
Bildnachweis: ECBF, eCapital, DTCF, Planet A.
Die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft bleibt eine Generationenaufgabe, auch unter schwierigen Finanzierungsbedingungen. Doch wie tragfähig ist das Fundament, auf dem Start-ups im Bereich Climatetech aktuell bauen? Schließlich hat sich der Wind gedreht und speziell Defence scheint zumindest kurzfristig wichtiger als das Klima.
Die „Vergrünung“ von Wirtschaft und Gesellschaft hat lange Zeit die Politik elektrisiert. Das zeigt sich plakativ an den hiesigen Stahlherstellern thyssenkrupp Steel Europe, SHS Stahl-Holding-Saar und Salzgitter AG, die für ihre Projekte zur Umstellung auf klimafreundliche Prozesse Förderzusagen in kumulierter Höhe von 5,6 Mrd. EUR erhalten haben. Von solchen Summen können Start-ups nur träumen, auch wenn seit gut zwei Jahren aus dem Zukunftsfonds der Bundesministerien für Finanzen und Wirtschaft sowie dem ERP-Sondervermögen 1 Mrd. EUR im DeepTech & Climate Fonds (DTCF) zur Verfügung steht – und davon bis zu 30 Mio. EUR pro Investment.
Kurzfristiger Gegenwind, langfristiger Rückenwind
Während in den Boomjahren 2020 bis 2022 hohe Bewertungen und umfangreiche Wachstumsfinanzierungen noch zum Tagesgeschäft gehörten, herrscht derzeit eine deutlich reserviertere Grundstimmung. Das Dealvolumen als auch die durchschnittlichen Ticketgrößen sind spürbar zurückgegangen, insbesondere in der Frühphase. „Themen wie Climatetech haben im Moment einen schwereren Stand, weil geopolitische Prioritäten überwiegen. Defence wird da einfach eher finanziert“, erklärt Dr. Michael Brandkamp vom European Circular Bioeconomy Fund (ECBF). Hannes Schill, Partner bei eCapital, bestätigt: „Man hat das Gefühl, dass frische Gelder von großen institutionellen Fondsinvestoren derzeit verstärkt in Rüstungs- und Verteidigungsthemen fließen und weniger in grüne Technologien.“ Trotz dieses kurzfristigen Gegenwinds bleibt die strategische Bedeutung des Themas langfristig bestehen. „In fünf Jahren werden von den fünf dominierenden Megatrends vier grün sein“, zitiert Brandkamp eine WEF-Prognose.
Abkühlung des Finanzierungsklimas
Die allgemeine Marktstimmung habe sich abgekühlt und die Hochphase sei erst einmal vorbei, ist auch Dr. Elisabeth Schrey überzeugt. Die Geschäftsführerin des DTCF spricht von einem „nach wie vor herausfordernden Marktumfeld für hardwarelastige oder kapitalintensive Geschäftsmodelle“, während sich Softwarelösungen oder skalierbare digitale Modelle „weiterhin leichter bei der Investorensuche“ täten. Dennoch beobachte sie wieder mehr Bewegung bei Finanzierungsrunden, insbesondere Series A und B, doch noch gebe es kein Gleichgewicht zwischen der „wachsenden Nachfrage für Venture Capital-Finanzierung von kapitalintensiven Climatetech-Unternehmen und dem vorhandenen Angebot in der frühen Wachstumsphase“. Laut Schrey brauche es mehr Angebot in diesen Phasen; viele Kapitalgeber schreckten jedoch noch immer vor dem Tech-Risiko in diesen größeren Runden zurück oder investierten generell frühphasiger. Für Christoph Gras, Partner beim Early Stage-Investor Planet A, verhalten sich ebenfalls „viele Fonds aktuell sehr selektiv“ – teils aus Vorsicht, teils um aktiven Portfoliounternehmen Priorität einzuräumen. Allerdings gilt die erschwerte Suche nach einem Lead-Investor nicht als spezifisches Problem von Climatetech. Für Investoren mit Weitblick ist die aktuelle Lage aber eine Chance, ist Brandkamp überzeugt: „Wer jetzt investiert, wird einen guten Vintage haben.“ Ähnlich sieht das Gras: „Die kommenden Fondsjahrgänge könnten durchaus stark werden – vorausgesetzt, man investiert jetzt in die richtigen Teams und Technologien.“ Wer hingegen als Investor auf Kapitalsuche ist, so hört man aus dem Markt, treffe auf eine gewisse Zurückhaltung aufseiten institutioneller Anleger. Das Fundraising sei deutlich herausfordernder als vor zwei Jahren, heißt es.
