Bildnachweis: Technische Universität Dresden.
Charakteristika der informationellen Revolution, die sich mit AI, Quantentechnologie, neuen Materialien und autonomen vernetzten Systemen anschickt, ihre zweite große Phase einzuläuten, sind die hohe Plastizität der Erfindungen etwa im naturwissenschaftlich-medizinischen Bereich, eine ständige Verkürzung der Innovationszyklen und eine starke Entkopplung von den Anlageinvestitionen. Hinzu kommt eine bereits bis heute unvorstellbare Ausbreitung des globalen Austauschs von Waren, Dienstleistungen und Know-how. Über das Internet bleibt es jungen Erfindern und findigen Unternehmern möglich, digitale Services und Produkte in kürzester Zeit Millionen von Kunden zugänglich zu machen. Anstelle des Aufbaus eigener Produktions- und Logistikkapazitäten helfen die digitalen Fähigkeiten, etablierte Unternehmen einzubinden und den Zeitraum für den Markteintritt und Markthochlauf dramatisch zu verringern. Dies eröffnet ein massives Skalierungspotenzial mit der Möglichkeit des Winner-takes-all. Damit einher gehen riesige Chancen, zugleich aber auch das Risiko des Scheiterns für all jene, die im intensiven globalen Wettbewerb zu spät starten oder nicht schnell genug wachsen. Die über lange Zeit vom Bankensystem in Form von Krediten und stillen Beteiligungen bereitgehaltene Gründungsfinanzierung ist diesen Herausforderungen spätestens seit den 1990er-Jahren nicht mehr gewachsen. Der Wechsel hin zum im angelsächsischen Raum bereits früh entwickelten Venture Capital-Markt in Verbindung mit einem starken Business Angel-Netzwerk und einem funktionsfähigen Exit über Private Equity und IPOs erwies sich in Deutschland nicht nur kulturell als eine große Herausforderung. Es mangelte in den frühen Anfängen an Know-how, umfassender Erfahrung und herausragenden Erfolgen sowohl bei den Fondsmanagern als auch bei ihren Investoren.
Aufholjagd der Branche
Anders als andere Länder brauchte Deutschland in der Folge mehr Zeit, um das Platzen der Internetblase und die Folgen der Finanzkrise zu verarbeiten. Ein Vierteljahrhundert später
blicken die Venture Capital- und Private Equity-Branche und mit ihnen das deutsche Innovationssystem auf eine beachtliche Aufholjagd zurück. Sie ist jedoch längst nicht beendet. Vielmehr erweist sich der Wagniskapitalmarkt bis heute als signifikant kleiner und weniger kapitalintensiv als jener in den Vereinigten Staaten und Großbritannien – gemessen auch am BIP pro Kopf der Bevölkerung. Besonders für Deeptech-Unternehmen, auf die sich Deutschland stark fokussiert, hat die Überwindung des „Valley of Death“, wo staatliche F&E-Förderung nicht mehr und private noch nicht hinreichend fließt, hohe Priorität.
Verbesserungspotenzial
Um dieses Tal schneller zu durchschreiten, braucht es eine starke Idee, eine überzeugende Story und den unbedingten Willen, die Neuerungen mit Venture Capital möglichst schnell auf einen möglichst großen Markt zu bringen – Time-to-Market und Scaling sind die entscheidenden Stellhebel. Hierzu braucht es künftig mehr
- Möglichkeiten von eigenmittelstarken Pensionsfonds und Versicherungen, um einen Teil ihrer Kapitalanlagen über Venture Capital-Fonds und Private Equity in Start-ups zu investieren – im Interesse ihrer Versicherten, eines dynamischen Gründergeschehens und eines nachhaltigen Wachstums;
- eine europäische Kapitalmarktunion mit einer leistungsstarken Börse für wachstumsstarke Scale-ups aus Europa, um den Venture Capital- und Private Equity-Fonds und ihren Investoren mit attraktiven IPOs einen kontinuierlichen Dealflow zu ermöglichen, der ihre Risikotragfähigkeit erhöht und ihren Risikoappetit anreizt.
AI als willkommener Enabler
Neue Technologien wie AI empfehlen sich als willkommene Enabler – nicht zuletzt für das Fondsmanagement selbst. Sie erhöhen gleichzeitig die Veränderungsgeschwindigkeit. So ließen sich im Pharmabereich die Entwicklungs- und klinischen Testphasen mit AI und der Quantentechnologie massiv verkürzen. Damit würde die Venture-Finanzierung attraktiver. Eine Verkürzung der Halteperiode ließe sich auch durch zusätzliche Validierungsmittel im Vorfeld der Venture Capital-Finanzierung erreichen. Neuere Überlegungen der KfW-Bank zur Finanzierung von Validierungsanstrengungen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Zusammenarbeit mit privaten Akteuren weisen dabei in eine ähnlich positive Richtung wie die seinerzeitige Gründung und schrittweise Öffnung des High-Tech Gründerfonds für private Co-Investoren auf nationaler Ebene, die eine Vielzahl von Nachahmern auf regionaler Ebene gefunden hat.
Fazit
Größere Anstrengungen zur Vermeidung des „Valley of Death“ bilden die eine Seite der Medaille, bessere Exit-Optionen die andere. Nur wenn der Zugang zu den großen Kapitalsammelstellen erleichtert und der organisierte Kapitalmarkt für Scale-ups in Europa geöffnet wird, stehen die Finanzvolumina zur Verfügung, die benötigt werden, damit Deutschland auch 2050 in der weltweiten Spitzengruppe der besten Innovationsstandorte mitspielt – mit starken Venture Capital- und Private Equity-Unternehmen als essenziellen Treibern des Fortschritts!
Über die Autoren:
Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Professur für Innovations- und Technologiemanagement und Direktor des Exzellenzcenters für Innovation, Transfer und Entrepreneurship der Technischen Universität Dresden.
Prof. Dr. Michael Schefczyk, Professur für Entrepreneurship und Innovation und Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Dresden.



