Bildnachweis: Campus Founders.
Innovation als Privileg der Großstadt? Das hätten sie in Berlin, Hamburg oder München wohl gerne. Doch eine Stadt im Norden Baden-Württembergs stiehlt den Metropolen einmal im Jahr die Schau – wenn die Campus Founders zur Heilbronn Slush’D laden. Der Zugang ist streng limitiert, und genau das erhöht den Charme.
Die Heilbronn Slush‘D ist kein klassisches Start-up-Festival: Sie ist seit 2022 Labor, Netzwerk und Schaufenster zugleich. Zudem ist sie „der Tag, an dem alles zusammenkommt, was wir das ganze Jahr über im Ökosystem aufbauen“, beschreibt Oliver Hanisch. Statt auf Masse zu setzen, ist die Teilnehmerzahl des Events bewusst auf rund 1.000 begrenzt. Wer ein Ticket möchte, muss sich bewerben. „Wir wollen, dass jeder Kontakt auf der Heilbronn Slush‘D wertvoll ist – für Gründer, Investoren oder Unternehmen“, unterstreicht der CEO des Ausrichters Campus Founders.
Qualität statt Quantität
„Wir schaffen eine Atmosphäre, die professionell ist, aber trotzdem locker, unterhaltsam und die Spaß macht. Das befördert aus unserer Sicht das Netzwerken, sodass abseits des Konferenzprogramms der Austausch im Vordergrund steht. Die Leute sind den ganzen Tag über im Gespräch, knüpfen unerwartete, wertvolle Kontakte – das ist das, was sie am Ende mitnehmen“, so Hanisch. Dafür sorgt ein fein austarierter Formatmix: Dieses Jahr präsentieren in der Pitch Competition am 23. Oktober insgesamt 50 ausgewählte Start-ups ihre Ideen von Robotik über neue Werkstoffe bis hin zu KI-gestützter Produktion. Weitere 50 Start-ups zeigen ihre Projekte an sogenannten Demotables. Über die Event-App können Teilnehmer ihre Interessen angeben und gezielt One-on-One-Meetings vereinbaren. Für Investorinnen und Investoren ergibt sich ohne Streuverluste eine kompakte Übersicht über die spannendsten Frühphasenteams aus dem lokalen Ökosystem wie aus ganz Europa.
Netzwerke, die von selbst wachsen
Die Internationalisierung – „mehr Speaker, mehr Teilnehmer, mehr Start-ups aus dem Ausland“ – ist aus Sicht von Hanisch die stärkste Entwicklung, welche die Heilbronn Slush’D über die Zeit gemacht hat. Bei der 2025er-Auflage können Gründer beispielsweise führende Investoren wie Agate Freimane (Founding General Partner bei Norrsken VC), Samuli Sirén (General Partner und Co-Founder von Redstone VC) oder Petter Made (Partner bei Ewor und Co-Founder SumUp) bei Panels oder Keynotes hören. Vielleicht ergibt sich im Rahmen der sogenannten Side Events und Circles auch die Chance zu einem informellen Austausch. Jet Ventures beispielsweise organisiert einen „Morning Run“, und die NXTGN Startup Factory richtet mit encourageventures ein „Female Founders Event“ aus. Weitere Networking-Events umfassen etwa das exklusive Investorendinner von D11Z. Ventures oder die erstmals stattfindende Bootsfahrt des Verbands der Unternehmerinnen in Deutschland (VdU), bei der sich „Female Investors“ auf dem Neckar vernetzen und direkt am Festivalgelände anlegen. „Man merkt, wie das Ökosystem selbst mitgestaltet. Jeder bringt eigene Ideen ein – das macht das Festival unglaublich lebendig“, sagt Hanisch. So wird das Event zudem zur Plattform, die Tiefenwirkung erzielt.
Der Architekt des Ökosystems
Hinter der Heilbronn Slush’D steht mit Campus Founders ein Akteur, der den Standort über die Landesgrenzen hinaus positioniert. „Wir wollen ein internationaler Anziehungspunkt für Unternehmertum und Co-Innovation werden. Heilbronn soll ein Ort sein, an dem Ideen, Forschung und Kapital zusammenfinden“, sagt Hanisch. Als Landing Pad unterstützt das Team internationale Start-ups beim Markteintritt in der DACH-Region, eng vernetzt über die vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte NXTGN Startup Factory. Gleichzeitig dient Heilbronn als Launch Pad für lokale Gründer, die über Netzwerke wie Rise Europe oder das AI LaunchPad international skalieren. Neun verschiedene Programme sichern einen konstanten Dealflow, über Campus Founders Ventures erfolgen eigene Frühphaseninvestments. Mit Partnern wie D11Z. Ventures, Family Offices und mittelständischen Unternehmen entsteht so ein fokussiertes Investorennetzwerk, das Kapital und Technologie verbindet. Der Erfolg des noch jungen Ökosystems schlägt sich in Zahlen nieder: Laut dem „Next Generation Report 2024“ des Startup-Verbands liegt Heilbronn mit 7,7 Neugründungen pro 100.000 Einwohner in Baden-Württemberg auf Rang zwei und deutschlandweit auf Rang neun.