KI-Themen im Fokus
In der thematischen Gewichtung jedenfalls haben sich die Schwerpunkte innerhalb des Climatetech-Bereichs deutlich verschoben. Noch vor wenigen Jahren galt Carbon Removal als attraktives Zukunftsfeld, doch laut Schill sind Start-ups in diesem Segment inzwischen schwerer finanzierbar. Auch Fleischersatzprodukte auf Pflanzenbasis sind aus dem Trend gerutscht. Dafür zieht es Kapital zunehmend in Themen, die im Zusammenhang mit Strom oder Elektrifizierung stehen. Besonders gefragt sind Lösungen, die künstliche Intelligenz mit Energiethemen kombinieren, da sie als weniger kapitalintensiv gelten. Aus Schills Sicht hätten es Softwareideen, die auf KI setzen, vergleichsweise leicht, die Aufmerksamkeit von Investoren auf sich zu ziehen. Diese Beobachtung teilt Brandkamp, der allerdings davor warnt, die langfristige Relevanz anderer Bereiche zu unterschätzen: „Die Themen Kreislaufwirtschaft und Biotechnologie sind von Bedeutung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften.“ Gerade bei biobasierten Materialien und Recyclingprozessen gehe es nicht nur um Emissionsvermeidung, sondern auch um strategische Souveränität. Darüber hinaus betont auch Gras die Bedeutung stofflicher Innovationen, für die er „weiterhin große Chancen“ sieht. Die von ihm skizzierte Spanne reicht dabei von alternativen Materialien etwa für Verpackungen, Textilien oder Bauprodukte bis hin zu seltenen Erden respektive dem Ersatz von teuren Metallen in diversen Industrien. Letzteres umfasst beispielsweise neuartige Katalysatoren in der chemischen Industrie oder Ersatzstoffe in der Batterieindustrie.
Substanz statt Storytelling
Gerade in einem Markt, der sich von der Hypedynamik der Vorjahre verabschiedet hat, tritt die Substanz stärker in den Vordergrund. Investoren achten genauer darauf, ob Impact-Versprechen belastbar oder eher Teil einer Marketingstrategie sind. „Wenn es keine Emissionen spart oder relevante Umweltbelastungen reduziert, investieren wir nicht“, beschreibt Gras die Grundlage für Investmententscheidungen bei Planet A, die sich an wissenschaftlich fundierter Wirkung orientieren. Im Zweifel fallen damit auch potenziell gut vermarktbare Ideen aus dem Raster, wenn sich ihr ökologischer Nutzen nicht belegen lässt. Insbesondere bei Themen wie Effizienzsteigerung, Ressourcenschonung oder der Substitution fossiler Rohstoffe können nachhaltige Technologien einen klaren Wettbewerbsvorteil darstellen. „Wir investieren dort, wo ökologische Wirkung und wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand gehen“, fasst Gras zusammen. Auf ein sehr spezifisches Warnsignal weist zudem Schill hin. Bekanntlich bevorzugen Early Stage-Investoren komplementäre Teams, die Technologie ebenso wie Marktverständnis abdecken, doch im Bereich Climatetech wünscht er sich auch echte Überzeugungstäter. Schill: „Wer als Gründer mit einem Impact-Thema unterwegs ist, muss auch voll dahinterstehen.“
Öffentliche Mittel als Stabilitätsanker
Zwar sind die opportunistischen Investoren aus dem Markt verschwunden und die anderen treten vergleichsweise zurückhaltend auf; dennoch dürfen Start-ups weiterhin auf Rückenwind der öffentlichen Hand vertrauen – schließlich ist die öffentliche Förderarchitektur in Deutschland vergleichsweise gut ausgebaut. „Gerade in schwierigen Marktphasen können öffentliche Co-Investoren ein wichtiges Signal setzen“, meint Schill. Das bestätigt Schrey, denn der von ihr gemeinsam mit Tobias Faupel geführte DeepTech & Climate Fonds sei nicht nur eine „gute Ergänzung zur privaten Finanzierung“, sondern könne „helfen, Transaktionen abzusichern und Vertrauen zu schaffen“. Zudem investiere er wie ein klassischer Venture Capitalist, was für grundsätzlich gleich gelagerte Interesse sorge. Gras begrüßt eine wachsende Bereitschaft öffentlicher Investoren, sich über die Frühphase hinaus an Runden zu beteiligen, wenngleich er sich „mehr Mut zur Co-Finanzierung in späteren Runden“ wünscht.
Skalierbarkeit wichtiger als Zielgruppe
Auch wenn die meisten Climatetech-Modelle auf industrielle Kunden abzielen, schließen die Investoren B2C-Ideen nicht aus. Schill verweist auf positive Erfahrungen – schließlich ist das Portfoliounternehmen 1Komma5° mit seinem Energy-IOT-System „im Grunde auch ein B2C-Thema“. Entscheidend sei nicht die Zielgruppe, sondern das Marktpotenzial. Vergleichbar äußert sich Gras: „Wenn eine Technologie über Konsumenten skalieren kann, umso besser.“ Brandkamp ergänzt, dass Consumer-Märkte in vielen Fällen sogar First Mover sein können: „Gerade im Bereich nachhaltiger Konsumprodukte bestehen erhebliche Marktpotenziale, wenn Qualität, Preis und Kommunikation stimmen.“ Differenziert sieht das hingegen bei den regulatorischen Rahmenbedingungen aus. Grundsätzlich schätzen Investoren staatliche Interventionen, um Märkte schneller in die richtige Richtung zu entwickeln. Brauchen Start-ups hingegen Subventionen für den eigenen wirtschaftlichen Erfolg, gehen die Kapitalgeber schnell auf Distanz.
Fazit
Auf den Boom der vergangenen Jahre ist ein nüchternes, aber konstruktives Investitionsklima gefolgt. Politische Entwicklungen – vom Ukrainekrieg bis zur Renaissance der Rüstungsindustrie – beeinflussen die strategische Ausrichtung von Investoren zunehmend. Gleichwohl bleibt der Bedarf an innovativen Lösungen ungebrochen. Gute Teams mit belastbaren Technologien erhalten weiterhin Kapital. Es ist eine Phase der Konzentration, nicht des Rückzugs. Wer glaubwürdig wirkt, technisch überzeugt und wirtschaftlich skalieren kann, findet weiterhin Investoren.


