Interview mit Simon Schäfer, Factory

VC Magazin: Der finale Eröffnungstermin der Factory hat sich immer weiter nach hinten geschoben. Was war passiert und wie symptomatisch sind Verzögerungen für Start-ups allgemein?
Schäfer: In allen Firmen, in die ich in den letzten Jahren investiert habe, waren die Business-Pläne meist ambitionierter und enthusiastischer, als das Produkt, wie es sich am Ende darstellte. Vor allem Projekte, die – so wie wir – nah an der Immobilienbranche agieren. Das sind meist keine Modelle, die viral explodieren. Und ja, wir haben mit der Eröffnung länger gebraucht, als wir es uns gewünscht hätten. Im Winter 2012 haben wir den Kauf des Objektes notariell beglaubigen lassen, im Sommer 2014 wurde eröffnet. Baulich wie architektonisch mussten in dieser Zeit viele Entscheidungen getroffen werden. Wir haben in dieser Zeit sehr viel Gegenwehr erhalten. Gleichzeitig haben wir aber auch international enorm hohen Zuspruch bekommen. Der Vorteil  war, dass wir es mit unserem vorgestellten Konzept dazu beigetragen haben, Berlin aus dem negativen Samwer-Copy Cat-Image herauszubewegen und ins Gegenteil abzuwenden. Das hat die positive Abstrahlwirkung weit über Deutschland hinaus produziert. Es hat auch deutlich gemacht, dass wir weder ein Inkubator noch ein Accelerator sind. Wir sind tatsächlich ein Campus! Keiner vor uns hat es geschafft, so viele Start-up in unterschiedlichen Stadien der Unternehmensentwicklung an einem Ort zu bündeln.

VC Magazin: Sie wehren sich gegen den Verdacht, ein Inkubator oder Accelerator zu sein. Was ist denn ihrer Meinung nach das Problem daran?
Schäfer: Es gibt weltweit meines Erachtens nur zwei Acceleratoren, die wirklich relevante Companies hervorgebracht haben. Ich finde es schade, junge, ambitionierte Entrepreneure, die selbst sehr wenig Geld brauchen, dafür zu nutzen, um notwendige Innovationen nach außen zu verlagern. Gleichzeitig treibt die Shareholder die Motivation an, diese Ideen wieder ins Unternehmen aufzunehmen. So verstehe ich Innovation nicht. Wahre Innovation entsteht meines Erachtens vielmehr dadurch, dass Gründer einfach irgendwas machen und Dinge völlig frei miteinander neu kombinieren können. Mit einem Inkubator im Hintergrund wird das so nicht passieren. Wir können die Situation hierzulande nicht mit dem Valley vergleichen: Dort gibt es viel zu viele gute Ideen. Der Inkubator funktioniert dort als Selektionsmechanismus. Deutschland hat aus meiner Perspektive ein gegenteiliges Problem: Wir haben zu wenig Gründer und nicht ausreichend gute Ideen. Wir müssen also denjenigen, die sich trauen, Raum und Zeit geben, sich zu entwickeln. In dieser Phase sollte niemand nach IPOs oder Exits fragen. Organisches, individuelles Wachstum ist wichtig!

VC Magazin: Wie erreicht man das Ihrer Meinung nach?
Schäfer: Wir müssen mehr Gründer finden, die ausprobieren und trotz allen Risikos einer Unternehmensgründung etwas wagen wollen. Meines Erachtens schafft man das nur, wenn man diejenigen, die das tun, als Vorbilder präsentiert. Unser Ziel mit der Factory ist es, eine Sichtbarkeit, Anfassbarkeit und eine Interaktion herzustellen.

VC Magazin: Twitter und Google haben sich in die Factory eingemietet. Über sein Entrepreneurs-Programm unterstützt Google gar den Campus. Haben die jungen Gründer da keine Berührungsängste und wirkt die Factory damit nicht ein paar Hausnummern zu groß für sie?
Schäfer: Nein, das sehe ich nicht so. Warum soll man nicht von denen lernen und sich austauschen, die ein Geschäftsmodell bereits erfolgreich aufgebaut haben? Es soll ja nicht darum gehen, Ideen kaputt zu machen, sondern durch Austausch und regelmäßiger Interaktion gemeinsam nach Innovationen zu suchen. Natürlich herrscht das Leistungsprinzip. Der beste gewinnt. Aber so verstehen es auch die Gründer, die hier Teil der Factory werden wollen.  Berührungsängste schließt das von vornherein aus. Und die Anzahl der Bewerbungen auf einen Tisch in der Factory geben uns recht. Die Zahlen sind enorm.