Heilbronn als Deeptech-Standort
„Dass man heute in Heilbronn über KI, Raumfahrt oder Quantencomputing spricht, war vor ein paar Jahren noch undenkbar. Das zeigt, wie schnell sich der Standort entwickelt hat“, zieht Hanisch ein Zwischenfazit. Der Bildungscampus wächst rasant – von derzeit 8.000 auf 20.000 Studierende –, und rundherum entstehen Forschungsinstitute, Lehrstühle und Labore. Im Bereich Deeptech hat sich ein dichtes Cluster gebildet: Der Innovationspark Artificial Intelligence (IPAI), das Creative Destruction Lab „Next Generation Computing“, das belgische Mikroelektronikzentrum imec, acht Fraunhofer-Zentren, Max-Planck-Institute sowie Kooperationen mit ETH Zürich und der Technischen Universität München verdeutlichen die Forschungsdichte. Über die NXTGN-Initiative ist Heilbronn zudem eng mit den Innovationsclustern Karlsruhe, Stuttgart, Heidelberg und Ulm verbunden. Forschung, Kapital und Unternehmertum greifen hier sichtbar ineinander, sodass fernab der Metropolen sogar ein erfolgreiches Raumfahrt-Start-up wie HyImpulse gedeihen kann. „Deeptech und Forschung in die Anwendung und Kommerzialisierung zu bringen, ist die große Chance für den Standort Deutschland und auch für Europa, wirtschaftlich wieder ganz vorne mitzuspielen. Jetzt müssen alle Stakeholder an einem Strang ziehen: Unternehmen, Investoren, Universitäten und auch staatliche Einrichtungen“, betont Hanisch.
Fazit
Heilbronn ist ein Beispiel dafür, wie gezielte Ökosystemarbeit eine Region verändern kann. Das Start-up- und Innovationsfestival Heilbronn Slush‘D ist dabei Labor und Katalysator zugleich; es ist ein Ort, an dem Start-ups, Unternehmen, Forschung und Investoren zusammenkommen. Hinter den Kulissen agieren die Campus Founders als Architekten eines Ökosystems, das Innovation nicht nur inszeniert, sondern strukturell ermöglicht. So wird Heilbronn zunehmend zu einem Fixpunkt auf der europäischen Deeptech-Landkarte.
Best Practice: HyImpulse und Campus Founders
Seit 2012 arbeitet das Gründerteam von HyImpulse Technologies in der Region Heilbronn an innovativen Raketentriebwerken. Als Studierende testeten Christian Schmierer und Mario Kessler ihre ersten Antriebe und starteten – zunächst in Schweden – eigene Raketen. Nach dem Weltrekordflug der Heros 3 auf 32 Kilometer Höhe gründeten sie 2016 HyImpulse und bauten ab 2019 den Firmensitz in Neuenstadt bei Heilbronn auf. Den Kontakt zu den Campus Founders knüpfte Schmierer auf der ersten Heilbronn Slush’D 2022: „Ich hatte mich als Speaker beworben und zunächst nichts gehört. Dann rief mich Oliver Hanisch direkt an – und plötzlich durfte ich präsentieren. Das war unser erster Auftritt auf einem Start-up-Event und enorm motivierend.“ Seither begleiten die Campus Founders das Start-up eng. „Oliver Hanisch und Patrick Burkert haben uns unterstützt, gecoacht und mit Partnern sowie Investoren vernetzt – das war enorm hilfreich, gerade im Fundraising-Prozess“, sagt Schmierer. So ist HyImpulse auch regelmäßig in der Community aktiv, wie etwa durch eine „Lunch & Learn-Session“ vor dem Testflug der Rakete SR75, bei der Schmierer Technologie und Mission vorstellte – bevor die ganze Campus Founders-Community gemeinsam beim Start mitfieberte.



