher gezielter Investitionen in strategische Technologien.

Mehr Transparenz, mehr Vertrauen: Neue Performancedaten für den europäischen Venture Capital-Markt

Ein Hindernis für institutionelle und private Investoren war oft der Mangel an verlässlichen Marktdaten. Während in den USA detaillierte Performancedaten öffentlich verfügbar sind, war der europäische Markt lange Zeit eine Blackbox. Mit TrackVC schafft der EIF nun Abhilfe. Die Onlineplattform, die in Zusammenarbeit mit BlackRock historische Performancedaten zu europäischen Risikokapital- und Private Equity-Fonds bereitstellt, bietet eine umfassende, cashflowbasierte Datenbasis. Diese zugrunde liegende Datenbank gilt als besonders repräsentativ und validiert, da sie nicht nur das Portfolio des EIF abdeckt, sondern auch Daten anderer Fondsinvestoren integriert. Sie dient potenziellen Fondsinvestoren als wertvolle Informationsquelle für fundierte Entscheidungen. Investoren erhalten kostenlosen Zugang zu anonymisierten Benchmarkdaten und können wichtige Kennzahlen wie IRR, DPI und TVPI analysieren. Die Plattform wird ab Juni interaktiv zur Verfügung stehen und sukzessive um weitere Daten und Forschungsergebnisse ergänzt. Bereits die Beispielgrafik zeigt, dass der sogenannte 1st Quartile Cut-off für die Vintage-Jahrgänge bis 2019 Nettorenditen von 10% bis 20% ausweist – das heißt, die Renditen der besten 25% aller Fonds liegen darüber. Der 1st Quartile Cut-off der europäischen Venture Capital-Fonds liegt hier auf dem Niveau der US-Fonds – und ein Blick auf das EIF-Portfolio zeigt, dass die Top-50-Performer über alle Fondsjahrgänge hinweg sogar Nettorenditen von 40% bis 370% erzielen. Und wer immer noch glaubt, Venture Capital in Europa generiere vor allem Verluste, sollte auch einen Blick auf die Cut-offs des dritten Quartils werfen: Für die Jahrgänge bis 2019 liegen diese zwischen 0% und 4% – nur die schwächsten 25% der Fonds weisen demnach Verluste aus, während der Durchschnitt beziehungsweise Median und damit ein nahezu beliebig diversifiziertes Fondsportfolio deutlich im Gewinn liegen. Die Datenbasis belegt damit eindrucksvoll die grundsätzliche Attraktivität der Assetklasse Venture Capital.

Ausblick: Transparenz als Schlüssel zur Mobilisierung privaten Kapitals

TrackVC soll Transparenz schaffen, um das Vertrauen in Venture Capital zu fördern und Investitionen anzuregen. Die langfristige Mobilisierung von institutionellem Kapital bleibt eine zentrale Herausforderung. Deshalb hat der EIF vor einiger Zeit damit begonnen, institutionellen Anlegern über Dachfondsprodukte und Separate Managed Accounts Zugang
zu seinem Portfolio zu gewähren, und dabei bisher rund 1,8 Mrd. EUR eingeworben. Eine starke Finanzierungsbasis ist entscheidend, um die Innovationskraft Europas nachhaltig zu sichern.

Über den Autor:

Carstten Just ist als Leiter des ERP-EIF-Fund-of-Funds für die deutschen Dachfondsprogramme des EIF verantwortlich und verfügt über mehr als 20 Jahre Investitionserfahrung.